Ebersberg:"Gebt ihnen eine Stimme"

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Tobias Vorburg hat in Südafrika als Flüchtlingshelfer gearbeitet

Interview Von Korbinian Eisenberger

Vor einem Jahr hat Tobias Vorburg an der Küste Libyens Flüchtlinge aus Schlauchbooten gerettet, dieses Mal hat der Markt Schwabener seinen Jahresurlaub auf dem Festland verbracht. Es ging dabei wieder um Flüchtlingshilfe, wieder freiwillig, wieder auf Terrain, dass der Rettungsassistent vorher nicht kannte. Seit zwei Wochen ist er nun zurück, der Bart ist länger geworden, Tobias Vorburg, 28, hat Farbe bekommen. Drei Wochen unter der südafrikanischen Sonne gehen nicht spurlos an einem vorbei, sagt Vorburg. Diese Reise, die habe etwas mit ihm gemacht.

SZ: Warum diesmal Kapstadt?

Tobias Vorburg: Südafrika ist ein Land, wo Flüchtlinge ein Riesenthema sind, so wie hier. Ich wollte mir anschauen, wie die Menschen dort damit umgehen.

Bis zur Syrien-Krise war Südafrika eines der Länder mit den meisten Asylbewerbern weltweit, gut eine Millionen Menschen haben dort Schutz gesucht. Sind die Zustände entsprechend dramatisch ?

Es geht auf jeden Fall hitzig zu. Ich war von meiner Organisation mit anderen Flüchtlingshelfern zu einem Treffen eingeladen. Gastgeber waren die Vereinten Nationen, und trotzdem sind die Fetzen geflogen. Als es um das Problem der rassistischen Übergriffe ging, da wurde es so laut, dass die Leute in den Büros nebenan Angst bekamen. Sie mussten das Treffen abbrechen.

Zuwanderung ist auch in Bayern ein Streitthema. Haben Sie etwas aus Kapstadt mitgenommen, das dort ganz anders gehandhabt wird?

Interessant ist, dass Flüchtlinge dort schneller integriert werden. Ich glaube, dass das mit am System liegt. Wenn es etwa im Landkreis Ebersberg um Asylangelegenheiten geht, wird immer über Flüchtlinge gesprochen, aber fast nie mit ihnen. Der Dialog bei uns in Bayern findet meist zwischen Ämtern und Helfern statt. Die, um die es geht, sind dazu nicht eingeladen.

Und in Kapstadt läuft das mit der Integration besser?

Ja, allein schon weil Flüchtlinge dort arbeiten dürfen, sobald sie sich auf einem Amt melden - egal ob aus Somalia, Kongo, Simbabwe oder Äthiopien. Die meisten eröffnen einen Laden und halten sich im Einzelhandel über Wasser. Manche arbeiten sogar in der Flüchtlingshilfe. Die, die schon länger da sind, helfen denen, die neu im Land sind. Manche sind als Vermittler tätig und gehen in die Townships, wo viele ausländerkritische Einheimische wohnen. Sie treten mit ihnen direkt in Dialog.

Es klingt so, wie wenn Flüchtlinge dort von Beginn an mehr Freiheiten haben. Das klingt auch nach Konfliktpotential. Was halten denn die Einheimischen davon?

Flüchtlinge bekommen in Südafrika kein Asylbewerberleistungsgeld vom Staat, also anders als in Deutschland. Trotzdem gibt es viele Konflikte und Neid auf Ausländer, auch weil manche Einheimischen eben keine Arbeit haben. Das ist schon ein riesiges Problem. Hier wiederum gehen manchen Betrieben Azubis verloren, weil geeignete Kandidaten abgeschoben werden. Das ist auch ein riesiges Problem.

Wie kamen Sie denn an dieses Projekt?

Die Organisation heißt Rainbowgarden Village und hat ein Büro in München. Man kann sich dort ganz normal bewerben. Ich wurde dann in eine Gastfamilie in Kapstadt vermittelt.

Und wie sah Ihre Arbeit dort aus?

Ich habe in der Öffentlichkeitsarbeit geholfen, Projekte geplant und war in der Rechtsberatung. Ich habe Kinder im Englisch-Unterricht das ABC erklärt und bei der Aussprache geholfen. Das war gar nicht so einfach. Ich bin zwar gelernter Kinderpfleger, meine Ausbildung ist aber schon lange her, und der Lehrerberuf ist dann doch nochmal was anderes. Beeindruckt war ich von der Qualität der professionellen Lehrer. Der Leiter des Englischkurses unterrichtete zum Beispiel zwei Klassen gleichzeitig in einem Raum - auf einer Tafel die Anfänger, auf der anderen die Fortgeschrittenen. Ich habe ihm dann Arbeitsblätter erstellt, damit er etwas entlastet wird.

Die Apartheid ist seit über 25 Jahren vorbei, dennoch ist die Kluft zwischen Weißen und Farbigen in Südafrika präsent. Haben Sie das von den Einheimischen zu spüren bekommen?

Als ich ankam, erfuhr ich, dass ich in einem Schwarzenviertel arbeiten werde. Ich fragte, ob das sicher ist, und es hieß: "Eigentlich nicht". Aber weil ich so kräftig bin, meinten die Leute, wird mich schon niemand angreifen.

Und?

Die Leute hatten Recht, wobei das glaube ich weniger an meiner Statur lag. Es kommt darauf an, wie man auftritt. Wenn mir wer was verkaufen wollte, bin ich höflich geblieben. Ich habe die Leute auf der Straße gegrüßt, sie mit "brother" angesprochen und mich mit ihnen unterhalten. Der Mann vom Eckladen wusste dann schon immer, welchen Kaffee ich mag. Und der Parkplatzwächter hat scherzhaft versucht, mir das Rauchen abzugewöhnen. Ich hatte zu keinem Moment das Gefühl, dass mich hier irgendwer als Feind sieht.

Sie arbeiten im Markt Schwabener Asylhelferkreis und sind Kreisvorsitzender der Ebersberger Grünen. Was ist die wichtigste Erkenntnis, die sie aus diesem Wochen mitnehmen?

Vielleicht müssen sich an mancher Stelle auch die Helfer mehr zurücknehmen, sich nicht immer nur schützend vor Flüchtlinge stellen sondern sie zu mehr Eigeninitiative ermutigen. Politisch muss man sagen: Gebt Flüchtlinge eine Stimme, und mehr Verantwortung, gerade auf lokaler Ebene. Mein Vorschlag wäre zum Beispiel eine landkreisweite Flüchtlingsvertretung.

© SZ vom 30.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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