Deutsch-Französische Beziehungsprobleme:Es war mal besser

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FDP-Kreisrat Alexander Müller, Klaus Meyer von der Europa Union, Adalbert Mischlewski, Initiator der Partnerschaft zwischen Grafing und St. Marcellin, Grünen-Kreisrat Reinhard Oellerer und Hans Stark vom Institut IFRI (von links) sprechen bei der VHS-Vaterstetten über Frankreich, Deutschland und Europa. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Beim Themenabend "Frankreich, Deutschland - und Europa?" skizzieren die Gäste der Vaterstettener Volkshochschule ein Auseinanderdriften der beiden Nachbarn

Von Thorsten Rienth, Vaterstetten

Es sind die starken, weil einprägsamen Bilder, die von langen Abenden hängen bleiben. Also griff Hans Stark, Professor für zeitgenössische deutsche Landeskunde an der Universität Paris-Sorbonne, am Montagabend zum Mikrofon und sagte: "Ich komme aus Frankreich, bin aber Deutscher." Und wer wollte, der konnte in Starks Begrüßungssätzen schon so etwas wie den Ansatz eines französischen Akzents heraushören. So, wie er sich wohl entwickelt, wenn ein Deutscher nach dem Abitur sechs Sprachkurswochen in Frankreich plant - und dann bleibt.

Helmut Ertel, der Geschäftsführer der Vaterstettener VHS, hatte also in Stark einen ausgewiesenen Kenner der deutsch-französischen Beziehungen eingeladen. Was freilich gut passte, lautete die Klammer des Abends doch "Frankreich, Deutschland - und Europa?"

In seinem Vortrag dockte der Professor daran eine Dauerbrenner-Frage der europäischen Politikwissenschaft: "Was ist da eigentlich gerade los zwischen den beiden Ländern?" Als Antwort umriss Stark einen eher durchwachsenen Status Quo. "Das Glas ist eher halb leer, als halb voll." Denn - bei aller guten Zusammenarbeit und guter Freundschaft - unterm Strich hätten sich die beiden Länder seit dem Ende des Kalten Krieges spürbar auseinanderentwickelt.

Einmal gelte das für die geopolitische Orientierung. "Frankreich schaut immer mehr in Richtung Afrika, vor allem, um dort die Ursachen der Migration zu bekämpfen." Deutschland drehe seinen außenpolitischen Fokus dagegen in Richtung Osten. Die "zurzeit etwas unangenehme Außenpolitik Russlands" sei da sicherlich einer der Gründe. Außerdem: "Frankreich hätte gerne ein stärkeres Europa, Deutschland ist da reserviert."

Beim Vergleich der wirtschaftlichen Entwicklung sehe es auch nicht besser aus. Beinahe ausnahmslos hätte Frankreich in den vergangenen Jahren mit seiner Haushaltspolitik die Maastricht-Kriterien verfehlt. "Deutschland baut schon seit einigen Jahren die Schulden ab."

Den Vorwurf richtet Stark aber ausdrücklich nicht nur an Frankreich. Auch Deutschland müsse sein Verhalten selbstkritisch reflektieren. "Der Haushaltsüberschuss des Landes ist deutlich über dem, was der Vertrag von Lissabon eigentlich erlaubt", erklärte der Professor. Das sei kaum besser. "Damit tragen wir zur Ungleichheit zwischen Deutschland und Frankreich - und überhaupt zur Ungleichheit in Europa - gehörig mit bei." Stark sah darin eine unterschätzte Gefahr für den ganzen Kontinent. "Diese Ungleichheit wird die Bindungswirkung der Union angreifen."

Starks ökonomische Perspektive wolle er nicht anzweifeln, sagte Grünen-Kreisrat und früherer Gymnasiallehrer Reinhard Oellerer in der anschließenden Podiumsdiskussion. "Vielleicht kommt ein Teil der Krise auch daher, dass Europa und die Freundschaft zwischen den beiden Ländern so selbstverständlich geworden ist, dass sie gar nicht mehr richtig geschätzt wird", sagte er. "Den Eindruck habe ich jedenfalls bei meinen Schülern oft gehabt." Das müsse Warnung sein. "Die jungen Leute sind die Zukunft, darin dürften wir uns ja alle einig sein."

Wie sich die Zusammenarbeit der beiden Länder denn fördern ließe, wollte Moderator Ertel schließlich vom Grafinger Ehrenbürger Adalbert Mischlewski wissen? Auf den heute 99-Jährigen geht die Städtepartnerschaft zwischen Grafing und St. Marcellin zurück.

Hauptsache sei doch, dass sich die Deutschen und Franzosen erst einmal richtig kennenlernten. "Französische Literatur, Musik oder Filme" - in den größeren Ortschaften gäbe es doch einiges an Möglichkeiten für Veranstaltungen. "Wenn die regelmäßig stattfinden und gut gemacht werden, dann finden die doch bei den Leuten auch Zuspruch."

Die Basis von alldem sei aber die Sprache. "Wenn die deutschen Jugendlichen immer seltener Französisch lernen wollen, dann ist das doch der Punkt, an dem man ansetzen müsste", sagte Mischlewski. "Vielleicht hilft es, das Lernen aus der sterilen Schulatmosphäre herauszunehmen." Das könne man doch, zumindest bei den älteren Jugendlichen, auch mal beim Glas Wein versuchen.

Letztendlich seien Leute nötig, sagte Frankreichkenner und FDP-Kreisrat Alexander Müller, die sich bietende Gelegenheiten beherzt ergriffen. "Der Udo Helmholz zum Beispiel", zeigte Müller, heute Anfang 60, auf den im Publikum sitzenden früheren Grafinger Französischlehrer. "Der hat uns als spätpubertierende Jugendliche einfach in Richtung Frankreich eingepackt. Und die Constanze und der Thierry, die sich nur deshalb kennengelernt haben, die sind heute noch zusammen."

© SZ vom 23.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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