Ebersberg:Die vergessenen Körperkünstler

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Markus Huschka schließt sich dem Protest der Tätowierer an und fordert von der Staatsregierung, die Öffnung von Tattoostudios zu erlauben. (Foto: Christian Endt)

Mit mehr als 40 Kollegen will der Ebersberger Tätowierer Markus Huschka auf die Lage seiner Zunft aufmerksam machen

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Ernst sind ihre Gesichter, bei manchen hört man Wut und Unverständnis zwischen den Zeilen heraus. "Wir Tätowierer aus Bayern befinden uns seit dem ersten November im Lockdown - als einziges Bundesland übrigens durchgängig", sagt Eva aus Wasserburg. "Im Vergleich zu vielen anderen Branchen, die öffnen durften, haben wir eine weitaus geringere Kontaktdichte", erklärt Conny aus Lichtenau. "Auch darum gab und gibt es bis dato keine nachgewiesene Corona-Infektion nach dem Besuch eines Tattoo-Studios", sagt Sarah aus Bad Heilbrunn, "nicht eine einzige."

Über 40 Tätowierer aus ganz Bayern machen ihrem Ärger über ihre derzeitige Situation in einem Video Luft, das derzeit durch die Sozialen Medien gespielt wird. Unter ihnen auch Markus Huschka, der in Ebersberg den Tattoo-Laden "Feinstich" betreibt und Promis wie Toni Kroos zu seinen Kunden zählt. "Im März durften alle Anbieter von körpernahen Diensten wieder aufmachen", sagt Huschka in einem Telefongespräch. "Wir Tätowierer wurden wieder komplett vergessen."

Durch den neuerlichen Lockdown seien die Tätowierer mehr zusammen gerückt und hätten sich überlegt, wie sie auf ihre Lage aufmerksam machen könnten: Seit einem halben Jahr dürfen in Bayern keine Tattoos mehr gestochen werden - zumindest nicht legal. In dem Video erzählen die Körperkünstler, dass einige Kollegen nun in benachbarten Bundesländern arbeiten oder im Ausland. "Schlimmer noch: Auch die Schwarzarbeit in den Wohnzimmern boomt", heißt es.

"Wir haben maximal zwei Kunden am Tag, die sehr gut vorher einen Test machen könnten", erzählt Markus Huschka. Auch seien mittlerweile alle Räume so gestaltet, dass man den Kontakt zu anderen Menschen vermeiden könne. Zudem würden Tattoo-Studios per se schon besonders hohen Hygienestandards entsprechen. Während Friseure und Kosmetikläden seit mehreren Wochen nun schon wieder die Türen geöffnet haben, gibt es für Tätowierer keine Möglichkeit, ihre Arbeit auszuüben - und auch keine Perspektive. "Das ist totaler Wahnsinn, dass wir als Randgruppe komplett übersehen werden", findet Huschka. Auch Anrufe im Landratsamt brächten nicht Neues: "Keiner kann dir sagen, wie es weitergeht."

Als Ministerpräsident Söder bei einem Radio-Interview Anfang März auf die Lage der Tätowierer angesprochen wurde, entgegnete er, eine hundertprozentige Gerechtigkeit lasse sich bei Corona nicht finden - eine Antwort, die den Tätowierern auch nicht weiterhilft.

"Es geht nicht nur ums Geldverdienen, auch für die Psyche ist das belastend", sagt Markus Huschka. Die Hilfe vom Staat gehe bei vielen schon für die Miete drauf, viele haben eine Familie zu versorgen. "Und leben muss man auch noch", so der Ebersberger Tätowierer. Er wisse von Kollegen, die ihr Gewerbe aufgegeben, in einen anderen Beruf gewechselt hätten oder jetzt eine Lehre machten, sagt er. Schon vor Corona habe er selbst nicht über zu wenig Interesse an seiner Arbeit klagen können; derzeit habe er jedoch einen enormen Rückstau zu verzeichnen. "Wir bekommen permanent Anfragen", erzählt er, , "ich muss dauernd die Leute vertrösten." Eigentlich sei es für ihn eine schöne Sache, all diese Termin zu organisieren, wenn alles dann am Laufen sei. Er freue sich jetzt schon darauf, wenn er endlich wieder arbeiten dürfe. Seit Januar habe er immer wieder gedacht: "Jetzt geht es weiter!" Doch dann wurde daraus wieder nichts. Im Video bitten die Tätowierer am Schluss: "Bitte vergesst und bei den nächsten Lockerungen in Bayern nicht noch einmal."

© SZ vom 26.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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