Ebersberg:Doppelte Belastung

Lesezeit: 3 min

Die steigenden Wohnkosten treffen Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen besonders hart. Auch im Landkreis Ebersberg tragen sie ein hohes Risiko, obdachlos zu werden

Von Jessica Morof, Ebersberg

Psychisch kranke Menschen sind besonders von Obdachlosigkeit bedroht. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der TU München. Auch der Landkreis Ebersberg ist von dieser Entwicklung betroffen. Ein Grund dafür ist, dass es hier ohnehin immer schwieriger wird, eine bezahlbare Wohnung zu finden.

Unterkünfte innerhalb der Mietpreisobergrenze und günstige Sozialwohnungen sind Mangelware. Der Ausschuss für Soziales, Familie und Bildung (SFB) des Kreistags prognostiziert, dass der Landkreis in zehn Jahren wohl 1000 neue Wohnungen benötigen wird. Den Mangel bekommen alle Wohnungssuchenden zu spüren, insbesondere aber Personen ohne Vorzeigekonto, Vorzeigeberuf oder Vorzeigegesundheit. So fällt es gerade psychisch Erkrankten mitunter sehr schwer, eine geeignete und bezahlbare Unterkunft zu finden.

Auf einen Zusammenhang von Wohnungslosigkeit und psychischen Erkrankungen geht die sogenannte Seewolf-Studie der Technischen Universität München ein. Die 2014 veröffentlichte Untersuchung hat 232 Bewohner von Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe im Großraum München befragt und festgestellt, dass psychische Beeinträchtigungen bei wohnungslosen Menschen häufiger anzutreffen sind, als in der Allgemeinbevölkerung. In einigen Fällen seien die Erkrankungen eine Folge der Obdachlosigkeit. Doch bei einem Großteil der Befragten bestanden die psychische Störungen schon durchschnittlich 6,5 Jahre vor Eintritt der Wohnungslosigkeit, oder die beiden Umstände traten gleichzeitig ein.

Die Befragten selbst gaben als Grund für die Wohnungslosigkeit allerdings Geldmangel an. Dass es hier in vielen Fällen einen Zusammenhang gibt, bestätigt Georg Knufmann, Leiter der sozialpsychiatrischen Dienste Ebersberg: "Meine Klienten haben in der Regel schwere Erkrankungen und deshalb weniger Chancen, im Leben erfolgreich zu sein." Das gelte auch für die Wohnungssuche. Ein Hauptgrund für die Schwierigkeiten von psychisch Erkrankten sei, dass sie häufig keinen Beruf mehr ausüben können und von Grundsicherung leben. Sobald der Vermieter auf den fehlenden Nachweis über eine Erwerbstätigkeit aufmerksam wird, fragt er nach den Gründen und macht sich ein bestimmtes Bild von den Personen. Selbst wenn die Erkrankung des Interessenten nicht zur Sprache kommt, hafte den Betroffenen eben ein Stigma an, so Knufmanns Fazit.

Um dem einerseits entgegenzuwirken und den Patienten andererseits im Alltag zu helfen, bieten die sozialpsychiatrischen Dienste Ebersberg verschiedene Wohnformen an: Wohngemeinschaften ebenso wie ambulante Betreuung, bei der die Betroffenen in der eigenen Wohnung leben können. Etwa 70 Prozent der Klienten werden ambulant begleitet. Eigene Wohnungen werden deshalb immer dringend benötigt; zumal sich auch die Bewohner der Wohngemeinschaften weiterentwickeln und dann in die eigenen vier Wände umzuziehen können. Vier bis fünf Mal im Jahr kommt das etwa vor. Und dann gehen Patient und Betreuungsperson gemeinsam auf die Suche.

Sie sprechen bestimmte Vermieter an, mit denen die sozialpsychiatrischen Dienste häufiger zusammenarbeiten, suchen aber auch auf normalem Weg - mit entsprechender Vorbereitung der zukünftigen Mieter. "Das ist eine sehr intensive Suche, die auch mal ein halbes Jahr dauern kann", sagt Knufmann. Und gesucht wird in der Regel, bis der Klient eine passende Wohnung findet. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass das heute viel länger dauert und schwieriger ist, als noch vor einigen Jahren.

Wenn es trotzdem nicht gelingt, eine Wohnung zu finden, oder sich bereits obdachlose Personen an Knufmann und sein Team wenden, arbeiten die Dienste mit der Fachstelle zur Verhinderung von Obdachlosigkeit im Landkreis Ebersberg (FOL) zusammen. Träger ist die Diakonie Rosenheim. Auch hier bestätigt man einen gewissen Zusammenhang zwischen Wohnungslosigkeit und psychischen Beeinträchtigungen: "Bei dieser Klientel lassen sich gehäuft psychische Erkrankungen oder Suchterkrankungen zumeist begleitet von sozialem Rückzug vorfinden", fasst der Jahresbericht 2014 der FOL zusammen. Die Stelle schätzt, dass die Zahl der bereits obdachlosen Betroffenen in Zukunft ansteigen wird. Außerdem hat man bemerkt, dass der Wohnraum im niedrigen Preissegment immer knapper wird. Für Empfänger von Sozialleistungen sei es deshalb immer schwieriger, Wohnungen zu finden.

Laut Georg Knufmann liegt das auch an der zu niedrigen finanziellen Versorgung seiner Patienten. "Die Mieten steigen immer weiter an, aber die Kaltmietobergrenze wird nicht angehoben", bemängelt er. Aus diesem Grund hat der Arbeitskreis Wohnen jetzt bei der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft (PSAG) einen Antrag auf die Erhöhung der Kaltmietobergrenze gestellt.

© SZ vom 16.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: