Der Sport im Ort:Beim TSV Zorneding sitzt man jetzt wie in der Allianz-Arena

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Fast wie im großen Stadion: Jens Blau, Michael Jäger, Walter Hommelsen und Hans Reiser sitzen schon mal Probe für das erste Heimspiel der ersten Herrenmannschaft im September. (Foto: Christian Endt)

Zum Aufstieg in die Kreisliga hat der Klub 300 Sitze aus dem Münchner Stadion erstanden. Ermöglicht hat das ein alter FC-Bayern-Rivale.

Von Viktoria Spinrad, Zorneding

Einer der Sitze will nicht ganz so wie er soll. Blass-grau wie er ist, bleibt er einfach auf halber Höhe hängen, anstatt zurück zu federn geht er in Sitzstreik. Nun, schließlich ist er ein anderes Ambiente gewöhnt, war doch Zeuge einer Weltmeisterschaft, eines Champions League-Finales, unzähliger Bundesligapartien. Walter Hommelsen, Brille, Karohemd pirscht sich jetzt heran und hilft mit einer Handbewegung nach. Mit einem "dong" schließt sich die Reihe wieder, ein perfektes Bild von grauen Sitzschüsseln in Reih und Glied - und fast ein bisschen Champions League-Atmosphäre im Zornedinger Sportpark.

Seit einem Monat schmücken 280 Sitze aus der Allianz-Arena die Tribüne des Achtligisten TSV Zorneding. "Wir wollten eben ein Alleinstellungsmerkmal", sagt Michael Jäger, 52. Der Zorneding TV-Gründer und Vorstand des Fußball-Fördervereins macht es sich auf einer der grauen Schüsseln gemütlich. Dass sie gebraucht sind, zeigen die vielen Aufkleber. Sie bringen Geschichten mit in den Sportpark. Geschichten von Fanwut ("Tod und Hass dem TSV"), von Engagement ("St. Pauli-Fans gegen Rechts") oder von Enttäuschung über die Vermarktung des Sports ("gegen den modernen Fußball"). Sie erzählen von denjenigen, die auf ihnen saßen, von der "Alkohol Front Eggenstein" etwa, oder vom FVE - wo auch immer der her ist, vom "Klessheimer Stammtisch".

Die Sonne meint es gut mit dem Zornedinger Sportpark an diesem Morgen. Ein Greenkeeper beharkt das Stadiongras, an der Seitenlinie wurschtelt einer an einer Bude herum. Hommelsen und Jäger haben es sich auf der neuen Champions-League-Tribüne gemütlich gemacht und schwärmen von dem Coup, mit dem sie die Sitze nach Zorneding bringen konnten.

Unser Autorin beim Probesitzen im Zornedinger Stadion. (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Dann kommt eine dritte Stimme dazu. "Grüß dich, Ostgote!", ruft Jäger schelmisch. Jens Blau, der "Quälix" des Vereins, kommt über die Wiese geschlendert. Passend zum Namen trägt er ein blaues Trikot. Er stammt aus Leipzig und hat seinen Anteil daran, dass die 1. Herrenmannschaft des TSV zum zweiten Mal in der fast 100-jährigen Geschichte des Vereins den Aufstieg in die Kreisliga erkämpft hat.

Dank den Löwen, die nicht mehr in der Höhle der Bayern spielen

Der Fitmacher steht für die zunehmende Professionalisierung des Vereins. Seit der vergangenen Saison gibt es mit Jäger einen schlagfertigen Stadionsprecher, neue Sponsoren, ein Spielplatz ist neben dem Spielfeldrand geplant - und dann sind da natürlich die neuen Stadionsitze, mit Traktor und Anhänger aus der Stadt herbeigeschafft.

"Die sind der Wahnsinn", resümiert Blau in feinstem Sächsisch. Wenn mit den neuen Sitzen noch mehr Zuschauer kommen, soll natürlich auch die Leistung seiner Jungs vor heimischem Publikum passen. Sein Rezept für Zornedinger Spieler-Wadln? "Da lass ich mir nicht in die Karten gucken", sagt er, verrät aber zumindest, wo die Stärken seiner Kicker liegen: Die seien "schnell, flexibel" - nur mit der Trainingsdisziplin hapere es noch ein bisschen.

Dass sie die grauen Sitze aus der Allianz-Arena übernehmen konnten, haben die Zornedinger eigentlich den Löwen zu verdanken, die nicht mehr in der Höhle der Bayern spielen. Die vereinsneutralen grauen Sitzschüsseln waren so manchem FCB-Fan schon lang ein Dorn im Auge, und nun konnte der Deutsche Meister umrüsten, die Arena zur Bayern-Festung ausbauen. Die roten und weißen Sitze bilden von der kommenden Saison an passenderweise den Schriftzug "mia san mia".

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Report von Viktoria Spinrad

In Zorneding wurde man hellhörig. "Eigentlich waren die Sitze für die Dauerkarten-Inhaber bestimmt", erzählt Hommelsen. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Er schickte einen Verhandler ins Spiel, dann die Zusage: 300 Sitze à zwölf Euro, und die 15 Jahre alte Zornedinger Tribüne mit ihren Holzsitzen konnte aufgepeppt werden. Der Förderverein streckte das Geld vor, später übernahmen lokale Firmen die Zeche. Mit zehn Mann, einem Traktor und einem Anhänger fuhren die Männer in den Münchner Norden - und holten sich ein Stück Fußballgeschichte in die 10 000-Einwohner Gemeinde.

Jäger deutet auf die eingravierten Sitznummern. "Wir konnten die leider nicht ordnen", sagt er. Also folgt auf die 21 die 13, dann die 27, dann die 17 - "vielleicht kriegen wir das noch rausgeschliffen." Hinzukommen sollen Plaketten mit den eingravierten Namen der Dauerkartenbesitzer, die sich mit einer Jahreskarte ihre privaten Champions League-Schüssel sichern sollen. Nur nicht den einen in der Mitte, "der is' vom Mayr!", also Zornedings Bürgermeister.

Jetzt kommt noch einer über den Platz geschlendert. Der Greenkeeper. "Und Schwammerl pflücken tust auch!", ruft ihm einer entgegen. Es ist Hans Reiser, der Besitzer des Soccergolf-Platzes und früherer 2. Leiter der Fußball-Abteilung des TSV. "Habt's ihr meine Sitze schon reserviert?", will er wissen. Ihr Feuertaufe haben die Sitze beim ersten Heimspiel am ersten Septemberwochenende gegen den SV Anzing. Spätestens dann wird sich auch der störrische Sitz in der ersten Reihe dem Druck der Öffentlichkeit beugen müssen. Damit das mit der großen Atmosphäre auch im Fußball-Outback funktioniert.

© SZ vom 28.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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