Ebersberg:Bürokratie, die

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Bei der VHS Grafing-Ebersberg hat die Nachfrage nach Deutschkursen stark zugenommen - und zu neuen Herausforderungen geführt

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Sprachen zu lernen macht viel Arbeit, dass dies nicht nur für die Schüler gilt, darum ging es nun auf der Mitgliederversammlung des Fördervereins der VHS in Ebersberg. Sibylle Opatz, Leiterin des Fachbereiches Deutsch, schilderte die Entwicklung der vergangenen Jahre im Bereich "Deutsch für Ausländer". Dieser ist deutlich gewachsen, was vor allem an den gestiegenen Flüchtlingszahlen des vorvergangenen Jahres liegt.

Bereits seit 2005 arbeiten die Volkshochschulen bei der Integration von Einwanderern mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zusammen und bieten sogenannte Integrationskurse an. Ein Kurs besteht aus insgesamt 700 Stunden, davon entfallen 100 Stunden auf den Orientierungskurs, in dem die Teilnehmer etwa in Kultur, Geschichte und Rechtskunde unterrichtet werden. Den Hauptteil macht aber der Sprachkurs aus, dieser besteht aus sechs Modulen zu je 100 Unterrichtsstunden. Je nach Status des Kursteilnehmers werden die Gebühren ganz oder teilweise vom Bundesamt übernommen.

In den ersten Jahren gab es an der VHS meist 15 solcher Module pro Jahr, erklärte Opatz, im Jahr 2013 waren es bereits 28 mit insgesamt 428 vom BAMF geförderten Teilnehmern. Im vergangenen Jahr gab es an der VHS 63 Module, 1039 Teilnehmer mit BAMF-Förderung sowie 682 weitere, die nicht vom Bundesamt unterstützt wurden. Bis etwa vor zwei Jahren waren die meisten Besucher eines VHS-Deutschkurses Europäer, sagte Opatz, 60 Prozent aller Kursteilnehmer kamen aus der EU. Die übrigen Deutsch-Schüler waren zumeist in Asien oder Amerika geboren. Inzwischen hat der Anteil der Schüler aus Syrien und dem Irak stark zugenommen, auch aus Eritrea und Somalia stammen viele Kursteilnehmer.

Was sich aber auch stark geändert habe, so Opatz, ist die Zunahme der Bürokratie und des Verwaltungsaufwandes bei den Deutschkursen. Das beginnt schon bei der Anmeldung, diese ist nämlich nur persönlich möglich, daher gibt es inzwischen an jedem Dienstag einen Anmeldetag für die Deutschkurse. Auch um die Kosten - immerhin 2730 Euro pro Kurs - vom Bundesamt erstattet zu bekommen, ist erheblicher Aufwand nötig. Denn das Amt zahlt nicht pro Kurs, sondern pro Unterrichtsstunde, daher muss jeder Teilnehmer jedes Mal auf einer Liste unterschreiben, dass er auch tatsächlich da war. Damit aber nicht genug, auch die Art der Unterstützung vom BAMF kann stark variieren, so Opatz, "wir haben teilweise pro Kurs fünf verschiedene Tarife abzurechnen". Denn die Kostenbeteiligung pro Modul wurde in den vergangenen Jahren schrittweise von 100 auf 195 Euro angehoben. Je nachdem, wann ein Antrag auf einen Deutschkurs bewilligt wurde, zahlt ein Teilnehmer eben den höheren oder niedrigeren Satz. Manche sind von den Gebühren auch ganz befreit, etwa wenn sie von der Ausländerbehörde zur Teilnahme verpflichtet wurden. All dies müssten die Kursleiter neben ihrer eigenen Arbeit dokumentieren und abrechnen, "das ist Tütenkleber-Arbeit". Viel Unterstützung bei dem ganzen Papierkram kam von den Helferkreisen, lobte Opatz, etwa bei den Antragstellungen, Nachweisen und vielem mehr.

Neben dem bürokratischen Überbau hätten sich auch die Kurse verändert: "Die Heterogenität ist größer geworden", genau wie die Zahl der Teilnehmer pro Kurs, teilweise bis zu 22. Und konnten diese früher zumeist Englisch, ist derzeit am Anfang manchmal eine "Verständigung mit Händen und Füßen" nötig, so Opatz. Ebenfalls eine Herausforderung für die Kursleiter sei, "dass Menschen in Kriegsgebieten oft nicht regelmäßig zur Schule gehen", auch psychische Belastungen wie Traumata oder nächtliche Unruhe in den großen Unterkünften "spielt alles in die Kurse rein."

Alles in allem seien die Deutschkurse aber eine Erfolgsgeschichte, betonte Opatz. Einerseits finanziell, auch wenn man gelegentlich "mit dem BAMF um Kostenübernahmen streiten" müsse, sei die Gesamtbilanz positiv, es gebe sogar einen Überschuss - den man allerdings wieder mit dem gestiegenen Verwaltungsaufwand gegenrechnen müsse. Vor allem aber freut man sich bei der VHS über die Leistungen der Kursteilnehmer. Die allermeisten hätten nämlich nicht nur sehr gut bei ihren Prüfungen abgeschnitten, sondern sich auch soziale Kontakte über die Kurse aufbauen können.

Die VHS habe quasi, "die Arbeit der Ämter übernommen", kommentierte der Vorsitzende des Fördervereins, Paul Broß, den Bericht aus dem Fachbereich, der "großen Respekt und alle Achtung", verdiene, "die VHS steht bei der Integration an vorderster Front".

© SZ vom 22.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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