Ebersberg:Die Schattenseite der Popularität

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Viel zu teures Bauland für Einheimische, hier die Wolfsschlucht, soll der neue Kriterienkatalog künftig verhindern. (Foto: Christian Endt)

Der Zuzug von Wohlhabenden aus München lässt die Immobilienpreise steigen. Was macht das mit dem Landkreis? Selbst die Mittelschicht kann sich auf dem freien Markt kaum noch ein Haus leisten

Von Christian Endt, Ebersberg

Wer sich die Angebote nach Häusern im Landkreis anschaut, kann schnell ins Träumen kommen. "Traumvillen in Toplage" werden da angeboten, Objekte mit großen Glasfronten und Pool im Garten, "Qualität der Ausstattung: Luxus" heißt es in der Beschreibung. Bei den Bildern sind häufig nur Computermodelle zu sehen, da die Häuser noch gar nicht gebaut sind. Verkauft werden sie trotzdem schon. Eine Million Euro ist der Käufer schnell los, gerne auch eineinhalb Millionen. Dafür wohnt er dann zumindest in Nähe der S-Bahn in Vaterstetten oder Poing. Klar, denn wer so ein Haus kauft, der arbeitet in vielen Fällen in einer der zahlreichen Kanzleien, Versicherungen oder Industriefirmen der Landeshauptstadt. Nur wohnen möchte man dort nicht unbedingt, sondern lieber draußen im sogenannten Grünen. Auch wenn das Grüne immer grauer wird vor lauter Neubaugebieten.

2383 Münchner zogen im Jahr 2013 in den Landkreis Ebersberg, während zur gleichen Zeit nur 1451 in die andere Richtung wanderten. Ob es einen Zusammenhang mit dem seit Jahren steigenden Durchschnittseinkommen gibt, ist nicht erfasst. Aber es ist klar, dass viele Gutverdiener aus der Landeshauptstadt aufs Land ziehen. Was macht dieser Zuzug von Wohlhabenden mit dem Landkreis?

"Die Zuwachsraten bei den Preisen waren in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich", sagt der Immobilienmakler Erich Appler. "Unser Markt ist sehr gut." Gut zumindest für alle, die mit Bau, Verkauf oder Vermietung von Wohnraum ihr Geld verdienen. Möglicherweise nicht so gut ist der Markt für diejenigen, die sich die steigenden Preise inzwischen kaum noch leisten können. "Ich wäre vorsichtig zu sagen: Der Zuzug treibt die Preise", fährt Appler fort, "das ist zu pauschal. Aber die Münchner sind andere Preise gewohnt. Die sind bereit, ein paar Euro mehr zu zahlen, keine Frage."

Verlässliche Daten zum Immobilienmarkt im Landkreis sind allerdings schwer zu bekommen. Denn weder das Landratsamt noch die Gemeinden erfassen die Zahlen; im Gegensatz zu vielen anderen Gemeinden geben die Städte, Märkte und Ortschaften im Landkreis keinen Mietspiegel heraus. Einen Überblick über die Preisentwicklungen hingegen veröffentlichen die Datenbanken privater Online-Vermittler von Häusern und Wohnungen. Diese Zahlen seien zwar nur bedingt repräsentativ, sagen Experten. Die generellen Trends würden sie allerdings schon wiedergeben. Demnach sind vor allem die Kaufpreise für Wohnungen und Häuser in den vergangenen Jahren stark angestiegen. In den Gemeinden mit Nähe zur Landeshauptstadt wie Vaterstetten und Poing, die zusätzlich eine gute Verkehrsanbindung bieten, ist das Preisniveau - wenig überraschend - deutlich höher als im östlichen und südlichen Landkreis.

Der Mangel an Sozialwohnungen ist vor diesem Hintergrund ein Thema. Zunehmend hat aber auch die Mittelschicht ein Problem, also Menschen, die für den sozialen Wohnungsbau zu wohlhabend sind, deren Finanzkraft für den freien Markt aber zunehmend nicht mehr ausreicht. "Die Mittelschicht befindet sich in der Mitte eines Sandwiches, der aus zwei Mühlsteinen besteht", sagt Wolfgang Huber. "Jemand, der zum Beispiel in Ebersberg als Krankenschwester arbeitet, kann sich hier eigentlich keine Wohnung mehr leisten", so der Grafinger Grünen-Stadtrat, "nicht zur Miete und schon gar nicht zum Kauf."

Die Gemeinden versuchten eine Zeitlang gegenzusteuern, indem sie sogenanntes Einheimischenbauland auswiesen, auf dem nur Ortsansässige bauen durften. Diese Lösung verstößt jedoch gegen EU-Recht, da Zuziehende diskriminiert werden. Zulässig ist nur ein Punktesystem, bei dem neben der Ortsansässigkeit auch andere Kriterien wie Kinderzahl und ehrenamtliches Engagement berücksichtigt werden. So wird es schnell kompliziert. "Wenn das Bauland so sumpfig wäre wie die Rechtslage, könnte man nichts bauen", sagt Huber. In Grafing hat man mit gescheiterten Einheimischenmodellen viel Erfahrung: Die Häuser des Projekts "Wolfsschlucht" wurden am Ende so teuer, dass fast alle auf dem freien Markt verkauft werden mussten - kaum ein Einheimischer konnte sich die Häuser leisten. Und das trotz des Abschlags von 20 Prozent.

Manche Gemeinden versuchen, den Zuzug zu verhindern, indem sie von vornherein nur wenig Bauland ausweisen. In diesem Fall greift jedoch die Mechanik von Angebot und Nachfrage: Die wenigen verfügbaren Grundstücke sind entsprechend teuer. So profitiert am Ende niemand.

Neben regionalen Besonderheiten wie der boomenden Wirtschaft und der Nähe zu München gibt es auch nationale und internationale Trends, die den Preisanstieg befeuern. Zum einen sind es die anhaltenden Niedrigzinsen, die Immobilien zu attraktiven Geldanlagen machen. Zum Anderen wurden im Zuge der Energiewende strenge Effizienzrichtlinien erlassen. "Durch die Energieeinsparverordnung kann man gar nicht mehr auf billig bauen", sagt Makler Erich Appler. "Und wenn man da schon hohe Qualität hat, wird man an der Ausstattung auch nicht sparen. Unterm Strich bedeutet das: Wenn einer ein tolles Grundstück findet, dann baut er hochwertig."

Stadtrat Huber fürchtet daher um die soziale Balance im Landkreis: "Es verschiebt sich einiges im Bevölkerungsprofil. Ganz wohl ist mir dabei nicht." Sorgen macht er sich insbesondere um junge Familien mit Kindern. "Solche Leute brauchen wir! Aber wie können die hier bezahlbaren Wohnraum finden? In meiner Generation konnte man sich aussuchen, wo man sein Häusle hinstellen möchte", sagt der 63-Jährige. "Das ist heute utopisch."

© SZ vom 10.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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