Ebersberg:Richterin klärt Fall mit Hilfe von Spielzeugautos

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Manchmal braucht es vor Gericht eben einfache Mittel. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Ein Roller- und ein Autofahrer streiten vor Gericht um den Tathergang. Im Gericht ist man vorbereitet.

Von Jan Schwenkenbecher, Ebersberg

Mühsam erhob sich der 54-Jährige von der Anklagebank und humpelte auf Krücken an der Richterin vorbei zur Protokollantin. "Darf ich mal", fragte er und griff nach dem Computer-Bildschirm. Das "Nein" der verdutzten Schriftführerin überhörte der Mann aus dem nördlichen Landkreis, er begann indes schon, am Schirm herumzuwerkeln. Erst das entschiedene "Stopp" von Richterin Vera Hörauf ließ ihn inne halten. Er habe ja nur zeigen wollen, dass es ihm gar nicht möglich gewesen sei, von seinem Roller auf die Windschutzscheibe des Autos zu spucken, der Winkel und so.

Hörauf aber hatte eine bessere Idee: Sie holte zwei Spielzeugautos hervor. Für solche Situationen stehen die immer auf dem Richterpult herum. Umgehend fuhr der Angeklagte mit den Autos auf dem Tisch hin und her, erklärte abermals, der Vorwurf könne nicht stimmen. Wegen der Spucke und eines zugerufenen "Depp" hatte der 20-jährige Fahrer des anderen Wagens die Polizei angerufen. Die Staatsanwaltschaft klagte den 54-jährigen Rentner schließlich wegen Beleidigung an. Am Donnerstag kam es zur Verhandlung am Ebersberger Amtsgericht.

"Eine schöne Hupe hast du da"

Der Tat war ein kurzes Vorfahrtscharmützel vorausgegangen, als beide gleichzeitig von einer Tankstelle auf die Straße fahren wollten. Der Rollerfahrer habe ihn geschnitten, so der Autofahrer. Habe er nicht, so der Rollerfahrer. Aber der Autofahrer habe ihn angehupt, so der Rollerfahrer. "Habe ich nicht", so der Autofahrer, "vielleicht hat aber jemand anderes gehupt". Könne er jetzt nicht genau sagen.

Der 54-Jährige fuhr daraufhin nach eigenen Angaben an der nächsten Ampel neben das Auto des 20-Jährigen und stellte ihn mit den Worten "Eine schöne Hupe hast du, gab es die zum Geburtstag?" zur Rede. Eventuell habe dieser da ja "Depp" verstanden. Der Autofahrer ergänzte, dass der Angeklagte zunächst mal nicht neben sondern vor ihm angehalten habe und ganz sicher "Depp", aber auch noch "Arschloch" und "Halt die Fotzn" gebrüllt und dann gespuckt habe.

Die Richterin zückte schließlich ein Foto, auf dem der Autofahrer den Spuckfleck fotografiert hatte. Im Hintergrund sah man die Ampel. Und vor dem Auto: den Rollerfahrer. Die Beweisaufnahme war damit geschlossen, die Richterin glaubte dem Autofahrer. Sie las dann noch ein paar Minuten lang die Vorstrafen des Angeklagten vor, 14 sind es insgesamt. Nachdem die Anwälte ihre Plädoyers gehalten hatten, dauerte es nur kurz, dann verurteilte sie den Angeklagten zu 120 Tagessätzen à 20 Euro. "Das ist jetzt die höchstmögliche Geldstrafe", sagte Hörauf in ihrer Begründung. "Beim nächsten Mal müssen wir über eine Freiheitsstrafe reden."

© SZ vom 28.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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