Der Sport im Ort:Die Macht der weißen Kugel

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Thomas Deuter ist einer der versiertesten Poolbillardspieler im Landkreis Ebersberg. Sein Heimspielort: eine Gaststätte in Markt Schwaben. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der PBC College Markt Schwaben ist der einzige Poolbillard-Verein im Landkreis Ebersberg. Trainer und Kapitän Thomas Deuter spielt dort seit 25 Jahren. Für enge Partien hat er ein Geheimrezept - und einen Edelfan

Von Jonas Wengert, Markt Schwaben

Er müsse nur noch kurz eine Aufgabe kontrollieren, sagt Thomas Deuter. Die Mathe-Hausaufgaben von Sohn Emil liegen auf einem der Tische im Billard-Café College. Auch Tochter Ella wuselt durch das Lokal und klettert auf einen Barhocker - bis Papa Thomas die beiden bittet, einigen Gästen ihre Getränke zu bringen. "Ich habe auch schon einen Billardtisch", verkündet Ella stolz, als sie zurück kommt. Für die Standardtische fehlen der Sechsjährigen freilich noch ein paar Zentimeter, trotzdem trainiert sie mit ihrem Bruder auf einem Kinder-Billardtisch.

Die Gaststätte in Markt Schwaben ist ein zentraler Ort im Leben von Thomas Deuter. Der Hauptgrund dafür ist seine sportliche Leidenschaft: das Pool-Billard. Ein Haufen kunterbunter Kugeln aus Phenolharz, jeweils gut 57 Millimeter im Durchmesser groß und 170 Gramm schwer. Bis zu 15 Billardbälle liegen auf dem Tisch verteilt. Sie müssen mithilfe eines Stocks, genannt Queue, gezielt in die sechs sogenannten Taschen gelocht werden. Vier von ihnen befinden sich an den Ecken des Tischs, zwei weitere mittig an den Längsseiten.

Zu den ganzen bunten Kugeln gesellt sich stets eine weitere, ganz in weiß. Sie übt die größte Faszination auf Thomas Deuter aus. Queue (gesprochen "Kö") trifft auf Weiß, Weiß trifft auf Bunt, Bunt fällt ins Loch - im Idealfall. Bei dieser Abfolge gehe es vor allem um die Fähigkeit, den weißen Spielball "zu beherrschen". Das mache den Unterschied aus zwischen "einem Kugelschubser und einem Billardspieler", sagt Deuter und lacht. Er erzählt von Stellungsspiel und Kontrolle. Eine anvisierte farbige Kugel zu versenken sei toll, die Kunst aber ist es, gleichzeitig die weiße in eine gute Position für den nächsten Stoß zu bringen - und das wieder und wieder. "Billard ist wie Schach. Viele Züge müssen im Vorfeld geplant werden, nur dass die Bewegung der Schachfiguren auf dem Brett doch einfacher zu kontrollieren ist, als das Rollen einer Kugel", erklärt der 48-Jährige.

Deuter ist Trainer und Kapitän der ersten Mannschaft des PBC College Markt Schwaben. Zur neuen Saison ist das Team in die Landesliga Oberbayern aufgestiegen. Am ersten Spieltag vor zwei Wochen trennte man sich nach zehn hart umkämpften Einzel- und Doppelpartien gegen Mitaufsteiger BV Rosenheim 2 unentschieden. Mit der letzten Kugel im letzten Duell sicherte Deuter seiner Mannschaft noch das 5:5. Im Ligabetrieb messen sich die Spieler in verschiedenen Spielarten. Je nach Typ ändert sich die Anzahl der Kugeln und es gelten andere Regeln. So muss beispielsweise bei der wohl bekanntesten Variante 8-Ball vor jedem Stoß genau angesagt werden, welche Kugel in welchem Loch landen soll, wohingegen beim 10-Ball entscheidend ist, die Reihenfolge entsprechend der aufsteigenden Nummern auf den Bällen, einzuhalten.

Trainiert wird jeden Dienstagabend. Ein Billardtisch steht in der Mitte des Raumes im Erdgeschoss. Die Spielfläche ist mit einem strahlend blauen Tuch überzogen, zentral darüber von der Decke hängend sorgt eine Lampe für gutes Licht. Die Spieler stehen mit ihren Spielstöcken in den Händen rund um den Tisch und beobachten das Geschehen. Sie erinnern ein wenig an Jünger, die sich um einen Altar herum eingefunden haben. Die Kugeln knallen so laut aufeinander, dass man erschrickt, wenn man nicht damit rechnet. Im Keller stehen vier weitere Tische.

Ein Leben ohne Billard kann sich Thomas Deuter kaum vorstellen. "Das Lokal hat früher meinem Vater gehört. Hier wurde schon immer Pool gespielt, mir wurde das quasi in die Wiege gelegt." Dieses Jahr wird er für 25 Jahre Vorstandsarbeit beim PBC geehrt. Seine Liebe zum Sport spiegelt sich in der Einrichtung wieder. Eine Uhr mit nummerierten Kugeln anstelle der Zahlen an der Wand. Neben einem Fenster hängt ein gerahmtes Plakat von "Die Farbe des Geldes" aus dem Jahr 1984. Der Film mit Paul Newman und Tom Cruise in den Hauptrollen handelt - wie sollte es anders sein - von zwei Poolbillardspielern, die um Geld zocken und dabei ihre Gegner mit raffinierten Tricks sprichwörtlich über den Billardtisch ziehen. Newman gewann für seine Darbietung einen Oscar.

Zurück in der Anzinger Straße in Markt Schwaben. Neben Kicker und Dartscheibe sind die in die Wand eingelassenen Regale bis obenhin mit Spielen wie "Die Siedler von Catan", "Backgammon" oder "Monopoly" gefüllt. Einmal im Monat organisiert Deuter einen Spielenachmittag.

Sein Herz gehört aber dem Billardspiel. Dabei gibt er sein Wissen außerhalb des Vereins weiter. Seit zehn Jahren gibt Deuter Kurse für Anfänger und Fortgeschrittene an der Volkshochschule. Auch eine Schulmeisterschaft mit Wanderpokal hat Deuter in Markt Schwaben schon organisiert. Los geht's mit korrekter Fußstellung und richtigem Armschwung. Deuter lacht über die Billard-Apps am Handy: "Der Computer macht ja ganz automatisch einen geraden Stoß. Dabei ist das am allerschwierigsten". Erst wer den geradlinigen Lauf der weißen Kugel perfekt beherrsche, könne an anderen Dingen wie Effet oder Stellungsspiel arbeiten.

Warum er nach all den Jahren noch so fasziniert von Billard ist? Die Mischung aus Koordination und Kopfsport. "Es gibt einfach kein Ende, sondern immer neue Herausforderungen", schwärmt Deuter. Einen perfekten Satz spielen und alle nötigen Kugeln nacheinander versenken, dann einen weiteren, den Gegner überhaupt nicht an den Tisch kommen lassen - man könne sich immer weiter verbessern, erklärt er mit einem Lächeln. Und wenn es mal nicht läuft, ist Tochter Ella als Edelfan zur Stelle. Gegen Rosenheim gab es wie immer ein Glücksbussi, legales Doping quasi. Und auch für den Gegner hatte sie vor der Begegnung eine Botschaft parat. Sie wisse schon wer gewinnt. "Der Papa, der ist nämlich der Beste."

© SZ vom 29.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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