Ebersberg:Klotzen statt kleckern

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Der Grafinger Landtagsabgeordnete Thomas Huber und Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle fordern in einem Strategiepapier mehr Anreize für den Wohnungsbau im Großraum München

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Für die CSU gibt es beim Wohnungsbau noch Luft nach oben - und nach rechts, links, vorne und hinten. Der Bezirksverband hat nun ein Strategiepapier namens "Ballungsrauminitiative" vorgestellt, und der Name ist Programm. Gefordert wird in dem Vorstoß, an dessen Erarbeitung auch der Grafinger Landtagsabgeordnete Thomas Huber beteiligt war, vor allem geballter Wohnungsbau durch die Lockerung bestehender Regelungen wie etwa Ausgleichsflächen oder Maximalhöhen. Dies hätte auch Auswirkungen auf den Landkreis Ebersberg.

Zwei Ziele haben Huber und Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle in dem Papier als vorrangig ausgemacht: "Wir müssen die Ballungsräume entlasten und gleichzeitig den hohen Zuzug dorthin besser managen." Denn die gegenwärtige Entwicklung, so die Verfasser der Ideensammlung, widerspreche dem Grundsatz, welcher schon in der Bayerischen Verfassung steht: gleichwertige Lebensgrundlagen im gesamten Freistaat zu schaffen. Die kritisierte Ungleichheit betreffe einerseits Gegenden, die vom Wegzug ihrer Bewohner betroffen sind, aber auch die Ballungsräume mit ihren hohen Immobilienpreisen. Dort "haben mittlerweile auch Bezieher mittlerer und gehobener Einkommen Schwierigkeiten, geeigneten Wohnraum zu finden", so Huber und Schelle.

Darum muss auf jeden Fall mehr gebaut werden, als ersten Schritt wollen die Verfasser des Strategiepapiers "alle Möglichkeiten der Innenentwicklung und Nachverdichtung ausschöpfen". Dazu solle etwa die Stadt München "ihre Auflagen für die Gebäudehöhen überdenken" - derzeit gilt eine Obergrenze von 100 Metern. Interessant für den Landkreis Ebersberg ist die Forderung, auch "in Kommunen mit S-Bahnstation im Umland von München" solle "über eine Lockerung der Auflagen für Gebäudehöhen nachgedacht werden". Konkret würde das bedeuten, dass in Vaterstetten, Poing, Markt Schwaben, Zorneding, Kirchseeon, Grafing und Ebersberg weiter in die Höhe gebaut werden dürfte.

Aber auch bei den Auflagen wollen Huber und Schelle die Bauherren entlasten. Wegen der stark gestiegenen Baukosten wird gefordert, "die Baustandards nicht weiter zu steigern beziehungsweise die bestehenden Normen und Standards hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Folgekosten zu überprüfen". Ebenfalls auf den Prüfstand sollen die Bestimmungen für Ausgleichsflächen und für Re-Investitionen beim Verkauf landwirtschaftlicher Flächen. Derzeit müssen bei vielen Bauvorhaben Ausgleichsflächen angelegt werden, dies stelle "ein weiteres Hindernis für die Schaffung von Wohnraum dar". Besonders die "starren Regelungen" für solche Ausgleichsmaßnahmen werden kritisiert, künftig sollen "auch Investitionen in Klima- oder Hochwasserschutz ohne Flächenverbrauch als ökologische Ausgleichsmaßnahme anerkannt werden. Genau wie die Nutzung nachwachsender Rohstoffe beim Bau neuer Wohnhäuser.

Auch soll es für Landwirte attraktiver werden, Flächen für Wohnzwecke zu verkaufen. Aktuell gilt, je mehr Geld aus einem Grundstücksverkauf eines landwirtschaftlichen Betriebs in diesen wieder investiert wird, desto geringer die Steuerlast. Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass bei knappen Flächen eine Reinvestition kaum möglich ist, weshalb Landverkäufe unterbleiben. Gut zu sehen ist dies bei den zähen Verhandlungen um Flächen für die Parsdorfer Umgehungsstraße, wo die Gemeinde sogar mit Enteignung drohte, um Kaufunwillige zu überzeugen. "Enteignungen sind sehr schwierig und auch nicht Ziel unserer Politik", schreiben Huber und Schelle. Stattdessen will man die Regeln, was als Re-Investition gilt, ändern. Statt ausschließlich in den Betrieb, sollen auch Investitionen in Wohngebäude die Steuerlast von Landverkäufern mindern.

Gleichzeitig soll der Ballungsraum in die Fläche wachsen, durch eine "Weiterentwicklung des S-Bahn-Systems über den MVV-Raum hinaus". Künftig soll die S-Bahn bis Landshut, Landsberg, Buchloe oder Rosenheim fahren, diese Außenstationen sollen durch Express-S-Bahnen an die Landeshauptstadt angebunden werden. In diesem Zusammenhang fordern Huber und Schelle auch die Elektrifizierung der Bahnlinie nach Wasserburg, auch hier soll eine Express-S-Bahn fahren, genau wie auf der Strecke der Oberlandbahn.

Parallel soll das radial ausgerichtete Verkehrssystem "durch tangentiale Verbindungen" ergänzt werden. Interessant ist, wer für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs aufkommen soll: "Die Aufgabe des allgemeinen ÖPNV ist als Pflichtaufgabe der Kommunen festzulegen." Diese sollen dafür aber auch zweckgebundene Finanzmittel des Landes zur Verfügung gestellt bekommen.

Ebenfalls finanziell stärken wollen Huber und Schelle die Kommunen durch eine Neuregelung bei der Einkommensteuerbeteiligung. Bislang wächst diese analog der Steuerkraft der Einwohner - aber nur bis zu einem bestimmten Punkt. Diese Deckelung, so die Forderung im Strategiepapier, solle "deutlich" angehoben werden. Schließlich koste der Zuzug einer Familie eine Gemeinde 150 000 Euro alleine für Schulen und Kinderbetreuung, dagegen sei "die Ausweisung von Gewerbegebieten einfach und bringt Geld". Für Gemeinden mit vielen Wohn- und wenig Gewerbegebieten wie etwa Vaterstetten und Markt Schwaben könnte dies tatsächlich Mehreinnahmen bedeuten. Für alle anderen einen Anreiz, statt Gewerbe- mehr Wohngebiete auszuweisen.

© SZ vom 10.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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