Bis die Geige raucht:Von Raketen und Gespenstern

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Beim Vaterstettener Rathauskonzert schickt Heinrich Klug zusammen mit den "Puppet Players", zwei hochmusikalischen Kindern und ein paar Profis "Mozart auf Reisen"

Von Anja Blum, Vaterstetten

"Mama, das ist bestimmt auch ein sehr berühmter Junge", flüstert ein kleines Mädchen voller Ehrfurcht. "Der spielt so schwere Sachen, ganz ohne Noten!" Zuvor hat das vornehmlich junge Publikum schon viel von Wolfgang Amadeus Mozart gehört, und davon, dass dieser bereits in sehr jungen Jahren sehr berühmt war. Beim Vaterstettener Rathauskonzert für Kinder nämlich ist wieder einmal Heinrich Klug zu Gast, der nimmermüde Vermittler zwischen Nachwuchs und Klassik bei den Münchner Philharmonikern, diesmal mit seinem schon lange bewährten Programm "Mozart auf Reisen", das sich ganz der bewegten Jugend des großen Komponisten widmet.

Der ehrgeizige Vater schleift den kleinen "Wolferl" und seine Schwester Maria Anna, das "Nannerl", jahrelang quer durch Europa, von Hof zu Hof, um mit den "Wunderkindern" Ruhm und Geld anzuhäufen. "Mozart hat es bald satt, er wäre viel lieber mit dem Zirkus mitgefahren", erzählt Klug. Klar wird aber: Auch wenn diese Zeit oftmals beschwerlich für die Heranwachsenden ist, so wird aus Mozart wohl nur dank dieser vielfältigen Erfahrungen ein "Jahrtausendgenie". In ganz Europa saugt der Junge die musikalischen Strömungen seiner Zeit auf wie ein Schwamm und spiegelt sie schon in seinen frühen Kompositionen wider. Vor allem in Mannheim lernt er viel: Wie ein Orchester zwitschert oder seufzt, wie man eine musikalische Rakete zündet oder welch grandiose Wirkung ein Crescendo haben kann. Klug und seine Kollegen führen das alles freilich gleich enthusiastisch vor - bis die Kinder auf den Stühlen stehen und die Geige raucht.

Der junge Mozart und sein Vater: Immer wieder gab es auch Konzerte für Kinder - mit außergewöhnlichen Talenten am Instrument. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das liebevoll gestaltete Programm erzählt den Kindern von den Reisejahren der Familie Mozart in Worten, Musik und Bildern, nimmt sie mit auf eine lustige Fahrt in der "Ruckel-Zuckel-Kutsch". Dafür hat Klug sich freilich Unterstützung geholt: ein kleines, aber feines Orchester aus Mitgliedern der Münchner Philharmoniker und der Akkordeonistin Maria Reiter, die Münchner Puppet Players und zwei Kinder, die ihr exzellentes Können am Instrument schon mehrmals bei "Jugend musiziert" unter Beweis gestellt haben. Sie verkörpern die beiden Wunderkinder: Die zehnjährige Aenne Forster sitzt als Nannerl im roten Kleid am Flügel, der achtjährige Clemens Reißenweber spielt Geige wie das kleine Wolferl. Wobei: "Ich weiß gar nicht, ob Mozart selbst damals schon so gut war", sagt der sonst stets gestrenge Klug - ein Ritterschlag für den jungen Darsteller also. Mit weißer Perücke und stilechtem Kostüm steht Clemens am Bühnenrand, spielt wie der Teufel und gibt schneidig Antwort, wenn er aus Mozarts Jugend erzählen soll. Sogar die klassische Verbeugung, den Diener, hat er perfekt im Repertoire. Es scheint also gar nicht so unwahrscheinlich, dass auch dieser Junge einmal berühmt werden wird. . .

Zu hören gibt es lauter Stücke, die Mozart in seiner Jugend komponiert hat. Das erste, ein Menuett, im Köchelverzeichnis dementsprechend die Nummer eins, schuf er mit gerade einmal fünf Jahren. Das Klavierspiel seiner Schwester förderte der kleine Wolferl, indem er ihr zum Beispiel ein spezielles "Allegro moderato" schrieb: "Da müssen die Hände nämlich über- und untereinander greifen", erklärt Klug. So entstand das berühmte "Notenbuch für Nannerl".

Zusammen mit Aenne Forster, die als Schwester "Nannerl" auftritt und Heinrich Klug von den Münchner Philharmonikern spielt Clemens Reißenweber auf, bis die Geige raucht. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Während der erste Teil des Programms vergleichsweise pur die historischen Begebenheiten und Mozarts erste Kompositionen präsentiert, so wird es im zweiten um einiges fantastischer: Nun gesellen sich wie zu Mozarts Zeiten aus Holz geschnitzte Marionetten zu dem fünfköpfigen Orchester und stellen dar, wie die damaligen Erlebnisse, lustige wie unheimliche, auf den jungen Komponisten gewirkt haben mögen. Klug zitiert dazu aus den Briefen des Vaters, und das poetische Spiel der Puppen eröffnet Raum für überbordende Fantasie - schließlich war Mozart zwar damals schon ein Genie, aber trotzdem immer noch ein Kind. Die Musiker steuern weiterhin Stücke aus Wolferls Feder bei, vor allem aus dem 1766 entstandenen "Galimathias Musicum", und beweisen enorme lautmalerische Fähigkeiten. Kaiser, Säufer, Muskelmann und Madame Pompadour erwachen so zum Leben, ziehen vorbei wie in einem träumerischen Reigen. Besonders schauerlich-beeindruckend für die Kinder ist ein Skelett, ein klappriges Gespenst aus dem Londoner Tower, das sich - dank der Kunst am seidenen Faden - in seine Bestandteile auflösen und gleich danach wieder zusammenschnurren kann.

Der absolute Ohrwurm des Nachmittags ist die Fuge Nr. 17, zu der Klug einen kleinen Text von der "Ruckel-Zuckel-Kutsch" geschrieben hat. Schließlich soll das junge Publikum nicht nur hören, sondern sich auch selbst musikalisch am Geschehen beteiligen - denn nur so reicht das Erlebte über den Moment hinaus. "Das muss ich daheim gleich meinem Bruder vorsingen!" Na also.

© SZ vom 16.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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