Ebersberg:Gehorsam, Fleiß und Sauberkeit

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Bis ins Jahr 1825 reichen die Dokumente über die Ebersberger Schüler, die nun erstmals online einsehbar sind, zurück. (Foto: Christian Endt)

Mehr als 700 Zensurbücher aus Ebersberg geben einen Einblick in den Schulalltag vor 200 Jahren

Von Anja Blum, Ebersberg

Wer heute einen Kollegen oder Schüler als "glatte Null" bezeichnet, sollte bedenken, dass diese als Beleidigung gemeinte verbale Watschn vor 200 Jahren eine Auszeichnung war. "Die beste Note im 19. Jahrhundert war die Null", heißt es in einer Pressemitteilung von "Ancestry", einer Online-Plattform für Ahnenforschung. Deren Team ist seit einiger Zeit dabei, den Bestand des Ebersberger Stadtarchivs zu digitalisieren. Unter den Akten und Urkunden sind auch zahlreiche historische Zeugnislisten und Klassenbücher, die ebenfalls erfasst wurden und nun - pünktlich zum neuen Schuljahr - online einsehbar sind.

Es handelt sich dabei um Zensurbücher aus den Jahren 1824 bis 1912, insgesamt 28303 Einträge beinhaltet dieser Bereich, das entspricht der Anzahl der Schülernamen. Und für das Team von Ancestry ist dieses Projekt durchaus eine kleine Sensation: "Dies ist das erste Mal, dass eine Sammlung von Schülerlisten über einen so großen Zeitraum nicht vernichtet, sondern komplett archiviert und von uns online zugänglich gemacht wurde. Damit können die Ebersberger nun den schulischen Werdegang ihrer Vorfahren nachverfolgen", sagt Nikolai Donitzky, Managing Director von Ancestry Deutschland. Dieser historische Schatz bietet also die einmalige Chance zu überprüfen, ob die von der Familie gepriesene Deutschnote von Oma, die Bemerkung zum verbesserungswürdigen "Betragen" von Opa Wahrheit sind - oder Dichtung. Den Originaldokumenten beigefügt sind jeweils von Ancestry transkribierte Daten: der Name des Schülers, sein Geburtsdatum, Wohnort und Klasse.

Doch nicht für Ahnenforscher sind die Zensurbücher interessant, schließlich geben sie auch einen hochinteressanten Einblick in das Schulsystem vor 200 Jahren. Die Unterlagen dokumentieren vor allem eines: Während heute in erster Linie der Lernfortschritt der Schüler bewertet wird, hatte man vor 200 Jahren andere pädagogische Ziele: Schüler sollten zu Gehorsam, Ordnung, Fleiß und Sauberkeit erzogen werden. Diese Tugenden eines braven Untertanen spiegelten sich auch in der Notengebung wider: Zwei der vier Kategorien, in denen zum Beispiel im Jahr 1825 Zensuren vergeben wurden, beurteilen Fleiß und Sitten der Schüler. Darüber hinaus wurden die Schüler in "Geisteslagen" und "Fortgang" bewertet. Letzteres war der Bereich, der am ehesten der heutigen Notenvergabe entspricht und noch einmal in Fächer wie Religion und Literatur unterteilt.

Entdeckt wurden die mehr als 700 Zensurbücher vor wenigen Jahren in der Ebersberger Mittelschule. Da sie jedoch nicht nur aus der Volksschule stammen, lässt sich an diesem einmaligen Fund auch die Geschichte der Ebersberger Schulen nachvollziehen. So finden sich darunter auch Unterlagen aus der Ebersberger Knabenschule, die bis 1925 am Marienplatz lag, aus der in den 1970er Jahren abgerissenen Mädchenschule sowie aus der Gewerblichen Fortbildungsschule, der heutigen Landwirtschaftsschule.

Wer etwas über seine Ahnen erfahren möchte, kann unter www.ancestry.de zunächst eine Probemitgliedschaft abschließen. Diese geht jedoch in eine kostenpflichtige über, wenn nicht mindestens zwei Tage vor Ablauf gekündigt wird. Ein deutschlandweiter Zugang für ein halbes Jahr kostet zum Beispiel 9,99 Euro.

© SZ vom 13.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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