Ebersberg:Kollision der Interessen

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Radfahrer ziehen im Straßenverkehr meist den Kürzeren. Doch manchmal tragen sie auch selbst dazu bei, dass eine Situation gefährlich wird

Von Alexandra Leuthner, Ebersberg

Als der Slowake Peter Sagan auf dem Zielsprint der vierten Etappe bei der diesjährigen Tour de France den Ellenbogen ausfuhr und sein Kontrahent Mark Cavendish im Absperrgitter landete, war die Empörung vieler Radsportfans groß. Der Internationale Sportgerichtshof CAS schloss Sagan von der Teilnahme am berühmtesten Radrennen der Welt aus, allen Protesten seines deutschen Rennstalls Hansgrohe zum Trotz. Nun darf so ein Tourfahrer sicher alles sein, aber kein Weichei, und er ist dann vielleicht auch nicht ganz so weich besaitet, wenn es um den Umgang mit den Konkurrenten auf Alpenpässen und Pyrenäenabfahrten geht.

Doch wie ist das mit den Radfahrern im Straßenverkehr? Über rücksichtslose Radler ist in den vergangenen Wochen auch zwischen Elkofen, Grafing und Bruck debattiert worden, nachdem es am letzten Sonntag im Mai zu einem Unfall gekommen war, an dem eine Gruppe von Fahrern des traditionsreichen RSC Elkofen, des Veranstalters des jährlichen Giro d'Elkofen, beteiligt war. Wie weit sie tatsächlich Schuld daran hatten, dass eine Reiterin vom Pferd gestürzt ist und mit Kopfverletzungen ins Krankenhaus gebracht werden musste, ermittelt die Ebersberger Polizei und wird letztendlich ein Richter klären müssen.

Nebeneinander fahren ist in der Kolonne zwar erlaubt, doch eigentlich nur zu zweit. Grund, um sich über Radler aufzuregen, finden Autofahrer aber ohnehin immer. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Zu dem Unfall war es gekommen, als drei Reitern, die zwischen Hamberg und Obereichhofen auf einem gemähten Seitenstreifen neben der Straße unterwegs waren, eine größere Gruppe von Rennradlern entgegen kam, im Renntempo, wie die Reiter später aussagten, das die Radler auch nicht verringerten, als die Reiter sie warnend anriefen. Zwei der Pferde erschraken heftig vor der heranrauschenden Gruppe, sie gingen durch und rasten in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren - und in die auch die Radler wollten.

800 Meter lang galoppierten sie zwischen den Radlern auf der Teerstraße, so beschrieben es die Reiter. Bis schließlich eine 34-jährige Reiterin abgeworfen wurde. Ein Landwirt aus einem benachbarten Dorf, der gerade neben der Straße gearbeitet hatte, rief den Notarzt. Vier Radler blieben stehen, die anderen fuhren weiter. Die Reiter haben bei der Polizei in Ebersberg Anzeige gegen die Radfahrer erstattetet. Salim Beg, einer der drei Reiter, ist immer noch voller Empörung. "Wenn sie gleich unserer Bitte nachgekommen und langsamer gefahren wären, dann wäre vielleicht nichts passiert."

Fahren Rennradler auf der Straße, können Konflikte entstehen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nun seien Auseinandersetzungen zwischen Reitern und Radlern nicht gerade an der Tagesordnung, erklärt der neue Leiter der Ebersberger Polizeidienststelle, Dieter Lerchl. Und obwohl gerade im ländlichen südlichen Landkreis Ebersberg besonders an Sommerwochenenden viele Radfahrergruppen unterwegs sind, komme es nur selten vor, dass Unfälle gemeldet würden. In den zurückliegenden drei Jahren habe er darüber nichts in den Akten gefunden. Dass es aber zu zumindest verbalen Auseinandersetzungen kommt, kann er hingegen nicht ausschließen. Und das bestätigt auch der Leiter der Radsparte des RSC Elkofen, Matthias Niedermair.

Zu dem Unfall selbst könne er leider nicht Stellung nehmen, erklärt Niedermair, der seit zehn Jahren Mitglied im Verein und seit sechs Jahren im Amt ist, da es sich noch um eine laufende Ermittlung handle. Er räumt allerdings ein, dass das Ereignis natürlich dem Image des Vereins geschadet habe. In Untereichhofen etwa seien Mitglieder, die zur Vorbereitung des diesjährigen Giro d'Elkofen Informationszettel verteilten, auf das Geschehen angesprochen worden. Grundsätzlich habe er jedoch nicht das Gefühl, dass es zwischen dem Verein mit seinen etwa 200 Mitgliedern - die nicht alle als Radfahrer aktiv sind - und den umliegenden Orten Schwierigkeiten gebe. "Für den Giro wünschen uns die meisten normalerweise einfach gutes Wetter." Dass es aber ein Spannungsverhältnis zwischen Radfahrern und anderen Verkehrsteilnehmern gebe, das sehe er auch so - wenn auch die Begegnungen zwischen Reitern und Rennradlern eher zu den selteneren gehörten. Aus eigener Erfahrung könne er von zwei solchen Begegnungen berichten, da sei er allerdings mit dem Mountainbike unterwegs gewesen. Beide Aufeinandertreffen hätten ihm vor Augen geführt, dass es viele Geräusche gibt, die Pferde erschrecken können, eine Klingel genauso wie das metallische Schnappen des Radständers.

