Die Sorgen der Gastronomen:Sperrstunde

Lesezeit: 3 min

In einer emotionalen Rede vor Kollegen und Politikern warnt Adi Warta vom Forsthaus Hubertus vor einem Wirtshaussterben

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Adi Warta hält einen Moment inne und seufzt ins Mikrofon. "Tut mir leid, wenn ich jetzt ein bisschen emotional werde", sagt er. Dann setzt er seine Rede fort, tigert wieder im Saal auf und ab, fuchtelt dabei wild mit den Armen. Man merkt, dass ihm das Thema, über das er an diesem Abend spricht, sehr nahe geht. Der 55-Jährige ist Wirt aus Leidenschaft. Seit 30 Jahren ist die Gastronomie sein Leben. Hier in der Ebersberger Alm stehe er deshalb stellvertretend für alle kleinen Wirte, um über das Sterben der Dorfwirtshäuser zu sprechen. Und wenn man Adi Warta den Abend über so zuhört, bekommt man das Gefühl vermittelt, dass vielerorts die letzte Salbung kurz bevorsteht.

Warta weiß wovon er spricht. Der Chef vom Forsthaus St. Hubertus ist nebenbei Mitglied des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) im Kreis Ebersberg. Und in dieser Funktion wendet er sich in seiner Rede an die etwa 50 Kollegen, vor allem aber an die Politiker im Publikum. Zu seinem Vortrag hatte Warta die Landtagsabgeordneten Doris Rauscher (SPD), Thomas Huber (CSU), Nikolaus Kraus (Freie Wähler) sowie Ebersbergs Bürgermeister und stellvertretenden Landrat, Walter Brilmayer (CSU), eingeladen. Aufklären wolle er über den Ist-Zustand der Wirtshäuser in Bayern. "Das soll heute Abend kein Gejammer werden", kündigt er zu Beginn an. In der etwa zweistündigen Rede gelingt ihm das aber nicht immer.

"Jetzt gehts ans Eingemachte", sagt Adi Warta. Er spielt darauf an, dass immer mehr Gaststätten ihre Öffnungszeiten reduzieren oder sogar ganz zusperren müssen. 500 von etwa 2000 Gemeinden in Bayern hätten schon heute kein Dorfwirtshaus mehr. Warum das so ist, macht Warta an verschiedenen Punkten fest. Als erstes führt er das allgemeine Ungleichgewicht der Branche ins Feld. 40 000 gastronomische Betriebe gebe es insgesamt in Deutschland. Nur 39 davon würden allerdings 42 Prozent vom Gesamtumsatz unter sich aufteilen. "Die Großen werden immer größer und für die Kleinen bleibt nichts mehr übrig", sagt Warta. Besonders gegen die internationalen Fast-Food- und Hotelketten habe man als selbständiger Wirt nicht den Hauch einer Chance. "Diese Ketten sind uns meilenweit voraus, vor allem was den Einkauf und die Arbeitsstruktur angeht."

Dass der Dorfwirt nicht mit McDonald's und Co wetteifern kann, ist verständlich. Warta spricht aber auch über die Konkurrenz im Ort - und meint damit die Vereinsheime. "Die stellen vor allem auf dem Land eine echte Gefahr für uns dar." Mit den dort angebotenen Preisen könnten Wirte einfach nicht mitgehen. Warta plädiert in diesem Punkt deshalb für ein "leben und leben lassen" im Dorf. Aber auch die Politik nimmt er in die Pflicht: "Da muss man anpacken, auch wenn im Vereinsheim natürlich die Wähler sitzen." Die geplante Erhöhung des Steuerfreibetrags für Vereine von 35 000 auf 45 000 Euro sei allerdings ein "fatales Signal".

Gastwirt Adi Warta. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Es ist aber nicht nur die Konkurrenz, die nach Wartas Ausführungen, das Geschäft tötet, sondern auch der - wie er es nennt - "Dokumentationswahnsinn". Grund allen Übels sieht der Wirt in den Lebensmittelskandalen der vergangenen Jahre. "Die haben nicht wir, sondern die Lebensmittelindustrie verursacht", poltert er los. Drunter zu leiden hätten aber die kleinen Betriebe. Als Beispiel erzählt Warta seine Lieblingsgeschichte vom Obazdn. Der ist geografisch geschützt und darf deshalb nur nach einer bestimmten Rezeptur zubereitet werden. Zwischen 70 und 100 Euro kostet dem Hubertus-Wirt zufolge die Genehmigung für ein Jahr. Das sei vielen Gastronomen aber zu teuer, weshalb sie ihrem Obazdn lieber einen Fantasienamen geben würden. Das wiederum komme aber bei den Gästen nicht gut an. Warta seufzt. "Es ist der komplette Irrsinn." Applaus im Saal.

Auch die Kennzeichnungspflicht für Allergene ist Warta auf seinem Streifzug zu den Ursachen des Wirtshaussterbens ein Dorn im Auge. "Früher hat halt der Gast gefragt, was im Essen drin ist. So einfach war das." Heute müsse man alles haargenau in der Karte vermerken. Eine "Kastration der Wirte" sei das.

Der Grund, weshalb er und seine Kollegen jetzt aber endgültig "die Schnauze voll haben", sei aber das Arbeitszeitgesetz. Demnach sind Wirte verpflichtet, die Stunden ihrer Mitarbeiter genau zu dokumentieren. Das sei ja grundsätzlich auch so in Ordnung, sagt Warta. Wenn es aber dazu führe, dass Leute, die gerne arbeiten wollen, nicht mehr dürfen, "dann ist das langsam nicht mehr lustig". Die "bürokratische Schlinge um den Hals" verhindere inzwischen, dass der Wirt seiner eigentlichen Arbeit nachgehen kann, "und zwar Wirt zu sein." 13 Stunden brauche man dem Gastronom zufolge in der Woche, um alle Dokumentationen zu erfüllen. "Das kann's doch nicht sein."

Wenn nicht bald ein Umdenken stattfinde, sehe er schwarz für die Zukunft der Dorfwirtschaften. Für die anwesenden Politiker hatte Warta deshalb drei Forderung im Gepäck: Die Mehrwertsteuer solle für Gaststätten von derzeit 19 auf sieben Prozent gesenkt, der Bürokratiewahnsinn beendet und überhaupt die ganz Thematik in die Öffentlichkeit getragen werden. Ob die Botschaft angekommen ist, bleibt abzuwarten. Sein Publikum im Festsaal der Ebersberger Alm hat Adi Warta jedenfalls erreicht. Schon während der Rede wurde lautstark diskutiert, es gab Applaus und zustimmende Zwischenrufe. Nur einmal war es an diesem Abend komplett still. Ganz zum Schluss, als Warta den Zuhörern eine letzte Frage stellte: "Hätte von Ihnen jetzt noch jemand Lust, Wirt zu werden?"

© SZ vom 24.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: