Ebersberg:Im Zeichen des großen Bären

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Tanja Fender schuf mit der Skulptur eines zweiköpfigen Pawlow'schen Hundes das Bild einer gefesselten, ohnmächtigen Kreatur. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Malerin und Bildhauerin Tanja Fender zeigt in Ebersberg tierisch-menschliche Mischwesen

Von Rita Baedeker, Ebersberg

In russischen Märchen und Mythen tritt der Bär auf als weiser und freundlicher Beschützer, als Totemtier, das Kraft und Energie spendet. Auch die aus Russland stammende Künstlerin Tanja Fender, die von Samstag an in der Alten Brennerei Ebersberg unter dem Titel "Zusammenfügung" bis 13. Dezember Skulpturen und Aquarelle präsentiert, sieht in dem Bären, der lebensgroß und Furcht einflößend seine Pranken hebt, ein Symbol der Geborgenheit. Zwar wirken die aus dunkler Silikonmasse geformten Augen, die Nase und das geöffnete Maul wie eine Maske des Bösen, das Kunstfell drumherum hat Fender angesengt, was die bedrohliche Wirkung noch verstärkt. Doch wie um einen Kontrast zur wilden Natur des weißen Bären zu schaffen, drückt das Raubtier ein in ein Stoffbündel gewickeltes Menschenwesen an seine pelzige Brust, das selig schlummert. Es ist dies eine Szene, so innig, als wären es eine Mutter und ihr Kind.

Tanja Fender, die vor 18 Jahren hierher kam und an der Münchner Kunstakademie studiert hat, zeigt in Ebersberg einige ihrer Zwitterwesen. In Körperhaltung und Mimik der "Bestien", ob Bär, Maus, Hund, Häsin oder Hyäne, offenbaren sich menschliche Emotionen und Bedürfnisse, Gefühle wie Geborgenheit, Sehnsucht, Verletzlichkeit, Sexualität, Aggression. Gleichzeitig verleiht sie der animalischen Natur des Menschen berührenden Ausdruck.

Ein schönes Beispiel für das Ineinandergreifen tierischer und menschlicher Physis und Psyche ist die gigantische Maus (oder Ratte) auf weißem Kunstfell. So wie sie dasitzt, rosafarben wie ein nacktes Mäusebaby (Silikon und Ölfarbe), wirkt sie ebenso erhaben wie komisch, ebenso verletzlich wie abgeklärt. Dazu hat die Künstlerin das im Stil eines Ahnenporträts gemalte Bild einer Maus an die Wand gepinnt.

Der Kontrast zwischen Tier und Mensch verdichtet sich in den Aquarellen, einer bizarren Genesis mit Anspielungen auf Fruchtbarkeit und Fortpflanzung. "Brutal und zärtlich" nennt die Künstlerin Skizzen, die sie von Grillen, Ameisen und insektenartigen Menschlein gezeichnet hat. Ihre Fantasie, die sie in jedem Flecken eine Gestalt entdecken lässt, ist gepaart mit präziser Tierbeobachtung, psychologischem Wissen und zeichnerischer Meisterschaft. Auf einem der Bilder trägt eine nackte Frau eine riesige Ratte auf ihrem Rücken. Für Fender ein Symbol der Depression. Auf einer anderen Skizze hockt eine Kröte in ihrem Laich-Pudding. Und hinter einer Mutter mit Kind im Wald lauert eine unheimliche Gestalt. Der Tod? "Vielleicht", antwortet die Künstlerin, der es mehr um die Stimmung als um ein Narrativ geht.

Tanja Fender hat schon als Kind Tierpostkarten gesammelt und in Zoos die Anatomie der Tiere studiert. Bei ihrem "Pawlowschen Hund" mit den zwei Köpfen, den sie auf einem Foto gesehen hat, wollte sie das Gefühl des Gefesseltseins der Kreatur ausdrücken, während die angekokelte Silikon-Hyäne mit zerrupftem Fell genau den aasigen Charakter verströmt, den man ihr zuschreibt. Tanja Fender findet, das Tier blicke sehnsuchtsvoll in die Ferne. Aber vielleicht wartet es nur darauf, dass die Löwen ihr Mahl beenden.

Vernissage ist am Samstag, 21. November, 18 Uhr, Galerie Alte Brennerei. Bis 13. Dezember, Freitag 18 bis 20, Samstag/ Sonntag 14 bis 18 Uhr.

© SZ vom 19.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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