Ebersberg:Ausflug ins Gestern

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Nicht nur optisch erinnern Ernst Molden und der Nino aus Wien an die 1980er Jahre, auch musikalisch geht es in die Vergangenheit. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nino und Ernst huldigen den Klassikern des Austropop

Von Alexandra Leuthner, Ebersberg

Vielleicht warf ja das unglückliche Ausscheiden der deutschen Fußballer bei der EM seine Schatten voraus. Hatte man doch den Beginn des Konzerts mit dem großartigen Liedermacher Ernst Molden und seinem 20 Jahre jüngeren kongenialen Partner, dem Nino aus Wien, extra um eine Stunde vorverlegt, des Fußballs wegen. "Seid's recht nervös, so kurz vor dem Schicksalsspiel?", fragte Molden sein Publikum etwas maliziös, nachdem er zuvor - und die Vermutung, dass er den Fußball meinte, liegt nahe - darauf hingewiesen hatte, dass er und der Nino als österreichische Landsleute ja keine Angst mehr vor dem Schicksal hätten.

Vielleicht lag es aber auch daran, dass die beiden Wiener kurz nach Ulm, ihrer vorherigen Konzertstation, mit dem ICE hängen geblieben waren und sich ein Leihauto hatten nehmen müssen, dass der Funke zum Ebersberger Publikum nicht so recht überspringen wollte. Dabei ist nicht so ganz klar, ob Ninos in die Hand gestützte Stirn oder seine verschränkten Arme demonstrative Unlust ausdrücken sollten, oder aber genereller Ausdruck des misanthropischen Fadisierens sind, das die Musik der legitimen Nachfolger von Ambros und Danzer so schaurig schön macht.

Dem Musikgenuss im Übrigen taten die widrigen Äußerlichkeiten keinen Abbruch. Mit ihrem gemeinsamen Album "Unser Österreich", auf dem Molden und der Nino nicht nur Ambros und Danzer, sondern auch weiteren Größen der österreichischen Liedermacher - und Popgeschichte ihre Referenz erweisen, haben sie längst die österreichischen Indie-Charts geentert. Und wenn man ihnen zuhörte, wie sie Danzers längst dahin geschieden geglaubten Tschick zweistimmig wiederbelebten, dann fragte man sich durchaus, warum der Danzersche "Mistkübelstierer" immer noch davon überzeugt ist, dass ihn "koaner retten" kann. Gerettet haben Molden und der Nino aus Wien definitiv die Tradition des echten Wiener Schmähs im Wiener Lied und haben ihm mit Mundharmonika und Bluesgitarre zugleich einen neuen und unverwechselbaren Ausdruck verliehen.

Mit seiner sentimentalen Reibeisenstimme, die manchmal nach STS, manchmal nach Ambros oder Tom Waits aber immer nach Molden klingt, schafft es der 48-jährige Liedermacher und Schriftsteller an die Oberfläche wirklich jeder Seele zu rühren. Es sind wohlige Schmerzen, die seine Stimme und seine Worte auslösten, und die würden auch nicht vergehen, wenn er dem wienerischen Dreivierteltakt im schönsten C-Dur huldigte. Tut er allerdings selten, und so versinken seine eigenen Lieder wie "Blaue Augn, rode Hoa" fast noch tiefer im Blues als das Remake von Sigi Marons "Die Spur von dein nokatn Fuass im Saund" oder Falcos Drogenhymne "Ganz Wien". Letztere hätten sie von einem bandlastigen Pop-Song in ein tiefes Blues-Tuning a la Skip James umgeschrieben, erzählt Molden, und das sei jetzt so traurig geworden, dass sie es immer nur am Ende ihrer Zugaben spielen könnten, "weil, aufwärts geht's danach nimmer."

Denkt wohl auch der 1987 geborene Nino aus Wien, dessen immer ein wenig näselnde Stimme sich, vor allem wenn er spricht, dahinschleppt, als hätte sie ihren letzten Gang gerade vor sich. Der selige Falco hätte vermutlich seine Freude an ihm, und mit seinem bisher größten Hit, "Du Oasch" setzt er ein ironisches Fragezeichen hinter den Wert wahrer Liebe und wahrer Freundschaft. So wie sich das bei ihm anhört, kann man alles beides auch gleich sein lassen und sich lieber ins "Espresso" setzen und darauf warten, "dass si vielleicht wos tuat", weil, wie er in seinem "Winter im April" singt, "heute ist das gestern zu spät."

© SZ vom 11.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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