Ebersberg:Gefühle in Farbe

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Gaby Müller (links), Cornelia Höß (dritte von links) und Jutta Seyfried (vierte von links) mit den jungen Nachwuchskünstlern und Kunstwerk Molly. (Foto: Christian Endt)

Kinder krebskranker Mütter versteigern ihre Bilder aus den Kreisklinik-Workshops "Ich schenk' Dir einen Traum"

Von Carolin Fries, Ebersberg

Rudi, der sorgenfressende Drache, hat eine Freundin bekommen; Molly - manche nennen sie auch Astrid oder Lolo- ist ein Nilpferd und spuckt unermüdlich Seifenblasen in die Welt, die früher oder später zerplatzen. Gestaltet haben das Pappmaschee-Getier Kinder und Jugendliche zwischen vier und 19 Jahren beim Kunstworkshop "Ich schenk' Dir einen Traum", den die Kreisklinik für Kinder krebskranker Mütter viermal im Jahr anbietet. Auf die Frage von Gynäkologie-Chefärztin Cornelia Höß, welche Träume denn nicht zerplatzen, antwortet Lisa, die der Ärztin bis zur Schulter reicht: "Unsere Bilder". Diese bunten Kinderträume hat die Kreisklinik am Freitag bei einer Ausstellung nicht nur gefeiert, sondern zugunsten zukünftiger Workshops meistbietend versteigert.

Am späten Abend liegen etwa 2300 Euro im Tresor, "mein Bauchgefühl sagt mir, es könnte ein neuer Rekord sein", sagt Cornelia Höß' Büroleiterin. Doch viel wichtiger noch als das Geld, das Auktionator Franz Köppl routiniert eintreibt, sind die strahlenden Gesichter der jungen Künstler, wenn ihre Kunstwerke für einen zwei- oder dreistelligen Betrag an neue Besitzer wechseln. Was gibt es für Eltern, ganz gleich ob krank oder gesund, Schöneres als glückliche Kinder. Denn unbestritten ändert sich mit der Diagnose Krebs etwas im Familienalltag. Zugleich besteht der Wunsch nach Normalität. Das Ergebnis sei in vielen Fällen eine Sprachlosigkeit, sagt Kunsttherapeutin Gaby Müller. Die nonverbale Therapieform das Malens und Gestaltens passe gut. "Es wird gar nicht viel gesprochen bei uns", sagt sie. "Irgendwie magisch" sei die Stimmung, nicht vergleichbar mit freien Kunstworkshops, es würde überdurchschnittlich viel in Gruppen gearbeitet. Eine Mutter erzählt auf die Frage, worüber die Kinder in der Gruppe denn sprächen, habe ihre Tochter geantwortet: "Ach Mama, das müssen wir gar nicht. Das spüren wir."

Auch bei der Vernissage und Auktion ist die Krankheit kaum Thema. Man kennt sich, man grüßt sich, man bespricht hier keine Therapiepläne oder-erfolge. Cornelia Höß sagt, für sie beginne mit der Auktion traditionell die Weihnachtszeit und ein bisschen wirkt die Veranstaltung wie eine familiäre Weihnachtsfeier: Die Kinder sitzen mit Apfelküchlein und Vanilleeis vom Buffet auf den Treppenstufen oder stecken die Köpfe über Smartphones zusammen, die Erwachsenen reden über dies und das. Perücke oder nicht Perücke, das ist Nebensache. Heute geht es nicht darum, wer Patient in welchem Behandlungsstadium ist. Heute sind alle Besucher, die jenen Respekt zollen, die etwas geleistet haben. Nicht mit donnerndem Applaus, sondern allein durch ihr Dasein, die prüfenden Blicke auf die Bilder, das Wahrnehmen. Es sind die kleinen Nuancen, etwa die fröhlichen "Mama"-Rufe der Kinder, die die Auktion zur Zauberstunde machen.

An Schnüren, die sich durch die Empfangsräumlichkeiten im ersten Stock ziehen, hängen Fotos, die die Kinder beim Malen und Basteln zeigen. "Gut", sagt ein Mädchen im Teenageralter auf die Frage, wie ihr die Workshops gefallen. Viel mehr gibt es für sie nicht zu sagen. Eine Mutter erzählt, ihre vierjährige Tochter habe von dem Workshop nichts berichtet - außer, dass sie da wieder hin wolle. Die Nachfrage ist da. Zwischen zehn und 14 Kinder besuchen die Workshops regelmäßig, viele seit vielen Jahren. Gaby Müller, die die Kurse zusammen mit Jutta Seyfried leitet, betont, dass die Workshops keine Therapie ersetzen können, sondern als begleitendes Angebot dienen. Längst malen übrigens auch viele der Mütter in den Kunst-Workshops der Klinik. "Ich kann meine Gefühle da anders ausdrücken", sagt eine Frau.

© SZ vom 07.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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