Buchvorstellung:Tatkräftiger Optimist

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Pfarrer Mitri Raheb aus Bethlehem stellt in der Philippuskirche in Markt Schwaben sein neues Buch "Glaube unter imperialer Macht" vor. Eindringlich appelliert er für eine friedliche Beilegung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern

Von Klemens Hering, Markt Schwaben

Er redet nicht nur über Versöhnung, er tut auch etwas. In seiner Gemeinde in Bethlehem kickt eine Frauenfußballmannschaft - bestehend aus Muslimas und Christinnen. Mit seiner Hilfe wurde eine Schule, eine Fachhochschule und ein Gesundheitszentrum aufgebaut, alle unter dem Namen "Dar al-Kalima", zu Deutsch "Haus des Wortes" . Auch in seinen Büchern ruft der evangelische Pfarrer Mitri Raheb immer wieder zum friedlichen Miteinander von Israelis und Palästinensern auf. Nun war der 52-Jährige wieder einmal in Markt Schwaben zu Gast, es war ein Besuch bei Freunden: Denn seit 2009, als Raheb gemeinsam mit Rita Süssmuth bei einer Sonntagsbegegnung in Markt Schwaben sprach, bestehen zwischen der evangelischen Kirchengemeinde in Markt Schwaben und der evangelischen Gemeinde von Mitri Raheb in Bethlehem enge Kontakte. Diesmal stellte Raheb in der Philippuskirche sein neues Buch vor: "Glaube unter imperialer Macht" gibt einen Einblick in die schwierige Situation zwischen Palästinensern und Israelis.

In seiner Begrüßungsrede ging Pfarrer Karl-Heinz Fuchs auf das außerordentliche Engagement Rahebs ein, der dafür im Februar 2012 auch den deutschen Medienpreis erhalten hat. Er reiht sich damit in eine Liste großer Namen ein. Bill Clinton, Angela Merkel, Helmut Kohl und der Dalai Lama sind vorangegangene Preisträger. In seinem neuen Buch verarbeitet Mitri Raheb seine Erfahrungen in Palästina und will eine neue Perspektive aufzeigen. Vorher, so sagte der evangelische Pfarrer, habe er seine Bücher zu Orgelmusik aus dem 19. Jahrhundert geschrieben. Dieses Werk sei jedoch aus dem aktuellen Blickwinkel seiner palästinensischen Herkunft geschrieben. "Ich dachte ich werde erhängt", scherzte er rückblickend über die Veröffentlichung. Doch er erinnerte auch daran, dass die Bibel ein Buch aus dem nahen Osten sei - und dass auch der christliche Glaube in Nahost entstanden sei. "Bis zur Zeit Karls des Großen war das Mittelmeer Zentrum politischen Geschehens. Erst nach der Islamisierung durch die Osmanen kam es zur Umverlagerung der politischen Brennpunkte", merkte Raheb an. Er stellte dar, dass seine Heimat seit sehr langer Zeit Spielball ausländischer Imperien gewesen sei und reihte auch Israel in diese ein. Sein eigener Vater, der 1905 geboren sei, habe in seinem Leben nacheinander vier Nationalitäten besessen. Aber auch er selbst, sagte Raheb, habe viele Konflikte miterlebt. "Ich bin 52 Jahre alt, in der Zeit, in der ich auf dieser Erde bin, gab es elf Kriege in meiner Heimat. Und jedes Mal musste wieder aufgebaut werden, was zerstört war. Und dabei sind Gebäude und Straßen das Einfachste. Bis sich Psyche und Sozialstrukturen erholen, dauert es viel länger."

Wie es denn mit der Situation in seiner Heimat weitergehen könnte, wollten Besucher bei der anschließenden Fragerunde wissen. Raheb betonte, dass es Ziel sein sollte, eine Kultur zu leben, die Menschen zusammenbringt, statt sie auszugrenzen. Im religiösen Kontext bedeutet das für ihn, dass es eher "weniger Religion, statt mehr" geben sollte - dass der beste Weg die Einigung unter den Konfessionen im Namen des Glaubens sei. Er betonte, dass die Abspaltung von religiösen Randgruppen wie der Islamische Staat nur zu Konflikten führen könne. Vielfalt sei gut, doch diese sollte unter einem gemeinsamen Stern stehen. Nach Einschätzung Rahebs ist das Verlangen nach Frieden durchaus bei vielen Menschen in seiner Heimat vorhanden. In Bezug auf die Situation zwischen Israelis und Palästinensern stimmte er milde Töne an. "Es gibt viele Israelis, die nicht mehr in der Rolle der Besatzer leben wollen, und Frieden fordern", sagte er. Im Kriegerischen sieht Raheb keinen Weg. "Wenn dein Gegner ein Boxer ist, macht es keinen Sinn, ihn zu einem Boxkampf herauszufordern, sondern vielleicht zu einer Partie Schach." Literatur und Kunst seien die wirksamsten Methoden.

© SZ vom 13.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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