Ebersberg:"Am ehesten habe ich die Nahrungsmittel im Verdacht"

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Will das Trinkwasser auf PSM untersuchen lassen: Hermann Büchner. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Hermann Büchner, Chef des Gesundheitsamtes, über die Wege, auf denen das Totalherbizid vom Menschen aufgenommen werden kann

Interview von Anja Blum, Ebersberg

Der oberste Wächter über das körperliche Wohlergehen der Menschen im Landkreis ist, wenn man so will, Hermann Büchner, Leiter des Ebersberger Gesundheitsamtes. Seine Behörde ist zum Beispiel Ansprechpartner bei Seuchen und für die Qualität des Trinkwassers zuständig. Dieses wiederum könnte eine der Ursachen für die Glyphosatbelastung sein, die nun durch Analysen von Urinproben durch den Bund Naturschutz (BN) nachgewiesen wurde. Die Ebersberger SZ hat mit dem Doktor darüber gesprochen.

SZ: Herr Büchner, wurde im Trinkwasser des Landkreises bislang Glyphosat gefunden?

Hermann Büchner: Nein. Zumindest wurden uns keine entsprechenden Befunde von den Versorgern übermittelt. Allerdings weiß ich nicht, ob überhaupt nach Glyphosat gesucht wurde. Vermutlich nicht. Zumal das labortechnisch gar nicht so einfach ist . . .

Ist Glyphosat denn überhaupt ein Thema in Ihrem Haus?

Ja, durchaus, wir sind da beim Trinkwasser schon länger dran. Das Problem ist nämlich, dass per Gesetz die Versorger selbst dafür verantwortlich sind, ihr Wasser auf PSM, also Pflanzenschutzmittel, zu untersuchen. Und zwar immer auf jene Sorten, die in ihrem Wassereinzugsgebiet wahrscheinlich sind. Das aber führt zu einer gewissen Unsicherheit bei den Versorgern, weil sie häufig nicht wissen, welche Kulturen welche Behandlungen mit PSM wahrscheinlich machen. Das heißt, sie wissen teils gar nicht, nach was sie eigentlich suchen sollen.

Und da will das Gesundheitsamt nun Abhilfe schaffen?

Ja, genau. Wir haben im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Wasserwirtschaftsamt Rosenheim Erhebungen durchgeführt über die Kulturen, die in den Einzugsgebieten angebaut werden. Mit diesen Erkenntnissen erarbeiten wir gerade eine Art Arbeitshilfe, eine Kartei, die den Kulturen jeweils die gängigen PSM zuordnet: Anhand dieser können wir dann den Versorger mitteilen, auf was sie untersuchen müssen.

Ist das dann ein Muss?

Erst mal versuchen wir das auf freiwilliger Basis, die Versorger sind da schon vernünftig. Aber wenn das nicht funktioniert, könnte ich natürlich auch eine Anordnung erlassen.

Wird Glyphosat unter den PSM sein?

Ja, auf jeden Fall, schließlich ist dieses Mittel sehr weit verbreitet. Bei Getreide zum Beispiel ist es immer aufgelistet.

Wann wird diese neue Arbeitshilfe fertig und in Gebrauch sein?

Ich hoffe noch im Herbst 2016. Das ist einfach sehr viel Arbeit, derzeit läuft zum Beispiel eine Abfrage bei den Laboren, auf welche PSM sie überhaupt untersuchen können. Und generell gilt: Wir haben schlicht nicht genügend Personal für alle unsere Aufgaben.

Der BN hat nun den Urin von 15 Personen aus dem Landkreis auf Glyphosat untersuchen lassen. Alle Proben waren positiv. Überrascht Sie dieser Befund?

Nein. Glyphosat ist ein zugelassenes Herbizid, das heißt, dass Rückstände in gewisser Höhe in Futter- und Lebensmitteln erlaubt sind.

Finden Sie das richtig?

Das kann ich nicht beurteilen, ich bin kein Toxikologe. Weltgesundheitsorganisation, Bundesamt für Risikobewertung - jeder sagt etwas anderes. Und ich stehe, wie wohl die allermeisten, ratlos dazwischen.

Was denken Sie, wie dieses Gift in die Körper der Ebersberger gelangt ist?

Ich glaube, dass das über mehrere Pfade geschieht. Am ehesten habe ich Nahrungsmittel im Verdacht, da Glyphosat teils noch kurz vor der Ernte aufgebracht wird. Insofern halte ich es für bedenklich, dass Futter- und Lebensmittel nicht darauf untersucht werden. Dass das Trinkwasser hier eine große Rolle spielt, glaube ich hingegen eher nicht, da die Untersuchungen des Grundwassers durch das Landesamt für Umwelt bislang unauffällig waren.

Was würden Sie unternehmen, wenn die erweiterten Trinkwasseranalysen etwas anderes beweisen, sprich, sich Glyphosat nachweisen lässt?

Wie gesagt: Gewisse Rückstände sind erlaubt.

Und was würde passieren, wenn der Grenzwert überschritten wäre?

Dazu muss man erst einmal sagen, dass dieser sehr niedrig ist. Ist er überschritten, darf der Versorger sein Wasser nur noch mit einer Ausnahmegenehmigung ausgeben - wenn er Maßnahmen zur Reduktion der Werte ergreift. Die Genehmigung gilt dann für drei Jahre.

Manche Bürger glauben auch, dass von Badeseen Gefahr ausgeht . . .

Diese Sorge teile ich nicht. Hier wären PSM so verdünnt, dass das Baden nicht gefährlich ist. Dabei trinkt man das Wasser schließlich nicht oder nur in ganz minimalen Mengen.

© SZ vom 27.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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