Ebersberg:Diese Watschn hat gesessen

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Henning Venske gibt sich gern als Dozent der "anarchistischen Staatsbürgerkunde", seine Abneigung gegen Herrschaft und Militär rührt auch daher, dass er den Zweiten Weltkrieg als Kind noch erlebt hat. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nicht alle im Publikum halten die Kritik des Satirikers Henning Venske aus. Im Alten Kino überzeugt er mit politischem Scharfsinn, Humor ist bei ihm Nebensache.

Von Anselm Schindler, Ebersberg

Während der Pause sucht ein älteres Ehepaar das Weite. "Ich kann es nicht mehr höhren", sagt sie zu ihm, dann verschwinden die beiden in der Dunkelheit der nächsten Häusergasse. Was Kabarettist Henning Venske kann: Leute vor den Kopf stoßen. Und das mit Präzision: Die inhaltliche Schärfe seines Programms kann es locker mit einem Volker Pispers oder Erwin Pelzig aufnehmen. Was Venske weniger kann: Das Publikum in seine Show einbinden - aber das will er auch gar nicht. "Ich bin ihre Opposition,", sagt er, als er am Donnerstagabend die Bühne des Alten Kinos betritt. "Willkommen im Ohrfeigenseminar".

Der neue SPD-Spitzenmann Martin Schulz könnte nach der Bundestagswahl im September mit seinen Phrasen immer noch Duschhauben verhökern, Schulz sei der "personifizierte deutsche Fachkräftemangel", predigt Venske von seiner Kanzel herab. Den ganzen Abend über sitzt er hinter einem Rednerpult aus Plastik, den Kopf zumeist gesenkt, "nicht depressiv, nur niedergeschlagen". Die Mehrheit im Publikum nimmt ihm das nicht übel, zwischendurch versuchen sich einige mit einem verhaltenen Klatschen, aber Venske schenkt ihnen keine Beachtung.

Gesellschaftskritik dient der Satire oft nur als Sprungbrett für die nächste Pointe. Venkse, den man mit seinen 79 Jahren getrost als Altmeister des Polit-Kabaretts bezeichnen kann, betreibt das Gegenteil: Der Hamburger schrumpft den humoristischen Auftritt zur Vermittlungsform für ernste Botschaften zusammen. Form und Inhalt widersprechen sich bei dem, was Venske da auf der Bühne treibt, naturgemäß. Der Hamburger verkörpert eine Überlebensstrategie: Verbittert lachen, anstatt an der Realität zu zerbrechen.

Würde er die etablierte Politik nicht so sehr verabscheuen, wäre Venske in einer Partei gut aufgehoben, er wäre ein guter Demagoge, rhetorisch gewandt, immer der Überspitzung zugeneigt. Und von sich selbst am meisten überzeugt - stellenweise nervt die Arroganz des Kleinkunstbühnenguerilleros.

Linke und Rechte bekommen ihr Fett weg

"Die Demokratie verreckt in der gesellschaftlichen Mitte!", schimpft Venske. Wo die Verwalter des kapitalistischen Sachzwangs die Alternativlosigkeit predigten, da brauche man sich auch nicht darüber zu wundern, dass Teile der Bevölkerung zu den rechten Vereinfachern überliefen. "Adolfs fiese Dumpfbacken" (AfD) entlarvt Venske als Symptom der marktwirtschaftlichen Totalverwaltung, wer das Diktat der Märkte hinnehme, fördere auch den Rechtsruck. Inmitten seiner Abhandlung hält Venkse kurz inne und fragt: "Ist Demokratie überhaupt möglich in einem kapitalistischen System?".

Nach einer wirklichen Opposition sucht er in seiner "anarchistischen Staatsbürgerkunde", so nennt er selbst sein Programm, vergeblich. Die Grünen seien spätestens seit "Georgeka Fischer" und dessen Parteinahme für westliche Militärinterventionen eine Ansammlung von "Kriegstreibern". Die Partei solle lieber zu ihren Kernkompetenzen zurückfinden, und sich wieder um die "Anschnallpflicht für Radfahrer" und die "Überdachung von Krötenwanderwegen" kümmern.

Auch die Linkspartei bekommt ihr Fett weg, Oskar Lafontaine werde eine Revolution höchstens noch im Altenheim anführen, "nämlich dann, wenn der Blumenkohl nicht richtig durch ist". Seine Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht wirke wie "eine Rosa Luxemburg, die sich auf der Flucht vor der Polizei eine Nacht lang in einem Gerry Weber Laden versteckt hat."

Geboren wurde der Hamburger Kabarettist 1939 im polnischen Stettin. Seine Abneigung gegen Herrschaft und Militär rührt wohl nicht zuletzt daher, dass er den Zweiten Weltkrieg in Kinderjahren noch am eigenen Leib miterlebt hat. Venskes künstlerisches Treiben begann bereits in jungen Jahren, 1961, noch während des Studiums, stand er bereits auf der Bühne des Berliner Kurfürstendamm-Theaters.

Jesus? Mohammed hatte bestimmt auch ein Problem mit dem Kreuz

In den 70er Jahren arbeitete er als Schauspieler, Regisseur, und Moderator bei Hörfunk und Fernsehen - er bekam wegen seiner scharfzüngigen Aussagen schnell Probleme, wurde von einigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkantalten sogar mit einem Sendeverbot belegt. Seither gilt er als Deutschlands meist gefeuertster Satiriker. Dieser Ruf eilt ihm voraus, und Venske tut alles, um ihm gerecht zu werden.

Rund 1,5 Millionen: Mit schauderhafter Sachlichkeit zelebriert der Hamburger diese Zahl. So viele Menschen sind in den vergangenen Jahren bei Nato-Militärinterventionen im Irak, Afghanistan und anderen Ländern des Nahen Ostens getötet worden. Venske macht eine kurze Pause: Ob die djihadistischen Anschläge nicht "verständliche Racheakte" für den Krieg um Öl und Märkte seien, fragt er dann.

Das Wort "verständlich" stört an dieser Stelle, doch Venske will eben provozieren. Er holt zum Seitenhieb auf die Religionen und ihre Fundamentalisten aus, bezeichnet alle Gläubigen als "partiell unzurechnungsfähig". Die interreligiösen Konflikte wollen Venske nicht so wirklich einleuchten: "Die Religionen eint doch sehr viel, Jesus hatte Probleme mit dem Kreuz, und Mohammed bestimmt auch".

© SZ vom 13.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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