Auch Holger Paetz hat in den vergangenen Monaten erfahren, was es bedeutet, nicht oder kaum auftreten zu können, so wie die meisten Bühnenkünstler auch. Allerdings hat es den Münchner Kabarettisten, der zehn Jahre lang mitverantwortlich für das Singspiel am Nockherberg war und sich als Fastenprediger Pater Paetz im deutschen Kabarett einen Namen gemacht hat, nicht ganz so hart getroffen. Er habe ohnehin vorgehabt, nach seinen letzten Auftritten vor dem Lockdown im März in Ruhe zu Hause an einem neuen Programm zu arbeiten. Welches unlängst Premiere haben sollte, die allerdings wurde schon wieder abgesagt. In drei Wochen gibt es zwei neue Versuche, zunächst in Hannover, dann in Frankfurt. Laut Veranstalter sei aber auch das schon wieder unsicher, Reisebeschränkungen, Quarantänevorschriften. Paetz nimmt das alles recht gelassen, "die Situation ist besonders, aber sie ist nicht die erste besondere Situation, das muss man aushalten."
Was ihn deutlich mehr umtreibt als seine eigene Lage, ist die all der kleinen Theater- und Kleinkunstbühnen, die jetzt über die Zeit kommen müssen. So wie der Anzinger Weinbeisser, den Paetz seit dem Ausscheiden des Gründers Conny Hoffmann im vergangenen Jahr mitverantwortet und für den er die Programmplanung übernommen hat. Im Sommer hatte man alle Veranstaltungen nach draußen in den idyllischen Innenhof verlegen können, das Stammpublikum kam trotzdem. Unter Hygieneauflagen in den Gastraum zu ziehen, ist aber kaum möglich. Die Atmosphäre im Weinbeisser lebt ja gerade davon, "dass es klein und eng ist". Selbst wenn sich ein Anti-Corona-Konzept umsetzen ließe, sei es doch so, "dass sich das Publikum nicht traut, das kann man den Leuten auch nicht verübeln", sagt Paetz. Also hat sich das Team etwas anderes überlegt: einen Outdoor-Frühschoppen am Vormittag des ersten Adventssonntags - unter dem Motto: "Lieber ins Kabarett als in die Kirche." Auf die Predigt müssen die Besucher dennoch nicht verzichten, denn Pater Paetz erwartet sie ja schon.
Für den Weinbeisser ist das - heizstrahlerfreie - Vorhaben ein Experiment. Mit warmen Speisen und einem kurzen knackigen Programm lasse sich so eine Veranstaltung aber vielleicht auch im Winter draußen durchziehen, sagt Paetz, zumindest am Vormittag. "Ist ja etwas anderes, als im Dunkeln im Freien zu sitzen." Andere kleine Bühnen hätten solche Möglichkeiten aber nicht. "Ich befürchte, dass viele nicht durchhalten werden", sagt der Kabarettist. Während die großen Häuser staatlicherseits unterstützt werden, habe die Politik die kleinen Bühnen, die, mit denen sich nicht viel Geld verdienen lasse und die oftmals in langen Jahren privaten Engagements entstanden sind, kaum im Blick. "Ich denke, sie müssten jetzt Unterstützung erfahren".