Ebersberger Skulpturenpfad:Bruchlandung im Forst

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Sturm Niklas hat einige Kunstwerke am Skulpturenpfad beschädigt und Bäume, die als Stützpfeiler dienten, umgeworfen. Auch Dresslers "Ikarus" ist abgestürzt.

Von Rita Baedeker, Ebersberg

An alles hatte der findige Daedalus bei der Konstruktion seines Fluggeräts gedacht. Er hatte Federn verschiedener Größe sorgsam zusammengefügt und mit Wachs verklebt. Er hatte seinen Sohn Ikarus davor gewarnt, im Steigflug der Sonne zu nahe zu kommen. Half alles nichts. Ikarus hörte nicht auf ihn, das Wachs schmolz, er stürzte ins Meer und gilt seither als Sinnbild für Hochmut und Hybris.

Einen Sturm wie Niklas hatte Daedalus nicht auf dem Schirm. Dieser führte jetzt zu einem erneuten Absturz. Betroffen ist das "Ikarus" genannte Werk des Moosacher Bildhauers Otto Dressler im Ebersberger Forst. Seine an zwei dicken Drahtseilen zwischen Baumstämmen montierte Plastik hängt nur noch an einem Pfeiler, eine Flügelspitze berührt den Waldboden. Den zweiten Baum hat eine Bö umgeworfen, nur der in viele Stücke zerborstene Stumpf steht noch, eine von vielen Wunden, die der Sturm dem Wald zugefügt hat. Noch immer liegen Stämme und Kronen kreuz und quer auf dem zerwühlten Boden. In den Rückegassen haben die Reifen der Harvester tiefe Gräben ausgehoben. Dressler, der 2006 starb, hatte den antiken Mythos in eine eindrucksvolle Formensprache übersetzt, mit Flügeln aus Metall und einer Puppe, die, gefangen in einem Käfig aus Größenwahn, ins sichere Verderben gleitet. Nachdem der Haushalt des Künstlers in Moosach aufgelöst war, wurde die Plastik zum Bestandteil des im Oktober 2012 eröffneten Skulpturenpfads im Ebersberger Forst, der vor einem Jahr um mehrere Arbeiten, unter anderem jener von Dressler, erweitert wurde. Nun stellt sich die Frage, ob man für den glücklosen Flieger einen neuen Platz am Weg findet oder er, angesichts möglicher weiterer Stürme, doch wieder in den sicheren Hangar muss.

Bis vergangenen Montag war der zweite Teil des Weges, wo Ikarus seinen Platz hat, mit einem weiß-roten Band gesperrt. "Dieser Sturm war tückisch", sagt Joachim Kessler, stellvertretender Leiter des Forstamtes Wasserburg, zur Begründung. Der Sturm habe sich die Schwachen geholt und aber viele der Fichten angeschubst. "Da konnte jederzeit noch ein Baum umfallen und auf den Weg stürzen." Der Bildhauer Franz Wörle, Initiator des Skulpturenpfads, bestätigt Kesslers Befund: "Da war ein Stamm, der stand unter Spannung wie eine Feder. Wenn man da draufklopfte, sang er wie eine Saite." Seit Montag, so Kessler, sei die Gefahr gebannt. Die Wackelkandidaten wurden entfernt. In den Tagen nach dem Sturm habe man jedoch zunächst Straßen, Wege und Brunnen frei räumen und andere Schäden beheben müssen. So sei bei der Sauschütt Hohenlinden aufgrund eines vom Sturm zerstörten Zauns das Damwild ausgebrochen, auf den Pavillon sei ein Baum gestürzt. "All das müssen wir in Ordnung bringen."

Der Ikarus ist auch nicht das einzige Sturmopfer. Auch das zwischen Buchenstämmen gespannte Bild "Der Taucher" von Ingrid Wieser-Kil hat gelitten. Die Befestigung ist nicht mehr stabil. "Wir müssen die Leinwand in die richtige Lage bringen", sagt Kessler. "Das ist jedoch schwierig. Mit einer Hebebühne kommen wir nicht dran. Und mit der Leiter geht es auch nicht, denn niemand kann sich gleichzeitig festhalten und das Bild festzurren."

Einfacher dürfte die Reparatur an anderer Stelle sein, da wo die von Peter Pohl geschaffenen Riesenkäfer einen Baumstamm hoch krabbeln. Die Insektenpanzern nachempfundenen Objekte aus schillerndem Acrylglas hat es zum Teil ebenfalls erwischt, von manch exotischem Käfer sind nur Scherben übrig.

"Im Moment wissen wir nicht, ob wir das wieder aufbauen", sagt Kessler. Bis etwa Mitte Juni sollen die Schäden behoben sein. Ikarus, immerhin, blieb unversehrt.

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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