Ebersberg:Direkter Draht nach oben

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Beim "Jetzt red I" des BR im Ebersberger "Alten Speicher" wenden sich Bürger mit ihren Sorgen direkt an die Minister

Von Thorsten Rienth, Ebersberg

Der Mann, der nach dem Mikrofon greift, ist aufgebracht. So, wie mancher eben aufgebracht ist, wenn es zuhause nach Abgasen stinkt und die Marktplatzüberquerung gefühlt lebensgefährlich ist. Doch der Ebersberger, der am Mittwochabend ein bisschen zu aufgewühlt seinen Frust loswerden möchte, kommt dazu erst einmal nicht. "Ich habe hier die Hoheit", bremst ihn Tilmann Schöberl. Hier, das ist die Sendung "Jetzt red I" des Bayrischen Rundfunks. Hier, das ist der Ebersberger "Alte Speicher". Und Schöberl der Moderator, der den Frust in diskutierbare Bahnen lenkt.

Ganz nach oben sollen die Bürger ihre Anliegen adressieren können. "Den Freistaat ein bisschen besser machen", wie es Schöberl pathetisch formuliert. In der Kreisstadt stehen deshalb Innenminister Joachim Herrmann, Sozialministerin Emilia Müller (beide CSU) und Claus Kumutat, Präsident des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU), auf dem Podium. Mehr als 200 Zuschauer sitzen an den Tischen. Viele von ihnen sind Lokalpolitiker oder Mitarbeiter aus Landratsamt und Kommunen.

Der gut besuchte Alte Speicher in Ebersberg. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Kinderbetreuung

Wie es denn - analog zur Krippe - mit einem Rechtsanspruch für Hortplätze aussehe, will eine Glonner Mutter wissen. Die verbesserte Kinderbetreuung sei ihr ein wirkliches Anliegen, versichert Ministerin Müller. "Wir wollen eine Ganztagsgarantie bis 2018 für alle Kinder bis 14 Jahren", sagt sie, schränkt aber ein: "Das schaffen wir nur gemeinsam mit den Kommunen." Doch die seien nicht alleine. "Wenn Glonn ausbaut, unterstützen wir die Gemeinde - mit bis zu 45 Prozent beim Bau." Schöberl könnte jetzt prima zur nächsten Frage überleiten, doch der zweite Moderator, Andreas Bönte, will noch nicht. Die Antwort auf die Frage nach dem Rechtsanspruch fehle noch, hakt er nach. "Nein, das kann ich mir nicht vorstellen", sagt Müller.

Schweinestall in Baumhau

"Eine Verschandelung der Umwelt": Was lässt sich noch gegen den geplanten Schweinestall im Taglachinger Tal machen, will Johann Auberger wissen. Einen "Botschafter des bayrischen Schweinefleischs", nennt sich Moderator Schöberl. Doch müsse es gleich einen Stall für bis zu 600 Schweine mitten im Taglachinger Tal sein? Innenminister Herrmann sieht darin ein ganz "typisches Problem". Alle wollten regionale Vermarktung. Aber eben niemand einen Schweinestall in der unmittelbaren Umgebung. "Es gibt noch keine endgültige Entscheidung", betont der Minister. Er sei sich sicher, dass das Ebersberger Landratsamt Schweinestall und Landschaftsschutz abzuwägen wisse.

Claus Kumutat, Joachim Herrmann und Emilia Müller beantworten die Fragen der Bürger. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Brummen in Steinhöring

Schlafstörungen, Lernprobleme oder Probleme mit dem Herzrhythmus: Auch der Steinhöringer Infraschallton ist Thema beim "Jetzt red I". Eine Gruppe Steinhöringer möchte wissen, wie es weitergeht? "Die Darstellungen sind wirklich extrem dramatisch", stimmt LfU-Präsident Kumutat zu. "Das geht nicht, da muss man nachgehen - in Ihrem Fall sind ja Messungen durchgeführt worden", wendet er sich an die Steinhöringer. Tatsächlich sei der Wert in einem Fall zu hoch gewesen. Die schlechte Nachricht: "Tiefe Töne sind wahnsinnig schwer zu orten." Aktuell laufe aber die schalltechnische Auswertung einer längeren Untersuchung aus dem vergangenen Herbst. "Wir erwarten die Ergebnisse in den nächsten Tagen oder Wochen." Der Verdacht, der Ton resultiere aus der nicht weit entfernten Erdölleitung habe sich bislang jedenfalls nicht bestätigt.

