Ebersberg:Diagnostischer Blick

Lesezeit: 2 min

Bevor der Vorhang sich öffnet: Eindrucksvolles Gemälde des Esslinger Malers Georg Koschinski. (Foto: Marcus Lengerer/oh)

Rathausgalerie Ebersberg zeigt das Werk von Georg Koschinski

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Georg Koschinski kannte den Landkreis Ebersberg nur von Stippvisiten. Abgesehen von einem zwei Jahre währenden Aufenthalt in den Vierzigerjahren in München und Besuchen bei seinem Sohn in Zorneding verbrachte er sein ganzes Leben als freischaffender Maler und Grafiker in Esslingen, wo er 2013 starb.

Anlässlich seines 100. Geburtstags wird von Mittwoch, 18. Januar, an in der Rathausgalerie eine Werkschau Koschinskis gezeigt. Und was es zu sehen gibt, ist eine Entdeckung. Wie dessen Sohn, der pensionierte Mathematik- und Physiklehrer Siegfried Koschinski, berichtet, habe sein Vater viele Techniken beherrscht, aber keine eigene "Handschrift" besessen. "Wer acht Jahrzehnte lang malt, will nicht immer das Gleiche auf die Leinwand bringen."

Geboren am 12. September 1916 in Leipzig, absolvierte Georg Koschinski in den Dreißigerjahren eine Ausbildung zum Reprofotografen und studierte anschließend an der Leipziger Akademie für grafische Künste und an der Dresdner Kunstakademie. Sein Werk umfasst Ölbilder, Aquarelle, Gouachen, Frottagen, Tuschearbeiten, Bleistiftzeichnungen und Lithografien. "Sein künstlerisches Engagement wirkte stilprägend für zahlreiche Kulturinitiativen in seiner Heimatstadt, so zum Beispiel für den ,Kulturtreff' oder die ,Lyrik-Bühne'. Seine Liebe zur Literatur spiegeln zahlreiche seiner Arbeiten wider; oft ergab sich ein bildnerisch-literarischen Austausch in Form satirischer Karikaturen oder einfühlsamer künstlerischer Interpretationen", heißt es in einem Text über sein Schaffen.

Seine Gemälde sind ein Kompendium der Moderne. Koschinski zitierte die Expressionisten, die Surrealisten, Picasso, Klee, Miró, er zeigte sich als Meister des Konstruktivismus, schuf Porträtserien und groteske Karikaturen à la Otto Dix, Geister, Akte, Mythologisches, dämonische Fratzen von entmenschlichter Brutalität. Mitunter zeichnete er auch "brave" Motive, zum Beispiel den Familien-Dackel "unsere Susi". Zeichenhaft muten seine abstrakten Bilder an, vor allem die Tuschebilder erinnern an fernöstliche Kalligrafie. Immer wieder tauchen Stühle auf, filigran oder perspektivisch verzerrt. Koschinski, das wird in seinen Bildern offenbar, war ein Meister der Raumaufteilung, des Kontrastes, der Perspektive. Er beherrschte die minimalistische Formensprache ebenso wie das Wimmelbild.

Zu seinem 80. Geburtstag hatten ihm Freunde und Bewunderer seiner Heimatstadt Esslingen ein "bibliophiles Ständchen" gewidmet, darunter Glückwünsche von Literaten, die Koschinskis künstlerische Facetten so zusammenfassen: "Wir wünschen Dir. . . weiterhin feinfühlige Aufgeschlossenheit, den genauen diagnostischen Wirklichkeitsblick, scharfe ungeschminkte Beobachtung, provokante Neugier, den nötigen Humor bei allem schmerzhaftem Ernst und das produktive kreative Engagement, das unsere Zeit benötigt."

Die Werkausstellung zum 100. Geburtstag von Georg Koschinski wird am Mittwoch, 18. Januar, um 18 Uhr in der Rathausgalerie Ebersberg eröffnet (bis 31. März). Geöffnet Montag bis Donnerstag von 8 bis 17 Uhr, Freitag von 8 bis 12 Uhr.

© SZ vom 16.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: