CSU-Kreisverband:Bloß nicht nach rechts

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Der Europa-Parlamentarier Manfred Weber las bei der Einheitsfeier des CSU-Kreisverbandes seinen Parteifreunden nicht die Leviten für die vermurkste Wahl, sondern für den Gedanken an einen Rechtsruck. (Foto: Christian Endt)

Bei der Einheitsfeier des CSU-Kreisverbands warnt Manfred Weber, der stellvertretende Parteivorsitzende und Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Populisten nachzueifern

Von Karin Kampwerth, Ebersberg

Am Ende schmetterten alle besonders laut und inbrünstig die Europahymne "Freude schöner Götterfunken". Vielleicht, weil der Ehrengast zum "Tag der Einheit - Tag der Begegnung" des Ebersberger CSU-Kreisverbandes in diesem Jahr die Lage der Partei sowohl als Insider kennt als auch aus einem weiteren Blickwinkel heraus von außen betrachten kann. Manfred Weber, stellvertretender CSU-Parteivorsitzender und Vorsitzender der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europäischen Parlament, las seinen Parteifreunden, darunter die Europaabgeordnete Angelika Niebler, Kreisvorsitzender Thomas Huber, Landrat Robert Niedergesäß und zahlreiche Bürgermeister und Vertreter von CSU-Arbeitsgemeinschaften, auf der Ebersberger Alm aber nicht etwa die Leviten für das vermurkste Wahlergebnis. Weber richtete den Blick nach vorne und machte den Gästen Mut, am Feiertag der Wiedervereinigung zu reflektieren, was man geschafft habe, seitdem das Land nach dem Zweiten Weltkrieg am Boden lag.

Eine "fantastische Erfolgsgeschichte" nannte Weber den Weg der Bundesrepublik, deren soziales Gleichgewicht sowie der ökonomische Erfolg unter Berücksichtigung von Umweltaspekten einzigartig sei. Gleichwohl räumte er ein, dass atemberaubende Entwicklungen innerhalb der Gesellschaft, Demografie und Klimawandel, Digitalisierung und Globalisierung auch die Politik vor sich hertrieben. Auf keinen Fall aber dürfe die CSU verhindern, dass sich die Welt verändert. "Wir müssen sie so gestalten, wie wir es für richtig halten", sagte Weber. Forderungen innerhalb der eigenen Partei nach einer rechteren Positionierung lehnte der Europaparlamentarier mit deutlichen Worten ab. "Wir brauchen keine Nachhilfe in der Programmatik", sagte der 45-Jährige, der aus Niederbayern stammt und für sich das Motto "In Bayern dahoam. In Europa zuhause" in Anspruch nimmt. Recht und Ordnung in Einklang zu bringen, "dafür braucht es keinen Rechtsruck", so Weber unter großem Applaus.

Stattdessen müsse Politik "mit Maß und Mitte" betrieben werden, mahnte Weber. Man müsse sich wieder Leitbildern widmen, statt nur auf Stimmungen und Mehrheiten zu schielen, um abtrünnige Wähler zurückzugewinnen. Dabei spannte er einen weiten Bogen von der Flüchtlingspolitik zur Sterbehilfe und lobte die Bürgergesellschaft, in der es viele gebe, "die mehr tun, als sie müssen".

Nun gelte es, den Staat zu einem starken Staat zu machen. Zum Beispiel damit, dass Flüchtlinge, die nach einem ordentlichen Asylverfahren abgelehnt wurden, ausgewiesen werden. Die umstrittenen Abschiebungen nach Afghanistan ließ Weber aus, vielmehr richtete er seinen Blick auf die Not auf dem afrikanischen Kontinent. "Uns in Bayern und in Europa wird es auf Dauer nicht gut gehen, wenn es unserem Nachbarkontinent Afrika schlecht geht", sage Weber. Handelsabkommen mit afrikanischen Staaten könnten seiner Überzeugung nach den Menschen so viel Hoffnung für das eigenen Land geben, dass sie ihre Heimat nicht verlassen müssen.

Als weiteres Leitbild riet Weber zu technologischem Fortschritt, dem man nicht ängstlich gegenüber stehen dürfe, weil dieser den Wohlstand sichere.

Darüber hinaus müsse die CSU das Christliche im Namen wieder in den Vordergrund stellen und sich etwa klar dem Lebensschutz verpflichten. Aktive Sterbehilfe müsse die Partei konsequent weiter ablehnen. "Ob man leben oder sterben darf, ist eine Entscheidung des Herrgotts und nicht die von Politikern oder individuellen Personen", sagte Weber. Aber auch die politische Großwetterlage hatte der Europapolitiker im Blick. Vor allem das Säbelrasseln zwischen Nordkorea und den USA sei besorgniserregend. "Militärische Interventionen führen nicht zu mehr, sondern zu weniger Frieden", davon zeigte sich Weber zutiefst überzeugt. Hier sprach er der Europäischen Union besondere Verantwortung zu, etwa bei den G-20-Treffen der Mächtigsten der Welt. "Wer hebt die Hand gegen Kinderarbeit und Klimawandel? Wer löst Konflikte friedlich und demokratisch? Das machen keine Inder, keine Argentinier, keine Amerikaner, sondern Europäer", appellierte Weber, auch an einem deutschen Nationalfeiertag dafür zu kämpfen, statt Europa immer nur mit Entscheidungen zu Gurken oder Glühbirnen zu verbinden.

Die Ehren-Kreisvorsitzende der CSU, Christa Stewens, lobte im Anschluss den "gesunden Menschenverstand" Webers, mit dem er bayerische und deutsche Interessen im Europäischen Parlament vertrete. Ein Dreiklang, den die gut 120 Gäste musikalisch goutierten: Mit der Bayernhymne, dem Deutschlandlied und der Europahymne, wobei bei Letzterer auch nach der 27. Veranstaltung zum Tag der Deutschen Einheit noch nicht alle textsicher waren.

© SZ vom 04.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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