An der Kreisstraße EBE 5 zwischen Anzing und Schwaberwegen gibt es für Radler bislang nur einen Schutzstreifen. Kommendes Jahr soll hier nun ein richtiger Radweg gebaut werden. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

In der Regel, das ist aus seinen Worten ebenso heraus zu hören wie aus den Aussagen von Hubert Uebel, dem Vorsitzenden der Ebersberger Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC), sind es die Radler, die im Straßenverkehr den Kürzeren ziehen, auch, weil Autofahrer ihnen weniger Rechte zugestehen als sie laut Straßenverkehrsordnung tatsächlich haben. So dürfen Radfahrer, die in einem Pulk von mehr als 15 Personen unterwegs sind, durchaus zu zweit nebeneinander auf der Straße fahren, am rechten Straßenrand allerdings. In verkehrsberuhigten Zonen ist das übrigens schon für zwei Radler erlaubt. Die Regeln gelten ohne Unterschied für Rennradfahrer, Mountainbiker, Freizeitfahrer oder auch E-Bikefahrer, bestätigt auch Dieter Lerchl von der Polizei.

Aber sobald ein gekennzeichneter Radweg neben der Straße verläuft, seien Radler verpflichtet, den auch zu befahren. Auch Radlergruppen hätten diese Benutzungspflicht. Es sei denn, der Weg sei im Grunde nicht befahrbar, ohne dass Rad oder gar Radfahrer Schaden nehme. Das gilt im Winter, wenn Radwege nicht geräumt sind, oder wenn sie Schlaglöcher haben. So sei etwa der Radweg zwischen Holzham und Bruckmühl, südlich von Bruck, ständig von Traktoren verschmutzt und mit Glasscherben übersät, "da drauf fahren, das geht nicht", erklärt Niedermair. Ganz anders dagegen der Radweg durch den Ebersberger Forst: Der sei immer sauber und gepflegt. "Wer hier auf der Straße fährt, dem ist nicht zu helfen."

Nur, wenn sich die Fahrradfahrer brav auf dem Radweg aufhalten, gibt es in der Regel keine Konflikte. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wenn Radfahrer in großen Gruppen unterwegs sind, gelten sie im Straßenverkehr als Verband, der als ein einziger Verkehrsteilnehmer zu behandeln ist. An einer Kreuzung etwa heiße das, so Niedermair: Wenn die Vordersten losgefahren seien, müsse ein querendes Auto auch den Rest eines erkennbaren Verbands durchfahren lassen, was nicht jeder Autofahrer gerne tue. "Ich für meinen Teil bleibe da lieber stehen. Es gibt viel zu viele völlig unentspannte Autofahrer bei uns", sagt er. So wie jener SUV-Fahrer, der ihn und einige Vereinsmitglieder just bei einer Trainingsfahrt am vergangenen Wochenende hupend und gestikulierend beschimpft habe, weil er nicht schnell genug vorbei gekommen sei.

Um Autofahrern das sichere Überholen zu ermöglichen, sind größere Radverbände auf der Straße verpflichtet, immer wieder Lücken zu lassen, so dass Autos dort einscheren können. Die Tourenleiter des ADFC seien angehalten, darauf zu achten, erläutert Uebel. Bei jedem Überholvorgang müsse ein Autofahrer aber auch mindestens eineinhalb Meter Abstand vom Lenker eines Radlers einhalten. "Das hat man vielleicht mal in der Fahrschule gelernt, aber längst wieder vergessen." Bei einem Tempo von mehr als 80 Kilometern pro Stunde erhöhe sich der Mindestabstand sogar auf zwei Meter, was ein Überholen bei jeder Art von Gegenverkehr eigentlich grundsätzlich ausschließt.

Umgekehrt müsse aber auch jeder Radfahrer, der etwa an einem stehenden oder langsam fahrenden Auto vorbei fährt, einen Sicherheitsabstand von 1,50 Meter einhalten, erklärt Übel. Und vielleicht gilt das ja auch für Pferde.

© SZ vom 15.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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