Hilfe für Asylbewerber

Er sei ehrenamtlicher Helfer der Asylbewerber in der Kreisstadt, erzählt Manfred Buchner. Warum dürfte ein Senegalese trotz einer Zusage für eine Arbeitsstelle, diese nicht antreten? Zehn Tage noch, dann hätte der Ebersberger aus dem Senegal endlich arbeiten gehen können. Doch dann sei der ministeriale Beschluss gekommen, der dies Senegalesen nicht mehr erlaube. "Das war niederschmetternd", beschreibt Buchner die Situation. Bönte will sich eigentlich nur kurz für das ehrenamtliche Engagement bedanken. Doch der erste große Applaus des Abends unterbricht ihn. Dann ist Innenminister Herrmann dran. Er bemüht sich um Verständnis. "Wir haben im ganzen Land wirklich eine großartige Hilfsbereitschaft, das ist ganz wichtig." In der Sache bleibt er aber hart. "Es ist völlig klar, dass wir Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien helfen müssen - und die werden ja auch anerkannt." Der Senegal gelte aber seit 20 Jahren als sicheres Herkunftsland. "Die aktuelle Anerkennungsquote liegt hier bei 1,1 Prozent." Deshalb sollten Leute aus sicheren Herkunftsländern in Deutschland auch gar nicht erst das Arbeiten anfangen, verteidigt er das Verbot.

Phillip Goldner und Johann Auberger stellen ihre Fragen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Erweitertes Führungszeugnis

Sebastian Brilmayer, Vorstand vom Ebersberger Spielmannszugs, und Martin Schedo, Vorsitzender des TSV Ebersberg, melden sich zum Thema Prävention sexueller Gewalt gegenüber Minderjährigen zu Wort. Stichwort ist das sogenannte erweiterte Führungszeugnis. Wer im Verein Jugendleiter werden will, müsse es alle fünf Jahre vorlegen, erklärt Brilmayer. Weder gingen ihn als Vereinsvorsitzenden die darin enthaltenen persönlichen Details etwas an. Noch würden die alternativ von den Gemeinden ausgestellte "Unbedenklichkeitsbescheinigung" weiterhelfen. "Die lässt außer Acht, ob Drogenmissbrauch oder Gewaltdelikte vorliegen - diese Unbedenklichkeitsbescheinigung ist nicht unbedenklich!" Besteht das Gesetz den Praxistest, fragt Schöberl? "Ist da nicht zu viel Bürokratie", will Bönte wissen. Ministerin Müller sagt: "Wir sind uns alle einig, dass der Kinder- und Jugendschutz immer im Mittelpunkt stehen muss. Aber wir brauchen da eine Veränderung. Wir wollen eine unbürokratische und praxistaugliche Lösung." Sie habe sich in der Sache bereits an den Bundesjustizminister gewandt und auch Verbesserungsvorschläge gemacht. "Es geht wirklich nur um die Fakten, ob etwas vorliegt in Richtung sexuelle Belästigung." Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) habe ihr zugesagt, "das zu prüfen".

Eine Dreiviertelstunde sendet der BR live. Dann geht es noch eine halbe Stunde online im Livestream weiter. "Veranstaltungen wie diese geben einem das gute Gefühl, nicht im Stich gelassen zu werden", erzählt der Poinger SPD-Gemeinderat Omid Atai, als sich die Runde auflöst. Von Familienministerin Emilia Müller hätte er sich allerdings eine richtige Zusicherung erwartet: "Eltern brauchen ein klares Statement, wie es mit der Kinderbetreuung weitergeht."

© SZ vom 22.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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