Ebersberg:Gelassen in die tollen Tage

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Gemeinsamer Fasching: In den Eglhartinger Werkstätten untermalt eine Gruppe von Flüchtlingen mit Percussion-Instrumenten die Polonaise der Bewohner. (Foto: Christian Endt)

Obwohl die Verunsicherung im Umgang mit Flüchtlingen zugenommen hat, sieht die Polizei beim Faschingsendspurt im Landkreis keine besonderen Gefahren

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Ebersberg bereitet sich in diesen Tagen auf den größten Faschingszug des Landkreises vor. 30 Gruppen aus der Region haben seit Wochen an ihren Wagen herumgebastelt. Aufgestellt wird wie jedes Jahr am Faschingsdienstag an der Friedenseiche im Ebersbergs Neubaugebiet. Die Route geht bis zum Marktplatz, dort halten die Wagen kurz an. Schon bei der Einfahrt in den Forst informiert ein Schild, dass die Ortsdurchfahrt gesperrt sein wird. Alles wie immer in der Ebersberger Faschingszeit. Oder doch nicht?

Es hat sich auch im Süden rumgesprochen, dass im Westen in diesem Jahr weniger rheinische Narren unterwegs sind als sonst, stattdessen ein Großaufgebot der Polizei dort die Straßen absichert. Johanna Seitz aus Hohenlinden hat die Nachrichten der vergangenen Wochen aus Köln und Düsseldorf genau verfolgt. Als schließlich auch aus Erding Übergriffe auf Frauen gemeldet wurden, traf sie eine Entscheidung. Seitz sagte den Kehraus ab, ein weit über die Gemeindegrenzen hinaus bekanntes Faschingsfest in Hohenlinden. "Wegen der aktuellen Flüchtlingssituation", sagt Seitz. Die Geschichte der Kehraus-Absage passt hinein in das allgemeine Bild, dass es an Fasching und Karneval in diesem Jahr nicht ganz so befreit und ausgelassen zugehen kann wie sonst. Aber ist das tatsächlich so?

Hinweise auf die Alarmbereitschaft einer Region liefert in der Regel die Polizei. Hendrik Polte von der Dienststelle Ebersberg koordiniert etwa am Dienstag die Sicherheit rund um den Faschingszug durch die Ebersberger Innenstadt. "Wir haben genau so viele Polizisten im Einsatz wie sonst auch", sagt er. Die Beamten seien zwar angehalten, angesichts der derzeitigen Situation "besonders sensibel" vorzugehen. Eine konkrete Bedrohung sehe er für die Faschingszeit aber nicht, sagt Polte. Ähnlich sieht das sein Kollege Manfred Winter von der Polizei Poing. "Es gibt keinen Grund, von irgendwelchen Vorkommnissen auszugehen, die sonst nicht auch passieren könnten", sagt Winter.

Theoretisch, das ist nicht erst seit Paris so, sind größere Menschenansammlungen wie Christkindlmärkte, Volksfeste oder Faschingsumzüge seit Jahren potenzielle Ziele von Terroristen. Seit den Silvester-Vorkommnissen in Köln steigt derzeit aber vor allem die Zahl derjenigen, die sich vor sexuellen Übergriffen von Migranten fürchten. Obwohl die Polizei Ebersberg seither keinerlei Zuwachs an Kriminalität verzeichnete, steigen auch im Landkreis Absatzzahlen für Pfeffersprays und Anmeldungen zu Selbstverteidigungskursen. Ob die Vorkehrungen übertrieben sind, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. Ein Teil der Verunsicherung aus Köln scheint aber zweifelsohne in den Landkreis vorgedrungen zu sein - diesen Eindruck vermitteln nicht nur Einheimische, sondern auch die Neuankömmlinge.

"Köln war ein großes Thema bei den Flüchtlingen", sagt Thomas Schmidt-Behounek vom Ebersberger Asylhelferkreis. Hat das negative Auswirkungen für uns? Schlägt die Stimmung um? Mit Fragen wie diesen würden derzeit viele der im Ebersberger Containerdorf untergebrachten Asylbewerber zu ihm kommen, so Schmidt-Behounek. In den Flüchtlingsheimen ist längst angekommen, dass Ministerpräsident Horst Seehofer am liebsten sofort die Grenzen dicht machen würde - und dass Kanzlerin Angela Merkel mit ihrer Willkommenspolitik in der Bevölkerung an Zuspruch verliert.

Kritik musste auch Johanna Seitz einstecken, vor allem im Netz, nachdem sich ihre Kehraus-Absage herumgesprochen hatte. Ressentiments gegen Flüchtlinge, lauten die Vorwürfe der wütenden Schreiber. Tatsächlich, so Seitz, habe ihre Absage jedoch technische Gründe, ein Versicherungsfachmann habe ihr dazu geraten. Der Grund: Viele Flüchtlinge hätten anders als Einheimische keine Haftpflichtversicherung für verursachte Schäden.

Weniger Bedenken hat Armin Dachgruber, Vorsitzender der Ebersberger Faschingsgesellschaft, die den Umzug seit etwa 50 Jahren veranstaltet. Auf dem Ebersberger Wagen wird am Dienstag etwa auch ein Flüchtling aus Eritrea mitfahren und Bonbons werfen. Anders als beim Hohenlindener Kehraus haftet beim Ebersberger Faschingszug keine Privatperson, die Verantwortung ist somit auf viele Schultern verteilt. Drauf anlegen will Dachgruber es trotzdem nicht, die Faschingsgesellschaft habe deshalb - wie meistens - ein unpolitisches Statement ausgesucht. Besondere Regeln oder Vorkehrungen hat Dachgruber keine getroffen - mit Ausnahme eines Appells, der auf der Vereins-Webseite zu lesen ist: "Alles kann man und wollen wir auch nicht reglementieren. Drum seid's vernünftig und schaltet's Hirn ein!"

© SZ vom 08.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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