Ebersberg:Kleiner Schaden, großer Ärger

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Ein 63-Jähriger schrammt ein Auto und muss sich vor Gericht dafür verantworten

Von Johanna Feckl, Ebersberg

"Ich streite alles ab; das hat sich ganz anders zugetragen", behauptete ein 63-jähriger Taxifahrer aus dem westlichen Landkreis vor dem Ebersberger Amtsgericht. In der Anklageschrift wurde ihm vorgeworfen, den Straßenverkehr grob fahrlässig gefährdet zu haben.

Als der ebenfalls 63-jährige Geschädigte mit seinem Wagen hinter einem rangierenden Baustellenfahrzeug hielt, um den Gegenverkehr passieren zu lassen, soll der Angeklagte mehrfach hupend an ihm vorbeigerauscht und knapp vor ihm wieder eingeschert sein. "Knapp" meint in Wahrheit allerdings "zu knapp". Denn als Folge dieses rasanten Fahrmanövers hatte der Geschädigte laut Anklage einen Sachschaden in Höhe von 800 Euro an seinem Auto sowie eine Prellung und Zerrung seiner Wirbelsäule - zumindest Letzteres ließ sich vor Gericht aber nicht bestätigen.

Mit Hilfe einer Unfallskizze versuchte der Taxifahrer Richterin Vera Hörauf und der Staatsanwaltschaft zu zeigen, wie es nun wirklich war. Als er am geparkten Auto des Geschädigten vorbeifahren wollte, sei ihm ein Auto entgegengekommen. Daher habe vor dem Auto des 63-Jährigen einscheren wollen. "Da bin ich wohl am Kotflügel hängen geblieben." Höchstens drei Stundenkilometer sei er dabei gefahren. "Das hat es noch nicht einmal auf dem Tacho angezeigt!" Eine Erschütterung habe er nicht bemerkt. Die Touchierung habe er nur im Rückspiegel gesehen. "Das war ein reiner Lackschaden und ich verstehe nicht, wieso er jetzt sagt, er wurde verletzt!"

Eine Verletzung habe der Geschädigte während der gesamten Wartezeit auf die Polizei nicht erwähnt. Erst, als diese am Ort war und fragte, ob ansonsten alles in Ordnung sei, da habe er geantwortet: "Also, wenn Sie mich so fragen, dann tut mir mein Rücken weh!" Vielleicht sei es sogar so gewesen, dass der Geschädigte seinen Wagen ein paar Zentimeter nach vorne gesetzt und den Schaden dadurch selbst verursacht habe. "Für mich ist das Erschleichung von Versicherungsleistungen!"

Immer aufgeregter wurde der Angeklagte, seine Ausführungen untermalte er mit einem dominanter werdenden Klopfen eines Stiftes auf seine Skizze. Für seinen Anwalt nur allzu verständlich: Sein Mandant kann seit zwei Monaten nicht seiner Arbeit als Taxifahrer nachgehen, da ihm die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen wurde. Und das alles wegen eines Bagatellschadens - sofern man dieser Version des Unfallhergangs Glauben schenkt.

Der Geschädigte schilderte eine andere Version: Der komplette Kotflügel seines Wagens habe ausgewechselt werden müssen; bei der Touchierung habe er einen Stich im Nacken verspürt, "weil es schon ein bisschen gerumpelt hat". Das habe er der Polizei aber bereits am Telefon mitgeteilt. Dass sich der Mann in der Folge in ärztliche Behandlung begeben musste, stellte sich allerdings als Fehlinformation heraus, da der Geschädigte schon vorher wegen Rückenproblemen zum Arzt gegangen war. "Manchmal treten akute Schmerzen nach einem Schleudertrauma erst Jahre später auf!" Das wusste er von seinem Arzt. Ein derartiges Trauma hat ihm allerdings kein Attest bescheinigt.

Von solchen Unfallfolgen haben weder der Angeklagte, noch sein Fahrgast etwas mitbekommen. "Ich habe nur ein Entlangschrammen bemerkt", sagte die 76-jährige Frau. Für die Staatsanwaltschaft war damit klar, dass der Vorwurf der Straßenverkehrsgefährdung mit Körperverletzung als Folge nicht weiter haltbar ist. Richterin Hörauf stimmte dem Vorschlag zu, das Verfahren einzustellen und dem Angeklagten mit sofortiger Wirkung seine Fahrerlaubnis wieder zu erteilen.

© SZ vom 03.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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