Bürgermeisterwahl:"Aßling ist ein Dorf - und das soll es auch bleiben"

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Duell vor dem Duell: Vor der Aßlinger Bürgermeisterwahl erklären Amtsinhaber Lampl und Herausforderer Mayer, wie sie die Finanznot der Gemeinde lindern wollen.

Martin Mühlfenzl

Außer Turnus wählen Aßlings Bürger am Sonntag, 26. September, ihren Bürgermeister. Amtsinhaber Werner Lampl (CSU), der vor sechs Jahren bei zwei Gegenkandidaten mit beinahe 74 Prozent erstmals zum Rathauschef gewählt wurde, sieht sich dem rot-grünen Kandidaten Benedikt Mayer gegenüber. Intensiv haben Lampl und der Landesschatzmeister der Grünen in den vergangenen Wochen Wahlkampf betrieben - große Namen wie Münchens Oberbürgermeister Christian Ude und Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon leisteten Unterstützung.

"Es ist richtig: Wir haben eine Finanznot", bekennt Aßlings Bürgermeister Werner Lampl (links). Im Gespräch mit seinem Herausforderer Benedikt Mayer ergeben sich viele Gemeinsamkeiten, die Unterschiede liegen im Detail. (Foto: CHRISTIAN ENDT)

Am heutigen Dienstag gibt es ein letztes Mal ein direktes Duell der beiden Bewerber: Lampl und Mayer treffen um 19.30 Uhr bei der von den Agenda-Arbeitskreisen organisierten Podiumsdiskussion im Aßlinger Gemeindesaal aufeinander. Im Vorfeld dieser Veranstaltung haben beide Kandidaten im Gespräch mit Martin Mühlfenzl inhaltliche Unterschiede herausgearbeitet, nach Gemeinsamkeiten und den richtigen Rezepten für das Wohl der Gemeinde gesucht.

SZ: Der Wahlkampf war bestimmt von einem Thema: der Finanznot der Gemeinde. Herr Bürgermeister, wie steht es tatsächlich um die finanzielle Situation Aßlings?

Werner Lampl: Es ist richtig: Wir haben eine Finanznot - da gibt es keine Diskussionen. Nur muss ich festhalten, dass wir nicht nur von unseren Schulden sprechen dürfen. Wir haben das Geld ja ins Kasino getragen oder bei den Lehman-Brothers angelegt. In den vergangenen zehn Jahren haben wir im Bereich unserer Pflichtaufgaben - vor allem bei der Wasserversorgung - rund 19,5 Millionen Euro investiert.

SZ: Mit einem Schuldenstand von beinahe zehn Millionen Euro gehört die Gemeinde zu den Spitzenreitern des Landkreises in punkto Verbindlichkeiten. Ist dadurch die Handlungsfähigkeit eingeschränkt?

Lampl: Nein. Insgesamt 82 Prozent der 9,6 Millionen Schulden sind rentierliche Schulden. Diese holen wir langfristig über Beiträge und Abgaben wieder herein.

Benedikt Mayer: Egal ob Schulden rentierlich oder unrentierlich sind, sie müssen zurück gezahlt werden. Das bleibt festzuhalten. Rentierlich bedeutet ja nur, dass die Schulden über die Gebühren für Wasser und Abwasser wieder reinkommen müssen. Schulden rentieren sich aber eigentlich nie. Aber selbst wenn wir die verbleibenden 18 Prozent unrentierlicher Schulden zum Maßstab nehmen, finden wir einen Schuldenstand von rund 400 Euro pro Einwohner vor. Mit diesem Wert gehören wir nach wie vor zu den Kellerkindern des Landkreises.

SZ: Ist dieser hohe Schuldenstand alleine mit den Investitionen zu erklären?

Lampl: Diese Belastungen waren nötig, und ich schäme mich auch nicht dafür. Ich schäme mich nicht, dass wir ein 40 Jahre altes Feuerwehrfahrzeug ersetzt haben oder uns das Thema Mobilfunk vor drei Jahren viel Geld gekostet hat. Hinzu kommt, dass wir über 30 Jahre lang nichts in unser Wasser- und Abwassernetz investiert haben - erst um das Jahr 2000 damit begonnen haben - und nun mit diesen erklärbaren Schulden konfrontiert werden.

Mayer: So weit kann ich zustimmen. Keiner von uns beiden hat Schuld daran, dass die Investitionen getätigt werden mussten. Wir müssen anerkennen, dass die Schulden da sind - aber auch weiter wachsen werden: wenn die Ortsteile Obstedt und Pörsdorf, wie beabsichtigt, an den Kanal angeschlossen werden.

SZ: Die Schuldenspirale wird also bewusst nach oben getrieben?

