Brust oder Keule?:Wenn Schinken nicht Wurst ist

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Wegen einer falschen Speisekarte steht der Besitzer einer Pizzeria vor Gericht

Von Konstantin Schätz, Ebersberg

"Pizza Prosciutto, Pizza Speciale, Tortellini in Schinken-Sahne-Soße . . ." Mehrere Minuten nahm die Anklageschrift des Staatsanwalts in Anspruch, der fast die komplette Speisekarte vorlas. Doch Hunger bekam die Richterin davon vermutlich nicht. Eher stellte sie sich die Frage, ob der Mann, der schuldbewusst zu Boden schaute, als der Staatsanwalt seine Gerichte vorlas, aus Faulheit oder Vorsatz gehandelt habe.

Angeklagt war der Besitzer einer Pizzeria im westlichen Landkreis, der in seinen Menüs nicht kenntlich machte, dass er in allen "Schinken-Gerichten" statt - wie zu erwarten - Schweinefleisch, sondern Truthahnfleisch verarbeitete. Als er im April dieses Jahres von einem Mitarbeiter des Landratsamts kontrolliert wurde, flog er auf. "Es ist ja nicht verboten, Truthahnfleisch in den Gerichten zu verwenden. Man muss es halt kenntlich machen", erklärte der Kontrolleur vor Gericht.

Das Schwein war Pute, der Schafskäse kam von der Kuh

Den Beschluss, das Lokal näher zu untersuchen, fasste der Mitarbeiter des Landratsamts, als ihm bei einer Routinekontrolle sogenannter Gefrierbrand auffiel: "Das bedeutet nicht, dass die Lebensmittel ungenießbar sind. Allerdings verlieren sie halt an Geschmack." Daraufhin habe er sich dazu entschlossen, unter anderem die Lagerung der Lebensmittel unter die Lupe zu nehmen. Am Ende hatte er mehrere Punkte zu beanstanden: "Einige Lebensmittel wurden zum Beispiel falsch gelagert". So seien Produkte, die bei sieben Grad (also Kühlschranktemperatur) gelagert werden sollen, einfach im Keller gestapelt worden, wo es deutlich wärmer ist.

Anschließend widmete er sich der Speisekarte, in der ihm auffiel, dass das Truthahnfleisch nicht gekennzeichnet war. Auch beim Käse machte der Lokalbesitzer falsche Angaben. Statt Schafskäse verwendete er Käse, der aus Kuhmilch produziert wird. Der Kontrolleur wies nach der Besichtigung den Besitzer auf die Fehler hin und forderte ihn auf, die Lagertemperatur der Produkte einzuhalten und entsprechende Änderungen in der Rezeptur der Gerichte vorzunehmen oder neue Speisekarten zu drucken.

Dass dies allerdings nicht geschah, wurde bei einer Nachkontrolle, die zwei Wochen später stattfand, bemerkt. "Als ich nach 13 Tagen wiederkam, musste ich feststellen, dass sich nichts geändert hat", erklärte der Mitarbeiter vom Landratsamt. Daraufhin musste er dem Lokalbesitzer "Vorsatz" unterstellen und übergab den Fall der Staatsanwaltschaft.

Mittlerweile habe der Angeklagte, der sich vor Gericht selbst verteidigte, neue Flyer mit den entsprechenden Änderungen vornehmen lassen, die er der Richterin und dem Staatsanwalt zeigte. Zwar führte dieses neue Menü zu einiger Verwirrung, da die Bezifferung mit dem Verweis auf die verwendeten Lebensmittel nicht zusammenpasste, allerdings konnte die Richterin den Verweis mit dem Truthahnfleisch finden. Bei den Gerichten mit Schafskäse hat er die Rezeptur geändert und ist mittlerweile auf den genannten Käse in der Karte umgestiegen, so der Angeklagte.

Warum der Wirt nicht einfach eine neue Karte auslegte, blieb unklar

Auf die Frage, wieso es knapp drei Monate dauerte, bis er die entsprechenden Änderungen im Internet und in seinem Menü vornahm, antwortete der 32-Jährige, dass der Onlinelieferdienst eine "lange Bearbeitungszeit gehabt" hat. Auch der Druck habe viel Zeit in Anspruch genommen. Deshalb seien die neuen Flyer erst Anfang Juli ausgelegt worden.

Wieso er nicht zwischenzeitlich einfach das Rezept geändert oder zumindest einen Zettel mit einem entsprechenden Vermerk auslegte, konnte nicht geklärt werden. "Das ist doch eine Arbeit von drei Minuten. Man muss einfach losfahren und Schweinefleisch kaufen", sagte der Kontrolleur.

Am Ende einigten sich die Richterin, der Staatsanwalt und der Angeklagte auf 60 Tagessätze in Höhe von 35 Euro. Die Festlegung dieser Strafe war allerdings mit einer kurzen Diskussion verbunden. Da die Richterin feststellen musste, dass bei dem ermittelten Gehalt nicht berücksichtigt wurde, dass der 32-Jährige für seinen Sohn sorgen müsse, reduzierte sie den Tagessatz. Der Besitzer des Lokals versuchte daraufhin, den Tagessatz noch weiter zu drücken. Bei der Richterin biss er mit dieser Forderung allerdings auf Granit: "Ich lasse da nicht mit mir handeln", beendete sie die Diskussion.

© SZ vom 12.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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