Ebersberg:Ausgebremst

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Prozess gegen Lokführer wegen Überschreitung des Tempolimits erneut vertagt

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Zügig wie die Eisenbahn soll er unterwegs gewesen sein, ein Lokomotivführer, der im vergangenen Juli mit seinem Meridian zwischen Rosenheim und München unterwegs war. Und zwar so zügig, dass sein Zug nahe Aßling automatisch stoppte - das Sicherheitssystem hatte eine Geschwindigkeitsübertretung ausgemacht. Aufgrund des abrupten Halts flog ein Gepäckstück durch den Zug und einer Passagierin an den Kopf. Für die Staatsanwaltschaft war damit der Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung sowie der Gefährdung des Bahnverkehrs erfüllt, sie erwirkte einen Strafbefehl in Höhe von 2700 Euro gegen den Lokführer. Zu Unrecht wie dieser befand und Einspruch einlegte.

Am ersten Verhandlungstag vor zwei Wochen kam das Amtsgericht zu keinem Ergebnis. Der Angeklagte hatte auf das Betriebshandbuch verwiesen, das für auf den betreffenden Streckenabschnitt ein Tempolimit von 160 ausweise. Er sei zum Zeitpunkt der automatischen Vollbremsung gerade einmal 152 Kilometer in der Stunde schnell gewesen. Ob dies zutreffend sei und warum das Notfallsystem trotzdem auslöste, sollte im zweiten Verhandlungstag von einem Experten der Deutschen Bahn erläutert werden. Doch dem ging es ein wenig wie dem Zug des Angeklagten: er wurde ausgebremst.

Zunächst erklärte der Fachmann ausführlich, wie das Notbremssystem bei Zügen funktioniert. So gebe es auf dem betreffenden Streckenabschnitt einen magnetischen Sensor, der die Geschwindigkeit der Züge feststellt und bei zu hohem Tempo eine sogenannte Zwangsbetriebsbremsung auslöst. Dass im Handbuch des Lokführers an der Stelle, wo sich dieser Messpunkt befindet, theoretisch noch Tempo 160 gelte, sei zwar richtig, erst etwa 350 Meter weiter beginnt der Abschnitt mit dem Tempolimit auf 120. Dennoch sollte man an dieser Stelle deutlich langsamer fahren: "Ein Zug ist eine gewisse Masse in Bewegung und braucht eine gewisse Zeit, um zu bremsen."

Genau da liege der Schwachpunkt des automatischen Bremssystems, so der Verteidiger, es lege einen zu langen Bremsweg zugrunde. Der Advokat argumentierte, sein Mandant hätte den Zug problemlos innerhalb von 350 Metern auf die dann geltende Geschwindigkeit von 120 abbremsen können. Aber dann wahrscheinlich so hart, dass trotzdem Passagiere und Gepäckstücke durch den Zug geflogen wären, entgegnete der Staatsanwalt, womit zumindest der Vorwurf der Gefährdung und wahrscheinlich auch der Körperverletzung weiter gälten. Er bot aber an, das Verfahren gegen 1500 Euro Geldauflage einzustellen. Bei 500 Euro könne man darüber reden, so der Verteidiger, aber ohnehin sei eine "ruppige Bremsung" auf 120 keinesfalls eine Sorgfaltsverletzung des Lokführers, schon gar keine strafbare. Schließlich werde auch "nicht jedesmal wenn jemand im Bus umfällt" der Fahrer angeklagt. Um zu klären, ob der Angeklagte rechtzeitig hätte bremsen können, wurde die Verhandlung erneut für zwei Wochen unterbrochen. Bis dahin soll der Experte den Bremsweg des Zuges berechnen.

© SZ vom 14.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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