Doku-Film:Experiment mit roten Nasen

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Andreas Schantz von den "Clowns ohne Grenzen" stellt den Film "Happy Welcome" vor. Am Mittwoch ist die Dokumentation über Auftritte in Asylunterkünften im Alten Kino zu sehen

Von Anja Blum, Grafing

Nur wenige Menschen sind gekommen, jedenfalls sehr viel weniger, als das Grafinger Kino fassen könnte. Vor allem Männer sind Mangelware - die übermächtige Konkurrenz heißt Fußball. Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, ist die Stimmung hervorragend. Es wird gescherzt, gelacht, keiner hat es eilig, man kennt sich und ist einer Meinung. Auf dem Programm steht schließlich ein Film, den man sich nicht einfach so ansieht, der eine klare Aussage hat: "Happy Welcome" heißt das Werk, in dessen Mittelpunkt die "Clowns ohne Grenzen" stehen. Einer von ihnen, Andreas Schantz, ein Ebersberger im Berliner Exil, ist an diesem Abend im Capitol dabei, die Sängerin Nirit Sommerfeld aus Grafing hat ihn eingeladen, ein Publikumsgespräch zu führen.

"Happy Welcome" ist eine hoch professionelle Mischung aus Roadmovie und Dokumentation, ihre Grundlage eine Tournee: Regisseur Walter Steffen und sein Team haben die Clowns ohne Grenzen, die normalerweise in den Krisengebieten der Welt unterwegs sind, im Sommer 2015 auf einer Reise quer durch Deutschland begleitet - von Flüchtlingsheim zu Flüchtlingsheim. In einer Woche besuchte die Truppe acht Erstaufnahmeeinrichtungen, von Bayern über Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen bis Baden-Württemberg. "Das Programm aus Ortswechseln und Auftritten ist schon handfest", sagt Schantz auf Nachfrage, aber da niemand eine Gage erhalte, müsse sich der zeitliche Aufwand eben in Grenzen halten.

Der Film zeigt die außergewöhnliche Arbeit der Clowns, aber auch vieles mehr: die Trostlosigkeit der Lager, hoffnungsvolle Begegnungen am Rande, Interviews mit engagierten Helfern in den Unterkünften, von Flüchtlingskindern Gemaltes sowie Zahlen und Fakten rund um das Thema Migration. Ein Werk, das nachdenklich macht, berührt und, wenn man sich darauf einlassen mag, Hoffnung weckt. Die Hoffnung etwa, dass Freude und Humor als universelle Sprache funktionieren - nicht nur bei den Clowns ohne Grenzen.

Die Künstler mit den roten Nasen haben extra für die Flüchtlinge in Deutschland ein Programm erarbeitet: Es geht ganz direkt auf deren Erfahrungswelt ein. Ohne viele Worte und mit einfachsten Mitteln spiegeln die Clowns, wie es ist, wenn man Angst hat vor dem Unbekannten, wenn man auf engstem Raum mit Menschen lebt, die eine andere Sprache sprechen und fremde Gewohnheiten haben, wenn man nicht schlafen kann, weil im Traum wieder Schüsse fallen. Ein kleines Stück Plastikrasen wird dann zur persönlichen Scholle, ein paar Tüten beinhalten das halbe Leben, ein Topfdeckel bietet Schutz vor allem möglichen Unbill. Doch geht es nicht nur um Abwehr, manche Szenen machen auch klar, dass es gilt, Konflikte mit Humor zu lösen. Als sich etwa zwei der Clowns um ein paar Bälle streiten, wird am Ende eine fulminante Doppel-Jonglage daraus.

Für seine Truppe waren diese Auftritte ein Experiment, wie Schantz erzählt. "Wir wussten selbst nicht, wie die Menschen reagieren werden, aber ich glaube, es ist sehr gut angekommen." Im Film sieht man oft gebannte Blicke, aber auch viele fröhliche Gesichter. Zumal sich die Clowns nicht nur auf die Flüchtlingsthematik fokussieren, sondern auch ihr klassisches Repertoire aus Komik und Musik im Gepäck haben. So wird gemeinsam gesungen und gelacht, während schimmernde Seifenblasen durch den Äther wabern.

Ein ganz wunderbares Bild hat der Regisseur für den Schluss gefunden: Hier artet das obligatorische Nasenanmalen aus in eine kollektive Orgie in Rot. Zuschauer, Clowns, alle liegen sich gelöst in den Armen, geben die Farbe - sowie ihre Freude - Backe an Backe weiter, sind am Ende verschmiert, aber glücklich.

An diesem Mittwoch, 19. April, ist "Happy Welcome" im Alten Kino in Ebersberg zu sehen. Beginn um 20 Uhr, Einlass eine Stunde vorher.

© SZ vom 19.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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