Ebersberg:Der Mais macht's

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Nach den Überschwemmungen im Landkreis machen Naturschützer die intensiven Monokulturen mitverantwortlich, Landwirte sehen die Lage hingegen weniger dramatisch. Über eine Spurensuche zwischen Bächen und Bauernhöfen.

Von Anselm Schindler, Ebersberg

Friedlich plätschert das kleine Bächlein bei Sigersdorf vor sich hin, an vielen Stellen ist das Wasser nur einige Zentimeter tief. Kaum vorzustellen, dass sich das Bächlein Anfang Juni in einen reißenden Strom verwandelte. Die Wassermassen strömten während den Unwettern zwischen den Hängen und Wäldern von Sigersdorf Richtung B304, die Bundesstraße musste zwischen Steinhöring und Ebersberg komplett gesperrt werden, so tief stand sie unter Wasser. An einigen Stellen des Bachlaufes lässt sich immer noch erkennen, mit welcher Wucht das Wasser an den Rändern des Baches Teile der Wiese mitgerissen hat.

Eine Spurensuche nach dem Unwetter: Schlendert man an den Maisfeldern entlang, die die Hänge von Sigersdorf säumen, dann sieht man, wie sich die Wassermassen ungebremst den Weg über die Maisfelder bahnten. Zwischen den Maispflanzen sieht man die Spuren, die der Starkregen hinterlassen hat: Man sieht, wie der Boden förmlich weggespült wurde, welche Fließrichtung das Wasser hatte. Der erdige Untergrund hat das Hochwasser dokumentiert.

An einer Weggabelung zwischen der B304 und Sigersdorf, stellt Landwirt Georg Weber seinen Traktor ab. Als Kind hat er schon mal im Sigersdorfer Bach gebadet, das war kurz nach dem Krieg und das letzte Mal, dass der Bach so stark über die Ufer trat. Weber deutet den Hang hinauf, in die Richtung, aus der sich Anfang Juni die Wassermassen den Weg über die Wiesen bahnten. Er schüttelt den Kopf, mit so einem Hochwasser hatte man in Sigersdorf nicht gerechnet.

Maispflanzen bieten dem Wasser Angriffsfläche

Der Hergang der Überschwemmungen wirft die Frage auf, ob der Maisanbau mit Schuld trägt an den Schäden, die das Unwetter angerichtet hat. Es ist eine Frage, die nicht zum ersten mal gestellt wird. Für Max Finster von der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt ist der Zusammenhang klar: Dadurch, dass die Maispflanzen den Boden kaum abdeckten, biete er viel Angriffsfläche für das Wasser, der Boden sei ungeschützt und werde einfach weggespült.

Olaf Rautenberg, Vorsitzender des Bundes Naturschutz im Landkreis, sieht das auch so: Bodenversiegelung, so Rautenberg, laute das Stichwort, der Mais, der viel Wasser brauche, trockne Böden aus. Die Erde laugt aus, wird hart und ist im Falle von starken Regenfällen nicht mehr aufnahmefähig. Der intensive Maisanbau sei deshalb gerade an Hanglagen ein großes Problem, sagt Rautenberg.

Vor ihrem Hof sitzen einige Sigersdorfer Landwirte in der Mittagssonne und genehmigen sich ein Weißbier. Im Stall nebenan sieht man die Kühe fressen, mit der intensivierten Milchwirtschaft geht auch das einher, was Umweltschützer als "Vermaisung" der Landschaft bezeichnen. Die Bauern in Sigersdorf wollen davon nichts wissen, "was solln mia denn machen, wenn da so viel Wasser von oben kommt", sagt einer von ihnen und lacht. Dreinreden lassen wollen sie sich nicht, was den Maisanbau betrifft, das wird schnell klar. Weder vom Bund Naturschutz, noch vom Landratsamt.

