Ebersberg:Ein bisschen verrückt

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Felix Gotzler aus Baldham zählt zu den besten deutschen Enduro-Mountainbikern. In der kommenden Saison will der 24-Jährige in der Welt-Serie durchstarten - und zwar auf eigene Kosten

Von Korbinian Eisenberger

Ein Sonntag Ende September, die Ziellinie ist keinen Kilometer mehr entfernt, das Rennen fast geschafft. Er ist vorn dabei, er liegt gut in der Zeit, die Reise nach Tschechien, die hat sich für ihn gelohnt, denkt er. Top 15 von 300 Startern vielleicht sogar Top 10, das wäre drin an diesem Tag, im vorletzten Saisonrennen. Die letzte Abfahrt, er tritt in die Pedale, überholt einen Konkurrenten, das Zielbanner ist bald schon zu sehen, da kracht es plötzlich am Hinterrad. Und zwar wie.

Der Überraschungsfaktor ist auf keinem anderen Zweirad so hoch wie beim Enduro-Moutainbiken, die Spannung ist stets enorm weil auf der Strecke ständig irgendwem irgendwas passiert. Der Radfahrer Felix Gotzler hat viele solcher Geschichten gesammelt, manche gerne, andere eher unfreiwillig. Gotzler ist 24, er wuchs in Baldham auf, fährt für den RSC Elkofen und zählt mittlerweile zu den besten Enduro-Mountainbikern im Bundesgebiet. Diese Saison hat Gotzler erstmals an der wichtigsten Rennserie seiner Zunft teilgenommen, beim Finale der Enduro World Series in Italien Anfang Oktober. Im Ziel von Finale Ligure war er drittschnellster Deutscher, und genau deswegen, sagt er, "war ich ziemlich unzufrieden."

Ein Nachmittag in Ebersberg, Gotzler trägt Jeans und Sweatshirt, ein drahtiger Mann mit Spitzbuben-Gesicht, ein Maschinenbaustudent, der keinen Alkohol trinkt, Wasser statt Limo, keine Kekse, nicht in diesen Wochen. Das Fahrrad steht jetzt zwar im Keller, die kommenden Monate sind aber entscheidend, Zeit der Vorbereitung. "In die nächste Saison will ich noch trainierter reingehen", sagt er, Klettern, Fitness, Ergometer. Bei seinem ersten Kräftemessen mit der Weltelite ist er 110. geworden, 110. von 400 Startern aus der ganzen Welt, immerhin. "Da bin ich viermal gestürzt und war total verkrampft", sagt er. 15 deutsche Enduro-Radler hat er hinter sich gelassen, aber die Landsleute sind international nicht der Maßstab.

Mountainbiker haben hier einen schweren Stand, so war das schon immer. Gotzler wusste das, als er mit 14 damit anfing und sich aufs Radl schwang, wenn die Klassenkameraden ihre Fußballschuhe schnürten. Wer sich für den Mountainbikesport entscheidet, hat Feinde; Leistungs-Mountainbiker sind bei hiesigen Förstern und Bergbauern ungefähr so beliebt wie Borkenkäfer und Wirbelstürme. Der Knackpunkt: Wer professionell unterwegs ist, braucht Trails, also Pfade, die über Wurzeln, Geröll und Wiesen den Berg hinauf führen. Wege und Natur leiden unter den dicken Reifen, da sind sich die Kritiker einig. In Bayern gibt es deswegen so gut wie keine Trails, Gotzler muss zum Training ins tirolerische Leermoos oder Richtung Garmisch nach Oberammergau.

Er hätte es einfacher haben können. "Aber wenn einen das Fieber mal gepackt hat, dann wird man es nicht mehr los", sagt er. Gotzler hat sich gegen die Downhill-Variante entschieden, er wollte sich nicht aufs Abfahren beschränken, nicht ausschließlich auf Technik und Schnelligkeit. Beim Enduro-Mountainbiken wird hingegen auch hinaufgefahren, man schwitzt und quält sich, und wenn man Glück hat kommt man sogar ins Ziel.

Enduro-Mountainbiker sind finanziell komplett auf sich gestellt, weder die deutsche Sportförderung noch andere Verbände unterstützen die Athleten, etwa bei Fahrten zu Wettkämpfen. Trotz Sponsoren investieren Gotzler und seine Familie jährlich eine fünfstellige Summe in den Sport, Ausrüstung, Reisen, Unterkünfte. Man kennt das vom Wintersport, der beste deutsche Buckelpistenfahrer Julius Garbe aus Ebersberg hat ein ähnliches Problem. Wären Garbe und Gotzler Franzosen oder Italiener, wäre die nationale Konkurrenz wohl stärker, dafür wären aber auch mehr öffentliche Fördermittel da.

Pikant außerdem: Im Gegensatz zu anderen Radsportarten darf man beim Enduro sein Gerät weder bei Defekten noch nach Stürzen austauschen. Gotzler wusste das, neulich in Tschechien, als es hinten krachte. Das Schaltwerk brach durch, die Kette verhakte sich und Gotzler machte den Abgang über den Lenker. "Es hat mich übel zerlegt, das gehört dazu". Gotzler erzählt von Stürzen, Brüchen, Verletzungen und Zwangspausen. Diesmal ging es glimpflich aus - nächste Saison, sagt er, da wolle er in der Weltserie richtig angreifen. Man muss etwas verrückt sein für diesen Sport. Gotzler wäre der letzte, der das leugnen würde.

© SZ vom 14.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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