Mayer: Es müssen neue Schulden aufgenommen werden, um diese Aufgaben erledigen zu können. Wichtig ist in diesem Fall, dass es vor 2012 geschieht. Andernfalls gibt es keine Zuschüsse vom Freistaat und die Gemeinde müsste noch mehr Eigenleistung erbringen.

Lampl: Wie Herr Mayer schon gesagt hat, dürfen wir von unserem Abwasserkonzept auf keinen Fall zurücktreten. Die Leute können dauerhaft nicht mehr auf Kleinkläranlagen zurückgreifen - und wir sind in der Pflicht: Wir als Gemeinde haben unsere Absichtserklärung vorgelegt, das Konzept umzusetzen.

SZ: Die Gemeinde hat nun beim Finanzministerium einen Antrag auf Bedarfszuweisungen in Höhe von 300.000 Euro gestellt. Ist die Lage so aussichtslos?

Lampl: Wir tun nichts anderes, als auf dem Klavier zu spielen, wo man Geld her bekommt. Dies wurde uns durch das Landratamt so empfohlen. Aber noch einmal: Wir sind weiter handlungsfähig.

Mayer: Aber 300.000 Euro sind für die Gemeinde sicher nicht die Rettung, sondern nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Es ist nur ein einmaliger Zuschuss, den man jedes Jahr neu beantragen kann. Diese Summe allein wird nicht ausreichen. Mich wundert es an dieser Stelle sehr, dass sie sich für die Beantragung keine Rückendeckung aus dem Gemeinderat geholt haben.

Lampl: Wir haben uns die Rückendeckung aus dem Arbeitskreis Finanzen geholt - und auf Empfehlung des Landratsamtes gehandelt. In diesem Kreis haben wir seit über einem Dreivierteljahr auf unser Konsolidierungspaket hingearbeitet - unter Anwesenheit aller Fraktionen.

Mayer: Das Problem liegt darin, dass dieser Ausschuss nicht-öffentlich tagt. Es hat an dieser Stelle schon die nötige Transparenz gefehlt. Man hat das Gefühl bekommen, dass die Beantragung von Finanzhilfen nicht an die Öffentlichkeit gelangen soll. Mein Stil wäre das nicht.

SZ: Unabhängig von möglichen Zuschüssen des Freistaates: Mit welchen Rezepten ist der finanzielle Schieflage der Gemeinde beizukommen?

Lampl: Es muss alles auf den Prüfstand. Wir haben etwa im Gemeindegebiet sechs sanierungsbedürftige Attlbrücken. Jede einzelne würde uns 120.000 Euro kosten. Diese Maßnahme haben wir vorerst zurückgestellt. Wir haben in der Haushaltsverwaltung die Doppik eingeführt und versprechen uns davon klarere Aussagen. Und wir werden weitere Vorgaben aus dem Landratsamt umsetzen.

Mayer: Das freut mich natürlich zu hören - und es hätte der Gemeinde nicht geschadet, wenn es bereits früher gesagt worden wäre. Der Landkreis hat bewährte Rezepte, die in vielen Fällen ein zu eins auf die Gemeinde Aßling umgelegt werden können. Viel wichtiger ist es aber, ein Bewusstsein und eine Öffentlichkeit dafür zu schaffen, wie eng die Situation in Aßling ist. Dann bewegt man die Menschen auch dazu, sich einzubringen, Ideen zu entwicklen und Verständnis dafür zu schaffen, dass Einschnitte nötig sind und manches auch teurer wird.

SZ: Massiv ist die Gewerbesteuer im vergangenen Jahren eingebrochen. Wie kann Aßling dem entgegenwirken?

Lampl: Wir haben uns ja im Gemeinderat entschieden, im Flächennutzungsplan auf ein moderates Wachstum von rund einem Prozent zu setzen. Wir wollen Gewerbe, aber nicht um jeden Preis.

Mayer: Über die Gewerbesteuer alleine kann sich eine Gemeinde auch nicht sanieren.

Lampl: Deshalb ist es für uns auch so wichtig, dass wir den Betrieben, die schon dasind, gute Bedingungen bieten und so neue Arbeitsplätze schaffen.

Mayer: Hinzu kommt, dass ein Betrieb, der sich neu ansiedelt, in den ersten Jahren aufgrund der getätigten Investitionen keine Gewerbesteuer zahlt. Die Haupteinnahmequelle an Steuereinnahmen ist nach wie vor der Anteil an der Lohn- und Einkommenssteuer. Daher ist es für uns interessanter, dass Aßling gut verdienende Einwohner hat. Das muss man offen und ehrlich sagen.

SZ: Wie soll sich das Dorf Aßling entwickeln. Gilt auch hier die Prämisse des moderaten Wachstums?

Mayer: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es bei der Entwicklung unterschiedliche Geschwindigkeiten gibt. In unseren umliegenden Ortsteilen stellt sich das Problem der Erweiterung nicht - es geht also um die Kerngemeinde. Hier gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, in aufgelassenen Höfen Wohn- und Gewerberaum zu schaffen. Dann muss keine neue Baumasse geschaffen werden.

Lampl: Aßling ist ein Dorf und soll das auch bleiben. Aßlinger sollen sich in Aßling wiederfinden. Wir haben immer noch Parzellen im Bauland für Einheimische, das wir im Jahr 1996 ausgewiesen haben. Das Interesse daran ist aber zu gering. Was ich mir für die Zukunft hingegen vorstellen kann, sind Wohnungen für Einheimische.

SZ: Wie wird sich der Verkehr in der Gemeinde entwickeln, nachdem eine Ortsumgehung vom Gemeinderat einstimmig abgelehnt worden ist?

Lampl: Die Umfahrung ist vom Tisch, aber wir müssen mit aller Vorsicht auf das Jahr 2013 verweisen. Dann wird die Unterführung in Elkofen erweitert: Auf dieser Strecke - und vor allem für unsere Bürger in Lorenzenberg - erwarte ich eine erhebliche Verkehrszunahme.

SZ: Problematisch gestaltet sich schon das Verkehrsaufkommen in der Kerngemeinde.

Mayer: Bei dieser Problematik muss die Bevölkerung unbedingt mit eingebunden werden. Man kann sich über vieles unterhalten: über Verordnungen und bauliche Maßnahmen. Aber in erster Linie muss sich das Bewusstsein der Menschen ändern. Da kann und muss man schon bei den Jüngsten anfangen.

Lampl: Da kann ich nur beipflichten, denn 70 Prozent des Verkehrs in Aßling sind hausgemacht. Wir müssen unsere Bürger überzeugen, dass vieles im Ort auch ohne Auto machbar ist - dafür müssen wir die Voraussetzungen schaffen.

SZ: Wie gestaltet sich die Betreuungssituation für Kinder und Jugendliche in der Gemeinde?

Lampl: Gerade mit dem Neubau des Kindergartens Sankt Benedikt sind wir sehr gut aufgestellt, und wir planen die Einführung der Ganztagsschule zur Optimierung der Betreuung. Denn unser wichtigstes Ziel muss es sein, den Standort Hauptschule zu erhalten.

Mayer: Wir müssen weiter gehen - Kindergärten und Krippen miteinbeziehen.

SZ: Zum Thema Hauptschule: Liegt deren Zukunft eher im Norden oder Süden: - also im Schulverbund mit Ebersberg oder etwa Tuntenhausen?

Mayer: Vorab: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir aufgrund der demografischen Entwicklung immer weniger Schüler haben werden. Deshalb wird es auch schwieriger, auf vernünftige Klassenstärken zu kommen. Orientieren wir uns in den Süden, wird Frauenneuharting abspringen und seine Schüler nach Ebersberg schicken. Das können wir uns eigentlich nicht leisten.

Lampl: Die Problematik besteht jetzt schon. Auch jetzt erreichen mich aus Frauenneuharting viele Anfragen von Eltern, die ihre Kinder auf die Ebersberger Hauptschule schicken möchten. Wir müssen uns im Rahmen der Hauptschulinitiative überlegen, ob es Sinn macht, uns mit Gemeinden aus dem Rosenheimer Landkreis zusammen zu tun.

SZ: Als Kreispolitiker haben Sie sich beide den Leitlinien 2030 verschrieben. Wie weit ist Aßling auf dem Weg in regenerative Energien?

Mayer: Das ist ein spannendes und komplexes Thema, das die Menschen aber interessiert und auffordert, darüber nachzudenken, was sie leisten können. Das will ich als Bürgermeister nutzen. Um ein Gesamtbild zu bekommen, wäre es sinnvoll, ein externes Energiekonzept für die Gemeinde zu erstellen. Dann wissen wir, welche Ratschläge wir den Bürgern geben können. Und die Gemeinde selbst kann etwas tun. In Aßling ist das - zwar etwas holprig - mit dem Energiepark geschehen.

Lampl: Wir haben auch schon drei bürgereigene Photovoltaikflächen auf gemeindlichen Liegenschaften, die wir unentgeltlich zur Verfügung gestellt haben. Zudem hat der Arbeitskreis Energie bereits einen Energieplan erstellt. Es muss aber eine weitere Verzahnung zwischen gemeinde, Arbeitskreis und Bürgern geben - da gebe ich Herrn Mayer Recht.

© SZ vom 21.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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