Ebersberg:Berührende Handarbeit

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Mit den Händen arbeiten, das berührt psychisch kranke Menschen. (Foto: Hinz-Rosin)

In den Werkstätten erfahren psychisch Kranke wieder, wie es ist, Sinnvolles zu schaffen

Von Alexandra Leuthner, Ebersberg

Die kleinen Täfelchen aus Ton entsprechen in Form und Größe jenen Namensschildern, die Menschen aus der wichtigen Welt manchmal am Anzug tragen. Auf den kleinen Täfelchen aber, die in der Werkstatt im Haus der Sozialen Dienste übereinander an die beiden Seitenteile eines Holzregals gesteckt sind - auf den Brettern dazwischen Farbdosen, Pinsel und andere Malutensilien - stehen keine Vor- und Zunamen, sondern klingende Bezeichnungen für die Farben, in denen sie glasiert sind: Efeugrün und Apfeleffekt. Kobaltblau. Mauritius, Minze oder Riff. Die Namen wecken bildhafte Assoziationen, die Täfelchen kann man anfassen und beides tut den Menschen, die hier an jedem Vormittag zusammen arbeiten, gut. Es berührt sie, in vieler Hinsicht.

Vielleicht hat der eine oder andere von ihnen selbst einmal ein Namensschild getragen, war erfolgreich in einem Beruf. Aber das ist weit weg. Manch einer der Klienten, die alle oben im Haus untergebracht sind, fühlt sich heute schon erfolgreich, wenn er Papier in kleine Schnitzel zerreißt, oder fertig gebrannte Werkstücke aus dem Brennofen räumt. "Es geht für sie darum, wieder zu erfahren, dass wirklich jedes Glied in der Kette wichtig ist", erklärt Caren Mai. Sie ist Leiterin der Holzwerkstatt, wo die Klienten der Dorfstraße in den Vormittagsstunden Spielzeug herstellen, oder auch praktische Hochstühle, in denen kleine Kinder zum Beispiel am Herd stehen können, so dass sie sehen, wie es im Topf brodelt, aber doch sicher genug sind, um nicht in Gefahr zu geraten. Die Stühle sind Einzelstücke, so wie alles, was hier in der Werkstatt entsteht. Ein Klient ist ehemaliger Schreiner, er kümmert sich um Arbeitsschritte wie Sägen oder Schleifen, ein anderer entwirft die Werkstücke am Papier. Und wer gut mit dem Pinsel umgehen kann, so wie Erich Hofmann, übernimmt es schließlich, braune Tupfen auf Holzgiraffen oder auch rote Backen auf einen Riesenclown aus Pappmaschee zu malen. "Jedes Werkstück ist das Ergebnis der Arbeit Aller", erklärt Mai, und das ist wichtig für die Identifikation. Denn für die Klienten gehört es zur Therapie, an den Werkstattgruppen teilzunehmen, etwas Sinnvolles zu tun zu haben. "Es ist doch so, dass wir uns meist über unseren Beruf definieren, wenn das wegfällt, wird es schwierig", sagt Geschäftsführerin Barbara Portenlänger-Braunisch. Deshalb werden die Werkstücke auch verkauft, im kleinen Laden am Hof oder auf Heimwerker- oder Weihnachtsmärkten.

Eins zu zwölf ist der Betreuungsschlüssel in den Werkstattgruppen. Soweit möglich können sich die Klienten aussuchen, ob sie lieber mit Holz, Keramik oder Papier arbeiten wollen, "wir versuchen für jeden etwas zu finden, für das er brennt", sagt Portenlänger-Braunisch. "Und wir setzen uns am Ende zusammen und beraten gemeinsam darüber, für welchen Betrag wir ein Stück verkaufen", erzählt Mai. Das Verkaufen übernehmen ebenfalls Klienten", berichtet der Leiter der Werkstätten, Jasper Pieffers. Wenn sie sich dazu bereit fühlen. Hinauszugehen, plötzlich mit unbekannten Menschen umgehen zu müssen, sich auf unerwartete Situationen einstellen, das fällt schwer, wenn einer schon das ganze Gefolge seiner Ängste im Gepäck hat, mit dem er ständig klar kommen muss.

© SZ vom 12.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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