Der Ferienreporter:Von großen und kleinen Zügen

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Jugendgruppe der Vaterstettener Eisenbahnfreunde gestaltet Güterwaggon zu Gedenkstätte um

Von Johanna Feckl, Vaterstetten

Über eine schmale Treppe am Ende des Versicherungsbüros von Ernst Stegmeier gelangt man hinab in einen geräumigen Kellerraum. An den Wänden sind ringsum Regale angebracht, die vom Boden bis an die hohe Zimmerdecke reichen. Sie beherbergen Eisenbahnschienen, Lokomotiven, Waggons, Bäume, Häuser, Kirchtürme, Kieselsteine - alles in Miniaturausgaben. Durch die Mitte des Raumes zieht sich ein langer weißer Tisch mit Modellbahn-Modulen. Manche von ihnen sind schon mit allerlei Sammelsurien aus den Regalen bebaut.

Ernst Stegmeier ist seit mehr als 40 Jahren begeisterter Modellbauer und Eisenbahnfreund, jetzt will er die Freude am Hobby weitergeben. (Foto: Christian Endt)

Alle zwei Wochen, jeden Donnerstag, kommen die rund 30 Kinder und Jugendlichen des Vereins Eisenbahnfreunde in Vaterstetten in drei verschiedenen Gruppen zu unterschiedlichen Zeiten in den Baukeller und frönen ihrem Hobby: dem Modellbahnbau. In den Sommerferien können sie sogar schon von 13 Uhr an im Keller von Stegmeier, dem Vereinsvorsitzenden, basteln. Die Förderung der Jungen ist Stegmeier, der selbst schon seit mehr als 40 Jahren als begeisterter Modellbauer werkelt, sehr wichtig. "Die meisten Vereine im Modellbahnbau sind überaltert", sagt er. "Man muss etwas tun für den Nachwuchs und den Kindern und Jugendlichen auch etwas zutrauen." Bei den Vaterstettener Eisenbahnfreunden haben die Jungen deshalb möglichst freie Hand. Und zwar ganz ohne Druck und ohne Zwang, wie Stegmeier betont: "Jeder kann sein Modul so gestalten, wie er es sich vorstellt." Der Spaß solle bei all der konzentrierten und filigranen Bastelei schließlich auch nicht zu kurz kommen. "Pro Bastelabend vernascht da eine Gruppe mindestens eine Packung Gummibärchen. Und der Spezi-Vorrat schrumpft auch erheblich", erzählt Stegmeier.

Neben dem Spaß und der Kreativität sei der Zusammenhalt innerhalb der Jugendgruppe sehr groß, sagt Stegmeier. "Alleine kommt man beim Modellbau nicht weit." Bei Vorführungen beispielsweise müssten fünf bis sechs Kinder und Jugendliche im Team zusammenarbeiten, damit die Anlage mitsamt Lok und Bahnwaggons einwandfrei funktioniert.

Die Kameradschaft war wohl auch maßgeblich für das Gelingen eines Großprojekts - im wahrsten Sinne des Wortes - verantwortlich. Seit nunmehr zwei Jahren steht auf einem Feldstück neben der Baldhamer Straße in der Nähe des Reitsberger Hofs ein 14 Meter langer Güterwagen. In einem modellgleichen Waggon brachte man während des Zweiten Weltkriegs holländische Zwangsarbeiter unter, die eine Bahntrasse von Zorneding nach Feldkirchen bauen mussten, um dem stark bombardierten Münchener Ostbahnhof ausweichen zu können. In den vergangenen eineinhalb Jahren haben die jungen Eisenbahnfreunde mit Unterstützung des übrigen Vereins sowie weiteren Helfern den Waggon und die Umgebung als Gedenkstätte hergerichtet. Jetzt sind sie fast fertig. Ein Geländer für die Holztreppe, über welche die Besucher zum Waggon gelangen können, fehle noch, wie der stellvertretende Vorsitzende des Vereins Klaus Hugo anmerkt. Das Innenleben sei zum Teil ebenfalls fertig. Im Rahmen eines Geschichtsseminars des Humboldt-Gymnasiums haben Schülerinnen und Schüler die Historie der Bahnstrecke und die Lebensumstände der Zwangsarbeiter recherchiert. Diese Dokumentation soll künftig im Inneren als Dauerausstellung gezeigt werden. Zuvor stelle sie aber erst einmal das Gymnasium den Herbst über selbst aus, erzählt Hugo. Danach werde sie aber fester Bestandteil der Gedenkstätte, die voraussichtlich im kommenden Frühjahr für Besucher öffnet. Bis dahin bastelt die Jugendgruppe noch an einem Modell, das einen Teil der Bahnstrecke kurz vor Kriegsende entsprechen soll.

Über den Einsatz und die Begeisterung ihrer jungen Vereinsmitglieder zeigen sich Stegmeier und Hugo sichtlich beeindruckt. "Das war und ist wirklich eine Herkulesaufgabe", betont Stegmeier.

© SZ vom 29.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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