Ebersberg:Filigrane Zaubereien

Lesezeit: 2 min

Klangfarbenreiches Rezital des Pianisten Andreas Skouras im Alten Kino Ebersberg

Von Peter Kees, Ebersberg

Erstaunlich, dass es im Publikum klassischer Konzerte nach wie vor Menschen gibt, die Musik, die nach 1945 komponiert wurde, nicht gerne hören. So zumindest konnte man es in den Pausengesprächen vergangenen Sonntag beim Klavierabend des in Thessaloniki geborenen Andreas Skouras im Alten Kino in Ebersberg an der einen oder anderen Ecke aufschnappen. Dabei ist der Pianist und Cembalist längst nicht der einzige, der das wohlgefällige und bekannte Repertoire auch mal Richtung Gegenwart verlässt.

Auf dem Programm seines Klavierrezitals im Rahmen des Ebersberger Klavierzyklus des Kulturvereins Zorneding-Baldham standen zwei ganz wunderbare Werke zeitgenössischer Komponisten: eine Klaviersonate des 1949 geborenen finnischen Komponisten Kalevi Aho und drei Klavierminiaturen, Disegno I-III, des erst 2013 gestorbenen schwedischen Komponisten Andres Eliasson. Eingerahmt wurden diese "Gegenwartsmusiken" von der Sonate fis-Moll op.2 des 19-jährigen Johannes Brahms und Franz Liszts "Fantasia quasi Sonata - Après une lecture du Dante" aus seinen Reisetagebüchern "Années de pèlerinage", Teil zwei, durch die Pilgerjahre in Italien inspiriert.

Kalevi Ahos Klaviersonate ist 1980 entstanden. Das dreisätzige, fast sinfonisch wirkende Werk besticht durch aufregenden Klangfarbenreichtum, durch raffinierte rhythmische wie klangliche Überlagerungen, effektvolle Cluster und filigrane Zaubereien. Das ist große Musik! An den Pianisten wird dabei ein hoher virtuoser Anspruch gestellt. Vor allem der Finalsatz scheint die Grenzen des Klaviers zu sprengen. Andreas Skouras interpretierte ihn sehr dicht und mit großer Bravour.

Ebenso die drei Miniaturen "Disegno I-III" des Schweden Andres Eliasson. Dem Pianisten gelang es auch hier, vom ersten Moment an höchst präsent zu sein und faszinierende Klangfarben zu kreieren, wenn auch dem wilden ersten Teil zartere und lyrische Töne folgten. Die drei Sätze, 1984, 1987 und 2005 komponiert, offenbaren einen großen Tonschöpfer. Eliassons Titel verrät seinen kompositorischen Ansatz: Mit "Zeichnung, aber auch Muster, Plan, Entwurf, ein Bild: noch nicht ganz die Sache selbst" übersetzt der Komponist den Begriff "Disegno". Angeregt wurde er dabei von japanischer Tuschemalerei, in der ein "Motiv mit wenigen Strichen eingefangen wird."

Franz Liszt machte das nicht anders. Auch seine Komposition wurde angeregt von Inspirationen außerhalb der Musik. In "Fantasia quasi Sonata - Après une lecture du Dante" stehen bildende Künstler und Dichter - konkret die Kunst der Renaissance sowie die Dichtungen Dantes und Petrarcas - Pate. Freilich ist Liszts Werk pathetischer, vertrauter. Virtuosität sollte auch hier den Zuhörer mitreißen. Liszt war schließlich selbst Virtuose und wusste, wie man beeindruckt. Einem solch gewaltigem Finale kann man kaum entkommen. Andreas Skouras interpretierte das Werk mit ebensolch gewaltigem Spiel. Das kann er auch, Effekte zaubern, die Tasten sausen lassen. Flinke Finger hat er, hohe Konzentration und die Gabe zu gestalten ohnehin. Manchmal vielleicht mit zu viel Kraft. Bei Johannes Brahms' Sonate könnte man eine warme, weiche Tongebung vermissen, zumindest bei den sentimentaleren und zarteren Momenten, die - auch wenn es sich um ein Frühwerk handelt - durchaus einen typischen Brahms charakterisieren. Aber es schien ein wenig so, als ob dem Pianisten das Temperament durchging.

Immerhin, die Klaviersonate ist dem leidenschaftlichen Schwärmen des Komponisten für Clara Schumann zu verdanken. Man mag ein wenig an Hermann Hesse denken: "Zu dick instrumentiert, zu viel Material vergeudet," schrieb der in seinem Roman "Steppenwolf" über die Musik von Johannes Brahms. Aber halt, Brahms komponierte seine Klaviersonate op. 2 1852. Im gleichen Jahr begegnete er erstmals Franz Liszt. Allein das erzählt etwas über die Dramaturgie des Abends: Andreas Skouras hat hier nicht einfach wahllos Stücke nebeneinandergestellt, sondern einen stimmigen Bogen entworfen: Brahms ist durch Liszt inspiriert, Aho von der Spätromantik, Eliasson und Liszt von bildender Kunst und Dichtung.

© SZ vom 23.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: