Ebersberg:Umzug oder Obdachlosigkeit? 164 Flüchtlinge betroffen

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Flüchtlinge in Zorneding bei der Wohnungssuche. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Die Regierung von Oberbayern will dem Ebersberger Landratsamt verbieten, Mietverträge von kleineren Asylbewerberunterkünften zu verlängern. Die Empörung ist groß.

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Neue Schwierigkeiten zeichnen sich derzeit bei der Unterbringung von Flüchtlingen im Landkreis ab: Die Regierung von Oberbayern will dem Landratsamt verbieten, Mietverträge für vergleichsweise kleine Unterkünfte, die in diesem Jahr auslaufen, zu verlängern. Betroffen wären zehn Verträge für Unterkünfte von zwei bis 40 Personen, insgesamt 164 Wohnplätze.

Hinzu kommt: Die übergeordnete Behörde drängt darauf, dass der Landkreis für anerkannte Flüchtlinge, so genannte Fehlbeleger, keinen Wohnraum mehr zur Verfügung stellt, diese sollen sich selbst darum kümmern. "Aussichtslos", stöhnt Elisabeth Stanglmeier vom Anzinger Helferkreis. Auch Landrat Robert Niedergesäß (CSU) ist über die aktuelle Entwicklung verärgert.

Zwar hofft man im Landratsamt immer noch, dass die Entscheidung der Regierung von Oberbayern noch nicht in Stein gemeißelt ist und sie doch noch Vertragsverlängerungen zulässt - deshalb will der zuständige Abteilungsleiter Christopher Höhl auch noch nicht öffentlich machen, welche Unterkünfte betroffen sind. Dennoch hat der Landrat auch in einem Schreiben an Regierungspräsidentin Brigitta Brunner schon sehr deutlich gemacht, vor welche großen Probleme ihn die Anweisung aus München stellen würde.

Es gebe nun einmal keine großen Bestandsobjekte, "wir müssen dankbar sein für jede kleine Unterkunft, die wir in diesem angespannten Wohnungs- und Grundstücksmarkt bekommen können", unterstreicht Niedergesäß. Er sieht aber auch negative Folgen für die Integration, die eine Unterbringung in Großunterkünften nach sich zöge: Die Geflüchteten blieben darin unter sich, "Ghettobildung" sei zu befürchten. "Dem kann man nur entgegenwirken, indem man die Geflüchteten in kleineren Einheiten unter der bereits ansässigen Bevölkerung verteilt. Nur so wird der alltägliche Kontakt gefördert und auch der Frieden und die Akzeptanz in der Bevölkerung gewahrt", so der Landrat in seinem Brief.

Anerkannten droht die Obdachlosigkeit

Eine weitere Folge der neuen Unterkunftspolitik wäre laut Niedergesäß, dass vermehrt die Anerkannten aus den Unterkünften gedrängt würden, "was bekanntermaßen zu spürbaren und unzumutbaren Folgen einer unüblichen Obdachlosigkeit in den jeweiligen Unterkunftsgemeinden führen würde". Vor allem die Bürgermeister der Gemeinden, die sich hilfsbereit gezeigt und viele Flüchtlinge aufgenommen haben, sehen die aktuelle Entwicklung deshalb sehr kritisch. Poing ist so eine Gemeinde, hier leben auch momentan noch etwa 160 Flüchtlinge. Bürgermeister Albert Hingerl (SPD) sagte in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats, der eingeschlagene Weg sei "nicht fair und nicht loyal".

Bei der Regierung von Oberbayern verweist man darauf, dass es sich nicht um einen neuen Kurs handle, bereits im April 2016 habe die Staatsregierung ihn festgelegt: In der Öffentlichkeit, so Sprecher Martin Nell, sei zwar häufig von einem Baustopp für neue Unterkünfte die Rede gewesen, es sei aber auch stets klar gemacht worden, dass bestehende Mietverträge für kleine Unterkünfte auslaufen sollten, "von besonders gelagerten Ausnahmefällen abgesehen". Für Flüchtlinge, die sich noch im Asylverfahren befinden, will die Regierung nun auch im Landkreis neue, größere Unterkünfte einrichten. Auf der Suche nach entsprechenden Objekten oder Bauplätzen ist sie bereits.

In den Helferkreisen trifft die Perspektive, dass kleine Unterkünfte aufgelöst werden sollen, auf massive Kritik. So etwa in Aßling und Emmering, wo derzeit die Geflüchteten ausschließlich in kleinen Gruppen zusammen untergebracht sind - und die Erfahrungen gut sind. "Wir können uns so viel besser um sie kümmern als in größeren Unterkünften", sagt Gisela Schindler vom Helferkreis.

Auch das Konfliktpotenzial der Bewohner untereinander steige mit der Größe der Unterkünfte. Sollte man tatsächlich auf die kleinen Unterkünfte verzichten wollen, wäre das, so Schindler, "eine ganz dumme Entscheidung". Recht ähnlich sieht es Josef Gibis vom Helferkreis in Ebersberg: "Das wäre für die Integration schädlich." Die Geflüchteten würden in den kleinen Unterkünften gut betreut, sie seien bereits integriert, sollten sie in große Containerunterkünfte umziehen müssen, würde das einen gravierenden Rückschritt bedeuten.

Große Schwierigkeiten würde es den Helfern auch bereiten, wenn kein Wohnraum mehr für Fehlbeleger zur Verfügung gestellt würde. In Anzing etwa, sagt Elisabeth Stanglmeier, suche man seit langem "krampfhaft", aber ohne Erfolg nach Wohnungen für die anerkannten Flüchtlinge. "Fast eine Frechheit", sagt Gibis über die Forderung, es sei auf dem Markt einfach nichts zu finden für die Betroffenen.

© SZ vom 01.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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