Ebersberg:Freches Meisterstück

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Stefan Wiemers (links) und Samuel Kübler vom "Cargo Theater" bringen Leben auf die graue Bühne. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das "Cargo Theater" überzeugt Jugendliche im Alten Kino

Von Anja Blum, Ebersberg

Tempo, Witz und Spannung - das sind die Ingredienzien, mit denen das Cargo Theater Jugendliche begeistert. "Der große Coup" heißt das Stück, mit dem das Freisinger Ensemble am Freitag bei den Kindertheatertagen im Ebersberger Alten Kino zu Gast war - und der Titel bringt es auf den Punkt: Dem Darsteller-Duo Stefan Wiemers und Samuel Kübler ist hier ein wahrlich großer Coup gelungen, denn gerade Jugendliche sind alles andere als leicht mit Bühnenzauber zu überzeugen. In Ebersberg jedoch herrscht an diesem Vormittag fast durchweg gebanntes Staunen - obwohl die Vorstellung etwa 80 Minuten dauert und das Haus voll besetzt ist. "Wir sind mit 180 Zuschauern ausverkauft", sagt Veranstalter Peter Hölzer und macht keinen Hehl daraus, dass dies für ihn als Jugendpfleger ein wahrer Glücksmoment ist: Im Publikum sitzen lauter Siebt-, Acht- und Neuntklässler aus den Mittelschulen Ebersberg und Ostermünchen.

Ein entscheidender Pluspunkt des Cargo-Stücks im Vergleich zu vielen anderen Jugendtheatern ist wohl, dass es komplett auf den pädagogischen Zeigefinger verzichtet. Es geht hier nicht darum, den Jugendlichen den Spiegel vorzuhalten oder ihnen irgendetwas beizubringen, sondern schlichtweg um gute Unterhaltung, um einen positiven Kulturmoment. Theater pur, so lautet die Devise des Cargo-Ensembles. Nicht einmal der Schluss des Stücks hat so etwas wie eine Moral, nein, am Ende führt vielmehr der Zufall in einem bitteren Handstreich dem Publikum die Absurdität des Lebens vor.

Die Handlung des "Großen Coups" ist schnell erzählt, das Stück ist ein klassischer Krimi: Einem Meisterdieb, genannt "the Brain", gelingt es, zusammen mit einem Kompagnon namens Rocco einen monströsen Diamanten aus einem Juweliergeschäft zu stehlen. Am Ende landet das 17-Millionen-Stück allerdings im Fluss, außerdem muss, wie es sich für eine Räuberpistole gehört, auch einer sterben - aber es trifft weder einen der Diebe, noch den Hauptkommissar, sondern eine Nebenfigur, die es gar nicht verdient hat. Dem Zuschauer bleibt diese Bösartigkeit jedoch nicht im Halse stecken, wenn der Vorhang fällt - zu gut ist die Stimmung nach diesem Meisterstück.

Die Erfinder nennen ihre Inszenierung ein "Comic-Theater" und tatsächlich gelingt es ihnen, viele Stilmittel dieses Genres auf die Bühne zu übertragen. Die Szenen wechseln schnell, auch die Perspektive ändert sich am laufenden Band. Als Bühnenbild und Requisiten dienen lediglich graue Holzkästen - von allerlei handlichen Formaten bis hin zur Mannsgröße - und passen sich stets dem Setting an: Mal stellen die kleinen Quader Autos dar und die großen Hochhäuser, mal die kleinen Telefone und die großen Möbel. So holt man aus einer puristischen Inszenierung in Grautönen das Maximum an Tempo heraus. Auch die Sprache ist teils comicartig: "blend-blend-glitzer-glitzer-funkel-funkel" heißt es im Juweliergeschäft.

Jede neue Figur wird steckbriefartig vorgestellt, samt Alter und Foto. Mimik eingefroren, Kameraklicken, fertig. Die Charaktere bedienen sämtliche Krimi-Klischees, vom schmierigen Mafioso bis hin zum aggressiv-verlotterten Ermittler. "Ich werde dich kriegen, und wenn ich dabei draufgehe", lautet der allbekannte Schwur. Die Darsteller schlüpfen gekonnt in die diversen Rollen, eine Brille, eine Jacke - und schon sind sie ein anderer. Beeindruckend sind vor allem die Präsenz und das Zusammenspiel von Wiemers und Kübler, die ihrer Choreografie scheinbar blind zu folgen verstehen. Auch an Slapstick wird nicht gespart, köstlich zum Beispiel die Szene, in der die beiden Juweliere versehentlich an ihrem neuen Hochsicherheitsmagnetboden festkleben.

Bemerkenswert ist aber auch, wie im "Großen Coup" Musik und Soundeffekte zur Verdichtung der Atmosphäre beitragen - vom Autolärm über spannungsgeladene Klänge und italienische Schlager bis hin zum großen Knall bei der Explosion, als die Diebe den Tresor knacken. Bei diesem Stück schaltet keiner ab, so viel steht fest.

© SZ vom 12.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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