Chormusik aus Vaterstetten:Mit dem Wind durch Länder und Zeiten

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Der Vaterstettener Chor "Rondo Vocale" singt mit großer Inbrunst, sein Repertoire bietet eine bemerkenswerte klangliche Vielfalt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Rondo Vocale" gelingt eine unterhaltsame Revue mit viel Stimmkraft und Sangesfreude

Von RITA BAEDEKER, Vaterstetten

Sich auf eine Bühne stellen und singen - das genügt auch ambitionierten Laien-Chören längst nicht mehr. Um das geneigte Publikum bei Laune zu halten, gibt es häufig zum Gesang - je nach Talent und Neigung - eine Portion Bühnenzauber. Eine unterhaltsame Revue ist nun dem Vaterstettener Chor Rondo Vocale bei seinem Frühjahrskonzert mit dem Titel "Tråg mi Wind" am Samstag im Bürgerhaus Neukeferloh gelungen. Unterstützt wurde das Ensemble unter der Leitung von Kathrin Schiele-Kiehn dabei von Mitgliedern der Theatergruppe Dansation aus Haar und dem choreigenen A-Cappella-Jazz-Sextett NiceTry.

Mit dem Loriot-Sketch "An der Opernkasse" ("Heute ist Siegfried, Martha ist am Donnerstag!") beginnt der Abend. Wie aufs Stichwort zeigt der Chor bei mehreren a cappella gesungenen Ouvertüren, was an klanglicher Vielfalt, orchestraler Stimmkraft und Atemtechnik in ihm steckt.

Der 2004 gegründete, 39 Mitglieder umfassende Laienchor pflegt viele Musikstile. Das Repertoire reicht von der Renaissance bis zur Moderne, von Klassik über Kirchenmusik, Gospel und Folklore aus aller Welt bis zu mehrstimmig gesetzten Pop-, Jazz- und Rock-Arrangements. Gesungen wird in vielen Sprachen, darunter Russisch, Bairisch, Swaheli und natürlich Englisch; selbstverständlich alles auswendig, wie es in der Ankündigung hieß - naja, fast!

Von den britischen Inseln und dem berührenden Madrigal "My bonny lass she smileth" von Thomas Morley geht die Reise zur Mühle am rauschenden Bach. Das Klappern derselben (tolles Arrangement von Bernd Englbrecht) zieht sich rhythmisch perfekt gestaffelt durch die Stimmgruppen. Zur dramatischen Trilogie erweitert wird das Lied, als Mitglieder des Chors das Gedicht "Der Feuereiter" von Eduard Mörike rezitieren, eine schaurige Ballade, in der Mann und Mühle in Flammen aufgehen. Den Todesreigen beschließt das schöne Kärntner Lied "Tråg mi Wind": In ihrem Text blickt die 2010 verstorbene Mundart-Dichterin Brigitte Hubmann dem Tod entgegen und bittet den Wind, sie zu tragen, heim übers Land, übers Meer. Der Chor singt dieses traurig-tröstliche Lied mit schlichter Inbrunst.

Wer Länder, Meere und Zeiten durchmisst, begegnet freilich einmal auch der Liebe. Das aus drei Männern und drei Frauen bestehende Sextett Nice Try versichert mit Max Raabe, dass "Männer schon die Liebe wert" seien. Wer's nicht glaubt, dem geben elf Herren in Barbershop-Manier folgende Botschaft aus dem Jahr 1911 mit: "Erst wenn ich gegangen bin, wirst du erkennen, was für ein feiner Kerl ich war!" ("You ll never know").

Dass auch Doktor Faust der Liebe wert war, darf bezweifelt werden. Da aber gerade Faustjahr ist, kommt das Publikum in Neukeferloh in den Genuss einer Szene aus dem Theaterstück "Gretchen 89ff" von Lutz Hübner. Darin hat es die das Gretchen verkörpernde Schauspielerin bei einer Textprobe mit mehreren schwierigen Regisseuren zu tun. Hier ist es der "Streicher", der nach und nach den gesamten Text der berühmten Kästchenszene ("Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles") entfernt.

Manchmal gilt die Liebe allerdings weder Mann, noch Frau oder Mammon - sondern einem Baum. Um solch ein vermeintlich stummes Wesen aus Ästen und Blättern in Klänge zu übersetzen, halten einige Chormitglieder mit Wasser gefüllte Gläser in ihren Händen und lassen den Zeigefinger auf den Rändern kreisen. Dazu pusten sie wie ein Windhauch, der durch die Zweige streicht, lassen es knacken im Unterholz, einen Kuckuck rufen. Wer jetzt die Augen schließt, genießt tatsächlich die Illusion eines Waldspaziergangs. Dieses außergewöhnliche Arrangement zeigt, mit wie viel Sangesfreude und stimmlicher Ausdruckskraft der Vaterstettener Chor unterwegs ist.

Als Begleitmusik für die Zuhörer hinaus ins Freie erklingt am Ende noch Reinhard Meys Evergreen "Gute Nacht Freunde", bei dem der ganze Saal mitsingt. Ein rundum schöner Abend. Man bekäme glatt Lust, sich zur nächsten Probe der Rondos anzumelden.

© SZ vom 15.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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