Corona-Krise im Landkreis:Wie bei den Panzerknackern

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Wird der digitale Impfpass aus Ebersberg Modell für die Bundesebene? Auf einem Rundgang durch das Impfzentrum Ebersberg befasst sich Bayerns Gesundheitsminister Holetschek neben dieser Frage auch mit der Krisenstrategie des Landkreises - und dem Tresor des Gebäudes

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Der Tom, der Robert und der Andi treffen sich vor dem Impfzentrum in Ebersberg. Die Sonne scheint seit einigen Tagen endlich mal wieder, es wird geduzt, mit dem Ellbogen gegrüßt, gewitzelt. Der Klaus kommt dazu, ebenfalls ein Duz-Freund. "Das ist der jüngste Mitarbeiter des Impfzentrums", sagt der Tom, und Liam Klages, der 19-jährige Leiter des Zentrums, wird vorgeschoben und zum gemeinsamen Foto mit den Politikern zurecht gerückt.

Einen Tresorraum als Lagerstätte für Impfstoff, das hat man nicht alle Tage: Klaus Holetschek zeigt sich beeindruckt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mehrere Kamerateams und etwa zwei Handvoll Journalisten haben sich am Freitagmittag zum Pressetermin mit dem Bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) vor dem ehemaligen Sparkassen-Gebäude der Kreisstadt eingefunden. Begleitet von Landrat Robert Niedergesäß, dem Landtagsabgeordneten Thomas Huber und dem Bundestagsabgeordneten Andreas Lenz (alle CSU), ist an diesem Tag ein Rundgang durch das Impfzentrum angesetzt, Leiter Klages schreitet voran. "Das ist der Weg, den jeder Impfling hier geht", erklärt er, doch schon wenige Meter vor dem Eingang wird der erste Stopp für Zwischenfragen eingelegt.

In Sachen digitaler Impfpass will Ebersberg Vorreiter sein. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Und die erste Frage, welche die Reporter auch von außerhalb des Landkreises nach Ebersberg treibt, lautet: "Ist der digitale Impfpass aus Ebersberg als bundeseinheitliche Lösung angedacht, oder ist es nur eine Ebersberger Lösung?" Minister Klaus Holetschek wiederholt, und das in den nächsten Minuten des Öfteren, dass es eine bundeseinheitliche Lösung geben muss, dass es keine Insellösungen geben darf, und dass auch kein bayerischer Alleingang mit dem bundesweit ersten digitalen Impfpass geplant ist. "Wir packen's jetzt", beendet Thomas Huber schließlich die Fragerunde und wirft auf dem Weg in das Sparkassengebäude mit Blick auf die sinkenden Inzidenzwerte den Spruch "Jetzt geht es aufwärts, indem es abwärts geht" in die Runde.

Auch die CSU-Prominenz des Landkreises steht hinter dem Projekt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nächster Termin für die Kameras ist das Arztzimmer Zwei. Der Gesundheitsminister plaudert mit zwei Ärztinnen, die hier täglich impfen, bis zu 950 Impfungen am Tag können derzeit im alten Sparkassengebäude vorgenommen werden. Fast 48 000 Impfungen wurden hier bisher insgesamt verabreicht. Auf dem Weg an den Nachbeobachtungs-Zimmern vorbei betont Thomas Huber, wie gut und wie wichtig auch die Zusammenarbeit zwischen Lokal- und Landespolitik sei. Liam Klages erzählt, dass es in dem alten Bank-Gebäude natürlich auch einen Tresor gäbe. "Liegt da der Impfstoff drin?", will Klaus Holetschek wissen und beschließt: "Den schauen wir uns an."

Das bundesweite Interesse zeigt sich in Form der zahlreichen Medienvertreter. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Tross an Politikern, Journalisten, Kameraleuten und Fotografen drückt sich die enge Steinwendeltreppe in den Keller hinunter, und dann schließt Liam Klages die Tresortür auf. "Wie bei den Panzerknackern", sagt Landrat Niedergesäß andächtig, und die 2,5-Tonnen schwere Tür wird geöffnet. In zwei Kühlschränken im Tresorraum wird das Vakzin gelagert. "Das hat man nicht alle Tage", konstatiert der Gesundheitsminister anerkennend. Um 15 Uhr komme die nächste Lieferung, informiert ein Mitarbeiter des Zentrums.

Der zweite Teil des Pressetermins ist in der großen Halle angesetzt. Martin Behmann von der Magdeburger Firma Alive hat fünf Minuten Zeit, um den digitalen Ebersberger Impfpass vorzustellen - ein bundesweites Pilotprojekt. Brigitte Keller, Leiterin des Krisenstabs, schickt voraus, dass dieses Projekt deshalb vom Landkreis unterstützt werde, weil der Impfpass in jedes Programm, das später einmal auf Bundesebene relevant würde, problemlos überführt werden könne. Unternehmer Behmann erzählt von seinem Sohn, der - in der IT-Branche tätig - auf einem Familientreffen die Idee gehabt habe: "Lass uns einen digitalen Impfpass machen." Im April sei man in die Produktion gegangen. Innovativ, so wirbt der Firmenchef Richtung Holetschek, sei die Verbindung der Daten mit der individuellen Personalausweisnummer, die eine Angabe von Namen und Adresse obsolet macht. Im Gegensatz zum herkömmlichen Impfpass sei der digitale fälschungssicher. Im Juni werde die App von den zuständigen Aufsichtsbehörden geprüft.

Später will Klaus Holetschek auf das Projekt eingehen, doch Martin Behmann ist nach draußen verschwunden, um dort ein Interview zu geben. Als er wieder auftaucht, betont der Minister, dass der digitale Impfausweis vorangetrieben werden müsse - "ohne die zu vergessen, die auch analoges Handwerkszeug brauchen." Außerdem müsse eine App auch eine Genesung anzeigen, oder Testangebote. Zu Wort meldet sich auch Katalyn Roßmann, Seuchenexpertin der Bundeswehr. Sie stellt die Strategie zum Covid-Krisenmanagement in Ebersberg vor, das etwa auch die bisher völlig brach liegende Gesundheitsförderung wie sportliche Angebote im Blick hat. Die Devise sei, sich "vor die Lage zu bringen", also zu erkennen, wohin sich Corona entwickelt, bevor es sich in Zahlen niederschlägt. Wichtig sei es, die Zivilgesellschaft miteinzubinden in die Maßnahmen, so Roßmann. Vergangene Woche seien daher 140 Tester aus Vereinen und Burschenschaften geschult worden.

Zum Ende des Pressetermins bleibt keine Zeit mehr für Fragen der Presse. Der Gesundheitsminister verweist noch einmal auf die Notwendigkeit einer Pflegereform, und dass das retardierende Moment im Kampf gegen Corona immer noch der Impfstoff sei. Landrat Robert Niedergesäß verweist auf die Impfaktion von 1000 Impfdosen von Astra Zeneca am Samstag in Ebersberg. "Habt ihr den immer noch?", fragt Holetschek und lacht. Der Landrat zögert kurz und sagt: "Ja, und wir würden befürworten, dass er auch wieder in Impfzentren verimpft werden darf." Zum Abschied darf der Minister dann nicht nur Eindrücke aus der Kreisstadt mit nach Hause nehmen, sondern auch Bier aus den regionalen Brauereien.

© SZ vom 15.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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