Der Sport im Ort:Die Powerfrau

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Die Kämmerin: Brigitte Keller hat als Finanzmanagerin des Landkreises mit Millionen zu tun, als Stadionsprecherin des TSV Egmating geht es über ein 4:1 oder ein 2:3 selten hinaus. (Foto: Christian Endt)

Brigitte Keller, Finanzmanagerin des Landratsamts, verbringt ihre Freizeit gerne auf dem Fußballplatz in Egmating. Als Stadionsprecherin ist sie in eine Männerdomäne eingedrungen

Von Alexandra Leuthner, Egmating

Brigitte Keller ist eine unglaublich neugierige Frau. Sagt sie von sich selbst. Neugierig ist sie vor allem auf neue Herausforderungen - und darauf, ob sie ihrer Herr werden kann. Dass sie dabei als Frau in so manche Männerdomäne einbricht, hat sie noch nie abgehalten. Im Job nicht und auch nicht auf dem Fußballplatz, wo sie mit Vorliebe das Wochenende verbringt - nicht erst, seit sie Stadionsprecherin des TSV Egmating geworden ist.

Für Überraschungen war Brigitte Keller immer schon gut. So hat sie mit 35 Jahren beschlossen, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. Ihr Sohn war längst geboren, sie arbeitete als Schreibkraft. Und beschloss, Betriebswirtschaft zu studieren. Heute sitzt sie als Finanzmanagerin an einer der zentralen Schaltstellen des Landratsamts Ebersberg. Und als wäre das nicht Herausforderung genug, hat sie auch noch den kaufmännischen Vorsitz des vor zwei Jahren gegründeten Landkreis-Wohnbauunternehmens übernommen. Sie ist jetzt viel unterwegs im Landkreis, wirbt unermüdlich für das Bündnis, das sich als Ziel gesetzt hat, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Doch dann trifft man die Frau, die gerne mal Kreisräten Millionenbeträge um die Ohren haut, in Egmating auf dem Fußballplatz. In grauem Sweatshirt, einen Vereinsschal um den Hals und eine Sonnenbrille in die Haare geschoben, steht sie hinter einer fast mannshohen Verstärkeranlage und beobachtet ein Fußballspiel der Heimmannschaft. Das Mikrofon in der Hand hat sie ausgeschaltet. Während das Spiel läuft, hat sie kaum zu tun. Es sei denn, die "Buam" schießen ein Tor, dann zieht sie die Musik hoch und brüllt den Torschützen ins Mikro.

Ein paar Fans aus dem Verein sitzen in ihrer Nähe, das ein oder andere Getränk findet seinen Abnehmer, ein paar Meter weiter stänkern Fans der Gäste gegen den Schiedsrichter. Die Gastmannschaft kommt heute aus Haar, ein Vorrunden-5:0 gegen die Kicker aus dem Nachbarlandkreis soll ausgebügelt werden - und Kellers Sohn Georg, mittlerweile knapp 26, ist mit auf dem Platz. Seine Mutter ist zuversichtlich, "die Erste hat heut' schon gewonnen, 4:1", berichtet sie. Das Spiel der ersten Herrenmannschaft hat sie natürlich ebenfalls als Sprecherin begleitet. Der Sieg ist im Kasten, "die werden wohl aufsteigen."

Seit Sohn Georg in der E-Jugend gespielt hat, steht Brigitte Keller am Wochenende auf dem Fußballplatz, "früher allerdings auf der überdachten Tribüne gegenüber, auf der Sonnenseite, "da bin ich noch ein bisschen braun geworden dabei." Jetzt hat sie dafür ein Dach über dem Kopf, wenn es mal nicht so schön sonnig ist wie an diesem Samstagnachmittag. Aber schließlich soll die Soundanlage, die sie vor sich stehen hat, trocken bleiben, damit die Egmatinger Hymne - geschrieben von den Fußballern selbst - nicht absäuft, wenn Keller sie zum Einlaufen und zur Verabschiedung der Spieler in ihren CD-Player schiebt. Fällt ein Tor für die Heimmannschaft, reagiert die Stadionsprecherin, die hier alle nur Gitti nennen, mit dem Abspielen eines Wolfsgebrülls - der Wolf ist das Wappentier des TSV - und dem "Song 2" der britischen Kultband "Blur".

Dazu hat sie an diesem Tag aber keine Gelegenheit, die Egmatinger finden keinen Weg mehr zum Kasten der Gegner aus dem Nachbarlandkreis, der Schiedsrichter zieht dafür die rote Karte für einen Spieler aus Haar. Die Gästefans murren lauter, ein paar Beschimpfungen fliegen, und Gitti Keller schüttelt unwillig den Kopf. "Das muss jetzt aber nicht sein." Nicht, dass sie rüde Töne nicht gewöhnt wäre.

Sieben oder acht Jahre, "so genau weiß ich das nicht mehr", sei es her, dass der TSV einen neuen Sprecher für das Hans-Heiler-Stadion gesucht hat. Da habe sie gefragt, ob sich da auch Frauen bewerben dürften. "Und schon hab' ich den Job gehabt." Daneben kümmert sie sich um Spielberichte für die Stadionzeitung, "und wenn's passt, mache ich auch schon mal eine Pressekonferenz." Offenbar zur vollen Zufriedenheit des TSV. "Die Gitti, die ist unser Kraftpaket", sagt ein Vereinskamerad. Dabei sei sie vereinsmäßig viel stärker in Glonn verwurzelt, erzählt Keller, war aktiv im dortigen Schützenverein. Zu Hause ist sie allerdings im winzigen Egmatinger Ortsteil Lindach, wohnt dort mit ihrem Mann - dem ihre Fußballleidenschaft offenbar nicht gegen den Strich geht, jedenfalls fast nicht. Im Gegensatz zu seiner Frau ist er Löwenfan. "Ich aber war mit meinem Vater schon immer bei den Bayernspielen", erzählt sie, "das prägt."

Am liebsten sieht sie Nachbarschaftsderbys daheim im Egmatinger Stadion, "wenn es gegen Oberpframmern geht, da will man auf keinen Fall verlieren", sagt sie und richtet ihren Blick wieder aufs Spielfeld, wo die Gastmannschaft inzwischen das Ausgleichstor geschossen hat. So ganz zufrieden kann sie nicht sein mit ihren Jungs, "wenn es eins zu eins steht, muss man ein bisschen mehr Gas geben". Wird aber nichts mehr an diesem Samstag. Der Schiri hebt die Pfeife für den Schlusspfiff, die Spieler klatschen ab, die Gästefans haben sich auch wieder beruhigt. Gitti Keller nimmt die CD aus dem Schub und legt sich den Schal um die Schultern. Ihre Arbeit ist für diesen Sonntag beendet, der Nachmittag fast vorbei.

Warum sie das macht? Schließlich hätte sie auch die Sonne im heimischen Garten genießen können. "Naja, ich bin halt nicht so richtig gut im Nein sagen", scherzt sie. Dann überlegt sie kurz und fügt hinzu. "Nein, eigentlich sind das hier meine Entspannungsstunden. Ich liebe es, unter Leuten zu sein, und das kann ich hier."

© SZ vom 22.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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