Ebersberg:Hofnarr der Menschlichkeit

Lesezeit: 2 min

Christian Springer appelliert in Ebersberg an Vernunft und Mitmenschlichkeit der Politiker. (Foto: Endt)

Christian Springer liest aus seinem Brief an Horst Seehofer

Von Claus Regnault, Ebersberg

Gute Kabarettisten sind oft die besseren Politiker. Sie legen den Finger auf Wunden, die sich Politiker selbst schlagen. Ein solcher Politiker ist der bayerische "Landesvater" Horst Seehofer, ein solcher Kabarettist ist Christian Springer. Springer hat einen Brief an den Landesvater geschrieben, der ihn ermahnen sollte, dass Flüchtlinge Menschen sind. Aus diesem Text hat er jetzt bei einer Veranstaltung der Volkshochschule im voll besetzten Bürgerhaus Ebersberg gelesen.

Früher, so Springer, geigte der Hofnarr dem Feudalherren die Meinung, wenn der sich zu sehr in seine Herrlichkeit verliebt hatte. Heutzutage gibt es keine Feudalherren mehr, so dass die Kabarettisten die Rolle des früheren Hofnarren übernehmen müssen.

Auch Seehofer erscheint nicht in der Rolle des Feudalherren, eher als ranghöchster Biedermann des Freistaates. Diese Bezeichnung ist aber schon deshalb unzutreffend, weil Seehofer ein zu schlauer, wendiger und trickreicher Politiker ist, dem es allerdings gelingt, sich populär zu geben. Als Politiker weiß er, dass das Wahlvolk wohl in seiner Mehrheit aus Biedermännern und Biederfrauen besteht, also spricht er ihnen nach dem Munde, macht sich ihre Sorge und Angst angesichts des Flüchtlingsproblems zu eigen.

Da hakt Springer ein, weniger als Kabarettist denn als Mensch. Und so betätigt er sich als der kritische Rufer in der Wüste der Politik. Springer ist vorbelastet, denn seit Studienzeiten ist er intimer Kenner des Nahen Ostens, der dort gesprochenen Sprachen und der dort bestehenden politischen und sozialen Probleme. Und er engagiert sich persönlich, nicht nur durch die Gründung einer Hilfsorganisation. Ein- bis zweimal monatlich reist er auch selbst in die Kriegsgebiete und kümmert sich um die Milderung der Probleme.

Nun hielt er eine Lesung aus seinem Brief, wobei er sprachlich ungemein souverän den gedruckten Text zugunsten ausgedehnter mündlicher Erläuterungen oft verließ. Einer der Höhepunkte seines Vortrages war seine Kritik, wonach Flüchtlinge nicht nur selbstverständlich die deutsche Sprache erlernen sollten, sondern auch das Absingen der deutschen Hymne. Wie zur Erinnerung ließ er die Zuhörerschaft diese Hymne anstimmen, um dann die landesfremden Einflüsse auf ihre Entstehung darzulegen. Den Text hat August Heinrich Hoffmann von Fallersleben auf Helgoland gedichtet, welches damals britischer Boden war. Die Melodie stammt von Josef Haydn, war ursprünglich die Hymne für den österreichischen Kaiser, der aber gar kein Österreicher war, sondern in Florenz geboren. Die ersten Takte dieser Melodie stammen eins zu eins aus einem kroatischem Volkslied, wie lustig, wenn man den kroatischen Flüchtlingen erklären muss, sie sollten doch bitte die Deutschlandhymne lernen. Inhaltlich würde die kroatische Version besser in unsere Zeit passen, denn dort geht es nicht um die Nation, sondern um die Liebe und die Armut. Wir singen also eine fremdbestimmte Nationalhymne!

Natürlich brachte Springer das ihm ohne Diskussion zustimmende Publikum auch zum Lachen, aber der von ihm vermittelte Eindruck war der eines engagierten Menschen, der für eine menschliche Behandlung und Lösung des Flüchtlingsproblems kämpft. Und die mündlichen und schriftlichen Gegenbeispiele insbesondere bayerischer Politiker hat er in diesem Brief als Beweise ihres Fehlverhaltens aufgezählt. Den Brief hat er persönlich zur Staatskanzlei getragen, er ist bis heute ohne Antwort geblieben.

© SZ vom 14.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: