Ebersberg:Die Apotheke der Natur

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Um den Feiertag Mariä Himmelfahrt sollen Kräuter besonders viel Heilwirkung haben. Naturpädagogin Sieglinde Schuster-Hiebl gibt im Museum Wald und Umwelt ihre Kenntnisse weiter

Von Viktoria Spinrad

Entgiften, Haut und Herz beruhigen, Blut stillen, das Immunsystem stärken - die potenziellen Anwendungen von Kräutern sind so breit wie das Spektrum der menschlichen Wehwehchen. Gerade Menschen, die schlechte Erfahrungen mit herkömmlicher Medizin gemacht haben, oder ihrem Körper keine Hormone oder synthetisch hergestellte Chemie von außen zuführen möchten, setzen auf Cremes, Tinkturen oder Tees aus Kräutern.

Der menschliche Gebrauch von Heilkräutern ist so alt wie die Menschheit selbst. So führte Ötzi, die Gletschermumie aus der Jungsteinzeit, Birkenporlinge mit sich. Im Mittelalter dann schrieben vor allem Klostermönche die Anwendung verschiedener Kräuter systematisch nieder. Rund 440 heimische Heilpflanzen gibt es in Deutschland, einige davon wachsen rund um das Museum Wald und Umwelt in Ebersberg. Um die Wirkungen und verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten der Kräuter verstehen zu lernen, gibt es auch immer wieder Führungen für Interessierte. Sieglinde Schuster-Hiebl, 52, ist Naturpädagogin und zertifizierte Gartenbäuerin. Sie führt durch das bunte Kräuterdickicht, verweist auf verschiedene Formen und Farben, anhand derer sich mithilfe der sogenannten Signaturenlehre die möglichen Wirkungen des jeweiligen Krauts ablesen lassen.

Beifuß

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(Foto: Angelika Bardehle)

"Beyfuß oft genützt / macht die Frauwen fruchtbar", postulierte bereits der Gelehrte Albertus Magnus im 13. Jahrhundert. Tatsächlich gilt die alte Heil- und Schamanenpflanze, die auch heute noch weit verbreitet ist, als ein Alleskönner in der Frauenheilkunde. Es wird vermutet, dass sich die Germanen zur Sonnenwendfeier mit Beifußstengeln als Schutz vor Lendenkrankheiten umgürteten. Heute weiß man, dass die Blätter, Rispen und Wurzeln der - sieht man von der silbrigen Unterseite ab - optisch recht unauffälligen Pflanze Bitterstoffe und ätherische Öle enthalten. Letztere wirken antibakteriell und pilzfeindlich. Die Stoffe öffnen und reinigen, treiben Harn und Schweiß. Tee- und Heilweinkuren werden für eine tiefgreifende Blutreinigung verwendet, den minzähnlichen Geschmack des Beifuß kennen viele vom Würzen der Weihnachtsgans. Fotos: Angelika Bardehle, Texte: VFS

Frauenmantel

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(Foto: Angelika Bardehle)

Was auf den ersten Blick ausschaut wie Tautropfen, ist tatsächlich überschüssiges Wasser, das durch die Wurzel des Rosengewächses von unten aufsteigt und über Drüsen am Blattrand ausscheidet. Das Kraut mit den fein gezahnten Blatträndern ist "das hormonregulierende Kraut schlechthin", sagt Schuster-Hiebl. Der Frauenmantel enthält zwischen fünf und acht Prozent Gerbstoffe, auf sie führen Forscher die entzündungshemmende Wirkung zurück. Als Universalmedizin für Frauen sollen die schüsselförmigen Blätter den Schoß der Frau symbolisieren. Tatsächlich soll die Pflanze nicht nur Magen-Darm-Beschwerden lindern, sondern auch empfängnisfördernd wirken. Früher verwendeten Alchemisten die Tropfen in ihren Zubereitungen, heute ist Frauenmantel vor allem als Tee beliebt.

Nachtkerze

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(Foto: Angelika Bardehle)

Da die nordamerikanische Pflanze ausschließlich nachts beginnt zu blühen, verbindet die Astromedizin sie mit dem Mond. Der wiederum soll Einfluss auf die Haut nehmen. Bereits Indianer nutzten Brei aus den Wurzeln als Heilmittel bei chronischen Hautleiden. Die Samen der Pflanze, die nur eine Nacht lang blüht, können bis zu vier Zentimeter groß werden. Heute weiß man, dass sie zehn Prozent Gamma-Linolensäure enthalten, also ungesättigte Fettsäuren, die im Körper Ausgangsstoff wichtiger Hormone sind. Daher erklärt sich, wieso das Öl dafür bekannt ist, das Bindegewebe anzuregen. Die Samen sind heute auch eine beliebte Zutat im Müsli. Das Öl aus den Samen gibt es als Cremes und in Kosmetika. Nachtkerzentee soll entkrampfen und entspannen.

Storchschnabel

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(Foto: Angelika Bardehle)

Der sogenannte Kindsmacher der Volksmedizin verrät bereits, welche Wirkung man sich von den blühenden Kräutern erhofft: Das Kraut mit der charakteristischen Schnabelform soll gegen ungewollte Kinderlosigkeit helfen. "Die Umweltgifte bringen das Hormonsystem durcheinander", so Schuster-Hiebl, die Blüten sollen helfen, es wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Früher mischten Bauern das sogenannte "Stiergräschen" unfruchtbaren Tieren unter das Futter; Frauen versuchten, ihre Empfänglichkeit mit Storchschnabeltee zu verbessern. Sicher ist, dass das Kraut Gerb- und Bitterstoffe sowie ätherisches Öl enthält, das entzündungshemmend wirkt. Bereits in der Antike wurde es als Heilmittel für Wunden verwendet.

Borretsch

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(Foto: Angelika Bardehle)

"Ich, Borretsch, bringe immer Freude", schrieb der römische Gelehrte Plinius. Das Gewächs aus dem Mittelmeerraum galt als das Kraut, das die Lebensgeister erweckt, als blutreinigend und wirksam gegen melancholische Stimmungen. Heute weiß man es besser: Besonders wertvoll sind die Samen des "Gurkenkraut", dessen Geruch also an Gurken erinnert. Die Samen enthalten Öl und Linolsäure, also viele ungesättigte Fettsäuren. Das Öl der Pflanze wird nach wie vor in Hautcremes und Salben verwendet: Die Ölsäurezusammensetzung soll gegen Haut-Wehwechen wie Neurodermitis helfen. Kulinarisch verwenden lässt sich das Öl auch im Salat oder in Eintöpfen - vielleicht sogar zu mehr Freude.

Salbei

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(Foto: Angelika Bardehle)

"Warum stirbt denn der Mensch, dem Salbei wachset im Garten?", lautet ein Heilvers der Ärzteschule von Salerno im elften Jahrhundert. Die Antwort ist heute eine beliebte Alltagsmetapher: "Gegen den Tod ist noch kein Kraut gewachsen." So angenehm der Geruch ihrer graugrünen Blätter, so vielseitig ist die Pflanze. So hat eine Studie gezeigt, dass Salbeiöl nachweislich das Gedächtnis verbessert. Das Zusammenspiel der ätherischen Öle, Gerb- und Bitterstoffe in den Salbeiblättern hilft, Bakterien, Viren und Pilze zu bekämpfen. Schuster-Hiebl empfiehlt Salbei als Kur in den Wechseljahren. Denn die Wirkstoffe der Blätter hemmen die Sekretion der Schweißdrüsen, beugen also Schwitzen und Hitzewallungen vor.

Gundermann

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(Foto: Angelika Bardehle)

Die putzigen, fast herzförmigen Blättchen geben dem Kraut eine wahrlich niedliche Erscheinung. Eher gespenstisch war der frühere Gebrauch der sogenannten "Wilden Petersilie": Zur Walpurgisnacht band man das germanische Zaunkraut zu Kränzen, dadurch sollte man Hexen erkennen können. In der Heilmedizin verrät bereits der Name, wogegen Gundelreben eingesetzt wurden: Gund bedeutete im Altgermanischen Eiter, eiterndes Geschwür. Heute wird er als Schleimlöser verwendet: Als Tee, Tinktur oder Saft soll er zähen Husten, Lungenerkrankungen und Bronchialasthma lindern. Bis ins 17. Jahrhundert war Gundermann als Bierwürze beliebt. "Man kann ihn auch vorzüglich in Schokolade eintauchen", sagt Schuster-Hiebl.

Beinwell

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(Foto: Angelika Bardehle)

"Der Beinwell hat eine solche Kraft zu heilen und zusammenzufügen, dass zerteilte Fleischstücke wieder zusammenwachsen, wenn man sie mit Beinwell in einem Topf kocht", schrieb der englische Apotheker Nicholas Culpeper im 17. Jahrhundert. Auch wenn von fusionierenden Fleischbrocken bis heute nichts bekannt ist, so gilt die Pflanze mit den glockenhaften Blüten bei äußerer Anwendung nach wie vor als Knochenheiler. Das liegt am Wirkstoff Allantoin in Wurzel und Kraut, das im Pflanzenreich sonst eher selten vorkommt. Allantoin beschleunigt den Zellaufbau und damit die Wundheilung und Geweberegeneration, was Tinkturen und Umschläge mit Beinwell zu einer beliebten Behandlungsmethode bei typischen Sportlerverletzungen macht. Da "Beinheil" wie der Borretsch aber auch Giftstoffe enthält, ist die Heilpflanze in Deutschland nur beschränkt in Fertigarzneien zugelassen, in den USA darf sie gar nicht erst vermarktet werden.

So sollen lilafarbene Pflanzen die Kommunikation fördern, "dem Geist auf die Sprünge helfen", sagt Schuster-Hiebl. Blau-rote Blüten hingegen verbindet man mit einer ausgleichenden Wirkung. Viele Kräuter sind sogenannte Frauenkräuter: Sie sollen bei typisch weiblichen Wehwehchen helfen. Zudem ist Mariä Himmelfahrt eine Zeit, in der Kräuter gerne gesammelt werden, dann sollen sie besonders viel Heilwirkung haben. Allerdings holt man sich um diese Zeit traditionell auch noch den kirchlichen Segen dazu. Die Kräuterbuschen werden bei den Gottesdiensten an Mariä Himmelfahrt geweiht, danach werden sie gern daheim im Herrgottswinkel aufbewahrt, um Unheil abzuhalten.

Sieglinde Schuster-Hiebl kennt die Wirkung der Kräuter. (Foto: Angelika Bardehle)

Die Wirkung der verschiedenen Frauenkräuter am Museum Wald und Umwelt stellt Schuster-Hiebl am Dienstag bei einem Rundgang vor. Am Nachmittag möchte sie Interessierten dann zeigen, wie sich aus den Pflanzen vor der eigenen Haustür Naturkosmetik wie Gesichtscremes herstellen lässt. "Männer sind natürlich auch willkommen", verspricht sie.

Frauenkräuter-Führung am Museum Wald und Umwelt am Dienstag, 15. August von 10 bis 13 Uhr. Teilnahmegebühr: 10 Euro. Naturkosmetik selbstgemacht am selben Tag, 14 bis 17 Uhr. Teilnahmegebühr: 15 Euro inklusive Material. Anmeldungen unter Telefon (089)60853366 werden erbeten.

© SZ vom 14.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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