Der Ferienreporter, Folge 3:Kaiserschmarrn und Dudelsack

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Backwaren in Form eines Krokodils hat Gideon zum Buffet beigetragen. Er möchte gerne das Bäckerhandwerk richtig lernen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Helferkreis Asyl in Kirchseeon feiert ein fröhliches Sommerfest der Begegnung

Von Johanna Feckl, Kirchseeon

Es ist heiß, sicherlich über 30 Grad Celsius im Schatten. In angenehmer Lautstärke schallt aus einer kleinen Anlage auf einem Hocker mehr oder weniger aktuelle Chartmusik. Auf der Rasenfläche des Gemeindezentrums der evangelischen Kirche in Kirchseeon sind sorgfältig auf der einen Seite Tische mit dazu passenden Stühlen arrangiert, gegenüber davon einige Stehtische. In der Kühle eines mit großer Fensterfront versehenen Raumes des Gemeindezentrums wurden allerlei ess- und trinkbare Leckereien aufgebaut. Man kennt sich. Und falls einmal doch nicht, stellt man sich einander auf herzliche Weise vor. Immer per Du. Um sich die vielen Namen auch merken zu können, werden an alle neu Eintreffenden selbstklebende Namensschilder verteilt.

"Jeder hat etwas dazu beigesteuert", betont Sonja Naumann, die treibende Kraft hinter der Organisation des Sommerfestes der Begegnung, das der Helferkreis Asyl in Kirchseeon veranstaltete. Der ehrenamtliche Zusammenschluss aus ansässigen Bürgern will den im Ort ankommenden Flüchtlingen und Asylbewerbern "helfen, hier Fuß zu fassen", wie Lui, einer der Mitwirkenden, erklärt. Einmal im Monat treffe sich der Helferkreis mit den Flüchtlingen und Asylbewerbern. "Uns geht es so gut, das vergisst man oft", meint Michaela, auch eine Ehrenamtliche.

Immer mehr Helfer, Freunde und Interessierte aus dem Ort und Flüchtlinge treffen auf dem Fest ein. Viele vom Helferkreis zeigen sich überrascht aufgrund des großen Andrangs an Besuchern. Auch der Kirchseeoner Bürgermeister Udo Ockel hat es sich an einem Tisch inmitten des kleinen Rasenstücks bequem gemacht und unterhält sich sichtlich interessiert mit vielen der Anwesenden.

Max ist mit seinen 26 Jahren einer der jüngeren Helfer. Seit rund dreieinhalb Jahren sei er im Helferkreis aktiv, erzählt er. Damals habe man einen Französisch sprechenden Dolmetscher gesucht, so sei er dazugestoßen. Immer wieder begrüßt er neu auf dem Fest eintreffende Flüchtlinge und Asylbewerber - mal auf Deutsch und mal auf Englisch, manchmal auf Französisch und immer mit Handschlag. Nicht nur die Kirchseeoner und Bewohner aus den umliegenden Ortschaften würden sich im Rahmen des Helferkreises Asyl engagieren, so Max, sondern auch die Asylbewerber untereinander: Diejenigen, "die schon länger da sind, zeigen den Neuen, wo alles steht und ist".

Dass sich nur recht wenige in seinem Alter am Helferkreis beteiligen, liege vermutlich daran, dass sich "viele nur um sich selbst kümmern - ihre Motivation im eigenen Job, in ihrer Karriere, den Interessen oder der Partnersuche suchen". Yasmin (14), Jacob (14) und Miro (15) scheinen sich in ihrer Zukunft nicht in diese Riege einordnen zu wollen. Die drei Kirchseeoner Gymnasiasten versuchen sich seit dieser Woche zusammen mit einem gemeinsamen Mitschüler und mit der Hilfe von Max als Deutschlehrer für 20 bis 30 Flüchtlinge und Asylbewerber. In der ersten Stunde haben sie Standardfragen wie "Wie geht es dir?" oder "Wie heißt du?" und die entsprechenden Antworten sowie Zahlen unterrichtet. "Das sind alles ganz nette Menschen", berichtet Jacob seine Eindrücke nach dieser Unterrichtsstunde. Und sie haben noch mehr vor: Bald wollen sie auch gemeinsam mit den im Ort untergebrachten Flüchtlingen und Asylbewerbern Freizeitunternehmungen veranstalten, "Fußball spielen", sagt Jacob. Auf dem hinteren Teil des Rasens beginnen einige Flüchtlinge, Asylbewerber und Ehrenamtliche, sich gegenseitig einen Schlagball zuzuwerfen. Unterbrochen werden sie von einem Mann aus dem Helferkreis in weißem T-Shirt, der eine musikalische Performance mit seinem Dudelsack zum Besten gibt. Etwas später folgt eine andere musikalische Darbietung - dieses Mal von den Asylbewerbern Gideon, Kollin und Lucky. Sie singen "Babylon belongs to you" und "Rock my Soul". Gideon liebt das Singen, sagt er, und zwar "only Gospel", denn der funktioniere überall. Seit sechs Monaten fahre er jeden Sonntag nach Pasing, um dort in einem Gospelchor mit etwa zehn anderen zu singen. Es ist auch Gideon, der für die wohl auffälligste Verköstigung am Buffet gesorgt hat: Brotlaibe in Form von Igeln und einem Krokodil. Wenn alles gut läuft, könne er in diesem Herbst eine Ausbildung zum Bäcker in Kirchseeon beginnen.

Zwei aus dem Helferkreis bringen ein großes wannenartiges Gefäß heran, gefüllt mit frischem Kaiserschmarrn. "This is very sweet, like I am", preist Max die traditionelle süddeutsche Süßspeise an. Ein Somalier zeigt sich sichtlich begeistert davon. Er heißt Mahad. Erst sein zweiter Tag sei dies in Kirchseeon, erzählt er. Ihm gefalle der Ort. Zwei Monate hingegen ist Ahmad hier. Er spricht kaum Deutsch oder Englisch. Und trotzdem scheint es, als ob er versucht, möglichst viele neue Bekanntschaften auf dem Fest zu schließen und sich zu unterhalten. Wenn er die deutschen Begriffe nicht kennt, tippt er auf seinem Smartphone in arabischen Buchstaben das ein, was er sagen möchte. Anschließend liest er die deutsche Übersetzung davon vor. Das Sommerfest der Begegnung ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Begegnung, und zwar eine voller Gemeinschaftlichkeit und Herzlichkeit.

© SZ vom 08.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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