Ebersberg:Baum soll bleiben

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Diese Linde steht auf einem der letzten unbebauten Grundstücke in der Heinrich-Marschner-Straße. Nun sollen dort zwei Mehrfamilienhäuser entstehen. (Foto: Christian Endt)

Um eine alte Linde zu erhalten, zeigt der Vaterstettener Bauausschuss ungewohnte Einigkeit und empfiehlt einem Bauwerber, seine Mehrfamilienhäuser entgegen dem Bebauungsplan zu errichten

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Pflanzen, so wird zumindest von manchem behauptet, sind der Stimmung und der zwischenmenschlichen Harmonie zuträglich. Zumindest im Vaterstettener Bauausschuss scheint diese Theorie zu stimmen. Dank eines Baumes, der nicht einmal persönlich anwesend sein musste, kamen die Gemeinderäte nun zu einer einstimmigen Übereinkunft zu einem Thema, bei dem ansonsten im Gremium schon mal gerne die Fetzen fliegen. Konkret ging es um eine Befreiung, also eine Ausnahme, vom Bebauungsplan. Wird eine solche von einem Bauwerber beantragt, läuft in Vaterstetten die folgende Beratung nach einem fest ritualisierten Muster ab. Zunächst erläutert die Verwaltung, warum die beantragte Befreiung ausnahmsweise zu gestatten ist. Meist geht es dabei um eine bessere Nutzbarkeit des Grundstücks und noch viel öfter darum, dass sämtlichen Nachbarn ähnliche Befreiungen längst erteilt wurden. Darauf folgt mit einiger Sicherheit die Gegenrede aus den Reihen von FBU und Freien Wählern. Diese fordern, die Befreiung zu versagen, schließlich habe man sich nicht die Mühe gemacht, einen Bebauungsplan aufzustellen, wenn trotzdem jeder bauen darf, wie er will.

Diesmal wichen die Gemeinderäte allerdings von diesem vielfach geübten Schema ab. Der Grund ist ein Baum, genauer eine alte Linde, auf einem Grundstück in der Heinrich-Marschner-Straße. Dieses soll mit zwei Mehrfamilienhäusern bebaut werden, und das auch noch völlig im Einklang mit dem geltenden Bebauungsplan. Da dieser aber vorsieht, dass Gebäude nur im rückwärtigen Teil der Grundstücke errichtet werden dürfen, hätte das zur Folge, dass die Linde im Weg steht und umgesägt werden müsste.

Dagegen regte sich im Ausschuss allerdings Widerstand. Die Fraktionen von SPD und Grünen forderten einen Erhalt der Linde, denn der große Baum sei ortsbildprägend und einer der letzten in der Gegend. Unterstützung kam aus der CSU, Stefan Huber sprach sich ebenfalls für einen Erhalt der Linde aus. Dies sei auch durchaus möglich, wenn man das Haus mehr in Richtung Straße versetze und die an der Straßenseite geplanten Parkplätze in eine Tiefgarage verlege. Der Ausschuss solle daher den Tagesordnungspunkt absetzen und den Bauwerber zu einer Bauberatung einladen, wo man ihm die Vorschläge des Gremiums unterbreiten könne.

"Damit tun wir uns wirklich schwer", befand Harald Mayerthaler vom Bauamt, denn würde man dem Bauwerber dies empfehlen, empfehle man ihm gleichzeitig, gegen die Auflagen des Bebauungsplanes zu planen, er müsste also um eine Befreiung ansuchen. Eine solche dann zu erteilen, könnte durchaus ein Problem werden, sagte Zweiter Bürgermeister Martin Wagner (CSU), "da gibt es ja dann ständig Aufsichtsbeschwerden." Bauamtsleiterin Brigitte Littke zeigte sich zwar grundsätzlich bereit, den Bauwerber entsprechend zu beraten, "ich hätte allerdings gerne die Zusage, dass dann keine Dienstaufsichtsbeschwerde kommt." Darauf solle man es ruhig ankommen lassen, forderte Dritter Bürgermeister Günter Lenz (SPD), "ich sehe nicht ein, dass wir unsere Beschlüsse von einem Einzigen abhängig machen, der die Gemeinde nicht voranbringen will."

Gemünzt waren all diese Bemerkungen der Bauamtsleiterin und der beiden Bürgermeister auf den FBU/AfD-Gemeinderat Manfred Schmidt. Der hatte sich in der Vergangenheit als Spezialist für solche Aufsichtsbeschwerden hervorgetan, die zwar wenig erfolgreich, aber deren Bearbeitung für die Verwaltung durchaus arbeitsreich waren. Im Fall der Lindenrettung durch Bebauungsplan-Befreiung plane er allerdings keine solche Beschwerde einzureichen, erklärte Schmidt.

Ohne Gegenstimmen beschloss das Gremium schließlich, den Bauantrag von der Tagesordnung zu nehmen und dem Bauwerber eine Verschiebung der Häuser von der Linde weg zu empfehlen. Ob der darauf eingehen wird, steht allerdings auf einem anderen Blatt.

© SZ vom 18.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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