Im Landkreis Ebersberg sind 28 Prozent der Äcker für Mais reserviert

Wie in vielen Teilen Bayerns dominiert der Maisanbau auch hier die Landschaft immer stärker. Im Landkreis Ebersberg seien inzwischen etwa 28 Prozent der Äcker für den Mais reserviert, heißt es aus dem Rosenheimer Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: 4500 Hektar, eine Fläche mehr als halb so groß wie der Chiemsee. 3300 Hektar waren es noch vor zehn Jahren, die Maisanbaufläche nahm in diesem Zeitraum um mehr als ein Viertel zu. Der Mais dient nicht nur den etwa 35 000 Rindern im Landkreis als Futter, sondern auch als Substrat für Biogasanlagen.

Über die B304 und einige Landstraßen führt der Weg von Sigersdorf ins rund zehn Kilometer weiter gelegene Lauterbach, einen Ortsteil von Frauenneuharting. Die Schäden, die das Hochwasser dort am vergangenen Wochenende hinterlassen hat, sind unübersehbar. An einem Hof direkt am Buchgraben ist man noch mit den Aufräumarbeiten beschäftigt, "zu allen Türen hat's neidruckt", beschreibt einer der Landwirte jene Szene, als das Wasser aus dem Buchgraben seinen Hof überschwemmte. Er rauft sich die Haare, "gut dass hier im Ort alle zammhelfen", sagt er, "sonst würd's schlecht ausschaung".

Sein Hof liegt an einem Hang, über die Jahrhunderte hat das Wasser dort eine kleine Schneise in die Wiese gefräst. Diese Furche, der Buchgraben, wurde den Anwohnern in Lauterbach am vergangenen Wochenende zum Verhängnis: Einige hundert Meter den Hang hinauf, südwestlich von Lauterbach, ist der Buchgraben kanalisiert, er fließt unter der Kreisstraße 20 hindurch.

Auch an deren Rändern erstrecken sich großflächige Maisfelder, auch hier sind die Spuren des jüngsten Hochwassers noch deutlich sichtbar. Ungebremst spülten die Wassermassen über die Felder, spülten Erde mit sich, die Schlammmassen ergossen sich über Lauterbach.

Es war nicht zuletzt der Hochwasserschutz, der die EU im Jahr 2012 dazu veranlasste, im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eine sogenannte Mais-Deckelung zu erlassen, die den Anbau der Pflanze seither unter strikte Auflagen stellt. Kommen die Landwirte diesen nicht nach, dann riskieren sie EU-Fördergelder, auf die auch viele Bauern im Landkreis angewiesen sind.

Die Bauern sind nach wie vor von den Erträgen der Kolben abhängig

Seit das EEG in Kraft trat, nimmt der Maisanbau kaum noch zu, seit zwei Jahren stagniert er in Bayern - wenn auch auf hohem Niveau. Die Bauern sind nach wie vor abhängig vom goldgeben Kolben, er verspricht hohe Erträge, dient als effizientes Futtermittel und lässt sich zur Gewinnung von Biogas rentabel vermarkten.

Kein Wunder also, dass die Kritik am Maisanbau bei vielen Landwirten nicht allzu gut ankommt. Wolle man ihn reduzieren, dann brauche es effektive Alternativen, betont Andrea Sobczyk von der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL). Sobczyk betreut für die LfL einige Felder in Grub bei Poing. Dort wachsen Pflanzen, die den Mais zumindest ergänzen könnten, sowohl als Futter, als auch als Biogas-Substrat.

Zum Beispiel die Durchwachsene Silphie, die aussieht wie eine Sonnenblume mit zu kleinen Blüten. Sie wächst sehr dicht, und ihre Wurzeln graben sich tief in den Grund. Der Boden, auf dem die Silphie wächst, kann deshalb auch viel mehr Wasser aufnehmen als ein Mais-Acker. Viele Landwirte seien aber noch skeptisch, was die Erträge der Silphie angeht, sagt Sobczyk. Beim LfL dagegen sei man zuversichtlich: Auch Bauern aus dem Landkreis hätten die Silphie bereits getestet, erklärt Sobczyk. "Die waren alle recht zufrieden."

© SZ vom 28.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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