Ebersberg:Heimat im Wandel

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Da ist die Freude groß: Die ersten und zweiten Preisträger des heimatkundlichen Wettbewerbs mit dem Ebersberger Landrat Robert Niedergesäß. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Kunst-Wettbewerb des Landratsamtes: Schüler im Landkreis befassen sich mit Geschichte und Politik

Von Sara Kreuter, Ebersberg

"Ohne Heimat sein heißt leiden", sagte der russische Dichter Dostojewski vor rund 150 Jahren. Doch was - und wo - ist Heimat? Ist es der Geburtsort? Ist es dort, wo Freunde und Familie sind, wo man willkommen ist, wo man leben will? Über Fragen wie diese sollte der heimatkundliche Wettbewerb des Landratsamts Schüler von der fünften Klasse bis zur Oberstufe zum Nachdenken anregen.

Das Ergebnis ist vielfältig: Linoldrucke und Collagen, Reiseführer und Graffiti reihen sich aneinander. Zur Preisverleihung im Hermann-Beham-Saal haben sich Schüler aller Jahrgangsstufen eingefunden; einige festlich im Dirndl, manche mit schickem Sakko, andere lässig in Jeans - alle stolz auf ihre Kunstschöpfungen und voll neu gewonnener Erkenntnisse über ihre Heimat. Zehn Preise wurden in diesem Jahr vergeben, an drei schriftliche und sieben künstlerische Arbeiten, eingereicht von Einzelpersonen oder Schulklassen aus dem gesamten Landkreis, mit einem Preisgeld von insgesamt 1300 Euro.

Den Wettbewerb gibt es seit 1978, damals wurde er ins Leben gerufen von Landrat Hermann Beham. "Der Heimatbegriff ist nicht statisch, er entwickelt sich weiter", erklärte Landrat Robert Niedergesäß, der die Ehrung vornahm, den aufgeregten Schülern. Vor allem zur Zeit sei Heimat ein Begriff, der sich sehr verändere. Die aktuelle Debatte über die heimatlosen Flüchtlinge bringe jeden dazu, das eigene Verständnis von Heimat zu überdenken.

Heimat, das ist für Selina Moosbauer ein Ort, an dem auch schreckliche Dinge passiert sind. Die 18-Jährige erhielt einen ersten Preis für ihr Werk "Die Biografie des Andreas Lenz", ein Lebensbericht über einen KZ-Überlebenden aus dem Landkreis. Die Biografie hat sie in einem W-Seminars des Gymnasiums Grafing erstellt, ihre Arbeit soll im Gedächtnisbuch der KZ-Gedenkstädte Dachau veröffentlicht werden. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte war eine "interessante und wichtige Erfahrung", erklärte Selina.

Fast vollständig erschienen zur Preisverleihung ist die 5b der Dominik-Brunner-Realschule Poing. Unter dem Arbeitstitel "Geschichtsbücher für Groß und Klein" haben die Schüler Erzählungen auf Papier gebannt, etwa über das Poinger Volksfest, den Ebersberger Forst und die Perchten in Kirchseeon. Knapp einen Monat lang hat die Klasse an dem Projekt gearbeitet. Die Bücher haben die Kinder aus Papier, Pappe und Buchbinderleim selbst gebunden: Im Pop-Art Stil springt dem Leser beispielsweise die "Weiße Frau" aus der gleichnamigen Sage entgegen. Heimat, darunter verstehen die Fünftklässler Sagen und Geschichten, aber auch Tradition. Die Schüler der Realschule Ebersberg hingegen beschäftigten sich mit den politischen Dimensionen des Heimatbegriffs. Für ihre Arbeiten unter dem Motto "Kunst gegen Fremdenhass" bekommen sowohl die siebte als auch die neunte Klasse einen Sonderpreis verliehen. Weil auf dem Schulgelände - der Turnhalle und einem Containerdorf direkt neben den Unterrichtsräumen - seit fast zwei Jahren Asylbewerber untergebracht sind, haben sich die Schüler intensiv mit der Frage nach der Heimat und dem Fremden auseinander gesetzt. Inspiriert von Shepard Fairey, einem zeitgenössischen Street-Art-Künstler, Grafiker und Illustrator aus der Skateboard-Szene, hat die neunte Klasse Linoldrucke erstellt, die an den Frieden appellieren. Das Bild der 16-jährigen Katharina Tomaschko beispielsweise zeigt in kalten Farben ein weinendes Auge, aus dessen Pupille eine Taube, das Zeichen des Friedens, entsteigt. Das Werk ist eingerahmt von den Worten "Sehnsucht" und "Frieden", zwei Begriffen, die Katharina mit Heimat verbindet, "und die sie jedem Menschen wünscht", wo immer er auch sei.

© SZ vom 16.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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