Bürgerversammlung in Zorneding:Auf Kuschelkurs

Lesezeit: 2 min

Bürgermeister Piet Mayr (CSU) sieht sich weitgehend zufriedenen Zornedingern gegenüber. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Vertreter der Deutschen Glasfaser entschuldigen sich für die vielen Verzögerungen und versprechen "Dampf auf dem Kessel". Das Versöhnungsangebot kommt aber nicht bei allen Kunden gut an

Von Viktoria Spinrad, Zorneding

Um 20.52 Uhr wird es plötzlich ungemütlich. Wütenden Schrittes tritt Wolfgang Wach nach vorn. Der Zornedinger lässt sich das Mikro reichen und positioniert sich neben der Bühne. Auf der stehen zwei Vertreter der Deutschen Glasfaser (DG), sie haben gerade versöhnliche Töne angeschlagen. Doch Wach reicht das nicht, die beiden Gebärden-Dolmetscherinnen müssen jetzt heftig gestikulieren. Dass die Verzögerungen vor allem an einem geschassten Subunternehmer liegen sollen, "das kaufe ich Ihnen nicht ab", sagt Wach, seine Hand zittert. Er zählt seine Kritik auf: schlechte Kommunikation, unter den Tisch gekehrte Zuständigkeiten, Verkabelung nur bis zur Hauswand, ein "z'samm gefahrener" Verteilerkasten. Dann ruft er dazu auf, die Verträge mit der Glasfaser zu kündigen "weil bei euch einfach nichts vorangeht." Die DG wird noch auf die Vorwürfe eingehen.

Es ist die ungemütlichste Szene einer sonst verhältnismäßig kuschligen Zornedinger Bürgerversammlung. Denn die 200 Besucher im Martinstadl erlebten auch viele heitere Momente. Zum Beispiel, als ein gehörloser Bürger Donald Trumps berüchtigtes Haarwerk mit einer flatternden Hand imitiert. Seine Botschaft an den Bürgermeister: "Unsere Verwaltung macht eine bessere Politik als der US-Präsident". Oder, als Seniorensprecherin Sieglinde Kornek-Peters darauf drängt, das geplante Wimmerwiesen-Quartier rasch fertigzustellen, denn "naturgemäß haben ältere Bürger nicht ewig Zeit zu warten." Worauf Piet Mayr (CSU) betont, dass er gar keinen Einfluss auf die Wartezeit hat. Der Baubeginn hänge davon ab, "wie viele Einwendungen wir behandeln müssen", so der Bürgermeister. Über die Frage, wie viel sozialer Wohnraum geschaffen wird, verhandle er derzeit noch mit dem Bauträger.

Dasselbe Projekt griffen Anwohner der zu bebauenden Wimmerwiese auf - mit dem einzigen Antrag des Abends an den Gemeinderat. Dieser muss sich in den nächsten drei Monaten mit der Frage beschäftigen, ob er ein Verkehrskonzept für den Ortsteil Pöring in Auftrag gibt. Der wachsende Ortsteil leidet schon heute an viel außerörtlichem Verkehr, der mit den geplanten Quartieren noch deutlich zunehmen dürfte. "Sonst haben wir hier in Zukunft eine Verkehrssituation, die das Leben der Pöringer beeinträchtigt", mahnte Thomas Heer. Er und weitere Anwohner sind den Zornedingern bereits von der letzten Bürgerversammlung bekannt. "Wir wollen keine Messestadt light. Wir sind Pöring, nicht Poing", hatte Heers Nachbar vor einem Jahr gerufen. Nun bemüht sich die Gruppe sichtlich um einen gemäßigten Ton und konstruktive Vorschläge wie eben den für ein Verkehrskonzept. Ein Vorschlag, den die Bürgerversammlung per Handzeichen auf die to do-Liste des Gemeinderats beförderte.

Um Verkehr ging es auch bei den meisten restlichen Wortmeldungen. Zwei Zornedinger kritisierten die Wolfesinger Kreuzung beim Gasthaus Schlammerl. "Die ist gefährlich", sagte einer. Einen Straßenspiegel wird es hier allerdings nicht geben, laut der Polizei "suggerieren solche Spiegel eine falsche Sicherheit", so der Bürgermeister. Auf die Nachfrage einer Zornedingerin zur Denkmalruine am Ortseingang, erklärt er, dass die Straßensperre bereits aufgehoben ist und stellt klar, dass die Gemeinde den Eigentümer nicht dazu zwingen kann, das Haus "aufzuhübschen." Ebenso wenig kann sie barrierefreie Übergänge bis auf das Straßenniveau absenken, wie Mayr der Seniorensprecherin erklärt, "sonst könnte das Regenwasser unkontrolliert über den Gehsteig fließen."

Und dann ist da noch der Rest des Glasfaser-Showdowns. Bevor Wach das Wort ergriffen hatte, hatten Glasfaser-Vertreter reinen Tisch machen wollen: Sie gaben zu, dass die Kommunikation "schlecht" gewesen sei, beteuerten, dass Zorneding beim Ausbau "Prio eins" habe - und eröffneten den Zornedingern, dass hier und da noch mal aufgegraben werden müsse, weil der wegen Unzuverlässigkeit geschasste Subunternehmer "fast überhaupt keine Dokumentation" hinterlassen habe. Punkte, die bei Kritiker Wach auf wenig Verständnis stießen: Er ergänzte seine Kritik noch um den Hinweis auf E-Mails, "die Ihnen am Hintern vorbeigehen." Bevor es aber um weitere Körperteile gehen konnte, wurde es noch mal amüsant. Nachdem der Glasfaser-Sprecher versprochen hatte, sich den kaputt gefahrenen Verteilerkasten anzuschauen und betonte, dass die Zuständigkeit der DG grundsätzlich an der Hauswand ende, deutet er auf das Schreibutensil des Kritikers: "Ich freue mich, dass Sie einen Schreibblock der Deutschen Glasfaser nutzen."

© SZ vom 17.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: