Ebersberg:Der Leuchtturm vom Lindenanger

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Die oberbayerische Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen informiert sich in Ebersberg über das Seniorenwohnprojekt "Salwe", eine Hausgemeinschaft der besonderen Art

Von Karin Kampwerth, Ebersberg

"Wir standen an unserer Gartentür und haben geweint", erinnert sich Doris Tauber-Vollhardt an den Abschied. "Und wir haben uns gefragt, ob wir eigentlich wahnsinnig geworden sind", erzählt sie weiter. 2012 war das. Da haben die Vollhardts ihr schönes großes Haus in Ebersberg verkauft, um im Wohnprojekt "Salwe" (Sozial und Alternativ Leben und Wohnen in Ebersberg) einen Neuanfang zu wagen. Wenn Hans Vollhardt, früherer Ebersberger Landrat und Bürgermeister der Kreisstadt, nun vier Jahre später, von seinem geschmackvoll eingerichteten Wohnzimmer mit der großen Glasschiebetür über die Felder und das Wirtshaus "Zur Gass" hinweg auf den Egglburger See blickt, nimmt man ihm ab, "dass bei diesem Schritt nicht der Gedanke entscheidend war, sich zu reduzieren, sondern etwas Neues anzufangen". Das, so viel kann man inzwischen sagen, ist gelungen. Schön haben es die drei Paare und drei Singles im Alter zwischen 70 und 80 Jahren in dem modernen, zweigeschossigen Haus am Lindenanger, das gleich beim Eintritt durch Blumen an den Fenstern und Bilder im Treppenhaus persönlicher wirkt als ein normales Mietshaus.

"Wir sind zwar keine Wohngemeinschaft, aber eine Hausgemeinschaft", sagt Reinhard August später beim Kaffee im Gemeinschaftsraum nach der Besichtigung der Wohnungen, die zwischen 50 und 100 Quadratmeter groß sind. "Und wir sind damit missionarisch unterwegs", ergänzt er zur Begrüßung der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen aus dem Bezirk Oberbayern, die sich am Freitagabend auf Einladung der Ebersberger Landtagsabgeordneten Doris Rauscher (SPD) in der Kreisstadt über das Vorzeigeprojekt zum Thema "Wohnen im Alter" informierten. "Unser Geheimnis, dass es funktioniert, liegt in der langen Vorbereitung", berichtet Hans Vollhardt den Besucherinnen. Einfach eine Zeitungsanzeige aufzugeben, wenn man so etwas machen wolle, das funktioniere nicht. Die Salwe-Bewohner haben sich bereits viele Jahre vor dem Einzug bei einem Gesprächskreis der Evangelischen Kirche in Ebersberg kennengelernt - und 2008 mit der Vorbereitung ihres Projektes begonnen, erzählt Doris August. Dazu gehörte auch, einen Investor für das Haus zu finden, in dem die Wohnungen zwar angemietet sind, jeder Bewohner aber die Räume nach seinen Vorstellungen gestalten konnte.

Schließlich finanzierte die Wasserburger Wohnungsbaugenossenschaft das Haus, das barrierefrei gebaut wurde und über einen Aufzug verfügt. Das Grundstück hat die Stadt Ebersberg zum Preis für Einheimischenbauland zur Verfügung gestellt - und es ist den Bewohnern gelungen, zwei mit öffentlichen Mitteln geförderte Wohnungen mit einzubeziehen. Für die anderen liegt der Quadratmeterpreis Hans Vollhardt zufolge bei 10,50 Euro. Darüber hinaus, so Reinhard August, gab es vom Sozialministerium einen Zuschuss für die Küche im Gemeinschaftsraum. Hier wird nun jeden Mittwoch an der Kochinsel gemeinsam gekocht und an einer langen Tafel zusammen gespeist. "Dazu haben wir uns vertraglich verpflichtet", so August. Der Raum wird aber auch für Familienfeiern genutzt, wollen die Enkel der Bewohner - inzwischen 27 an der Zahl - mal bei Oma und Opa übernachten, steht eine Schlafcouch zur Verfügung. Doris Tauber-Vollhardt empfängt hier außerdem einen Literaturkreis, im Gemeinschaftshobbykeller gibt sie Gymnastikunterricht. Und zwei Mal die Woche kommen Syrer zum Deutschunterricht in das Haus Salwe.

Ebenfalls vertraglich versichert haben sich die Salwe-Bewohner die gegenseitige Unterstützung im Krankheitsfall. "Über einen gewissen Zeitraum können wir das sicher leisten", sagt Hans Vollhardt. Bei Pflegebedürftigkeit müsse man allerdings einen Dienst von außen beauftragen.

Die SPD-Frauen waren schlichtweg begeistert und versicherten, ihre Eindrücke mit in ihre Landkreise und Kommunen zu nehmen. Doris Rauscher, die auch Stadträtin in Ebersberg ist, kündigte ein zweites Wohnprojekt im Baugebiet an, dass Richtung Gass verwirklicht werden soll. Schließlich sei an dieser Stelle auch die Infrastruktur hervorragend: Ärzte, Einkaufsmöglichkeiten, Natur. "Nur der Friedhof ist ein bisschen weit weg", scherzte Vollhardt, "aber das ist auch gut so".

© SZ vom 22.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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