"Don Quijote" als Hörspiel:Leseprofis treffen Möchtegern-Ritter

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Bei einem Workshop in der Gemeindebücherei Markt Schwaben lernen Kinder, wie man eine Geschichte aufnimmt

Von Franziska Spiecker, Markt Schwaben

"Stell dir vor, du bist ein Vogel und siehst die Häuser von Markt Schwaben von oben", beginnt Birgit Obermaier ihren Hörspiel-Workshop in der Gemeindebücherei Markt Schwaben. Acht Paar Kinderohren lauschen ihr gespannt. "Dann fliegst du noch ein bisschen höher und schaust auf Deutschland", fährt die Hörspielproduzentin fort und hält ein aufgeklapptes Buch mit Europalandkarte in die Runde. "Ganz schön klein", ruft ein Mädchen erstaunt, bevor der Vogel weiterfliegt: von Deutschland über Frankreich bis nach Spanien.

Dort, das erklärt Obermaier, die inmitten eines Sitzkreises sechs- bis elfjähriger Kinder hockt, wohnt die Hauptfigur eines Hörspiels: Don Quichotte. Der etwa 50-Jährige Junker habe so viele Ritterbücher gelesen, dass er beschloss: "Jetzt werde ich selbst Ritter!" Die Kinder stellen sich vor, wie die Leute wohl gucken würden, wenn sie selbst in einer Rüstung durch Markt Schwaben reiten würden - das Gelächter ist groß. Zwei von ihnen kennen den spanischen Klassiker schon, aber nur ein Junge meldet sich auf die Frage, wer denn schon mal ein Hörspiel aufgenommen habe.

Obermaier zeigt den Kinder also das Mikro, die elfjährige Aileen sucht auf einem Globus Spanien, und dann geht's los: "Es war einmal in Europa". Zur Einstimmung sprechen zunächst alle Kinder einen Satz in das Mikrofon, den die Hörspielproduzentin ihnen zuvor vorliest. Die Kinder strahlen, auch wenn sie ihre Sätze in der ersten Runde noch ein bisschen leise und schüchtern nachsprechen. Dann werden die Rollen verteilt: Don Quichotte, der auf der Suche nach Abenteuer und Gefahr alles, was ihm begegnet, passend zum Rittertum interpretiert. Der Wirt, den er für einen Kastellan hält und um seinen Ritterschlag bittet. Der Bauer, Sancho Panza, den er kurzerhand zu seinem Stallmeister ernennt. Haushälterin, Kellnerin, Polizist, Eseltreiber, Gast und natürliche eine Erzählerin.

Kaum sind die Kinder in ihren Rollen, ist von Scham nicht mehr viel zu spüren. Und wenn doch einmal eine Stelle zu vorsichtig, zu hoch oder tief klingt, steht ihnen Obermaier schnell mit Tipps zur Seite: "Schau deine Leute an, sprich mit ihnen", empfiehlt sie einem kleinen Jungen, der ein wenig lauter sprechen soll. "Versuche tiefer zu sprechen, du hast eine Männerrolle", sagt sie an ein Mädchen gewandt, das den Stallmeister Sancho Panza spielt. Und dem kleinen Don Quichotte, kurz davor Ritter zu werden, rät sie zum Schauspiel: "Fall auf die Knie, wenn du um deinen Ritterschlag flehst."

Die Kinder machen begeistert mit. Sind sie nicht dran, hören sie gebannt zu. Auch gelacht wird zwischendurch immer wieder, etwa als Don Quichotte in seinem Ritterwahn Windmühlen für Riesen hält oder als der sechsjährige Adrian voller Inbrunst auf Bairisch brüllt: "Jetzt saga mal, spinn ich?" Nachdem Don Quichotte zu seinem Unverständnis verhaftet wurde und das Stück zu Ende ist, klatschen die Kinder. Ein bisschen mehr als eine Stunde haben sie gebraucht, um ihr Hörspiel aufzunehmen, das sie sich eine Woche später zusammengeschnitten in der Gemeindebücherei abholen können. "Das war cool", ruft der neunjährige Tim, der den Don Quichotte spielen durfte. "Das möchte ich auf jeden Fall noch einmal machen."

Und auch die Hörspielproduzentin Birgit Obermaier ist sichtlich zufrieden. "Don Quichotte" sei ein tolles Stück. 2016 wurde ihre mit einer Grundschulklasse erarbeitete Hörspielversion bereits mit dem Schulradiopreis der Bayrischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) ausgezeichnet. Mehr als 200 Hörspiele hat sie bereits mit Kindern aufgenommen. Auf die Frage nach dem Warum antwortet sie: "Weil Kinder echt kreativ sind." Und weil Hörspiele unglaublich viel schulen würden: "Die Konzentration, die Sprachentwicklung, mutig zu sein, Gemeinschaft".

Und Gemeinschaft, das hat der Flug des Vogels von Markt Schwaben nach Spanien gezeigt, wurde bei dem Workshop sogar in größerem Kontext gefördert, ganz getreu dem Motto der Wochen der Büchereien: "Wir in Europa".

© SZ vom 09.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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