Bildung in Ebersberg:Da kommt was auf sie zu

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Um das Ferienbetreuungs-Angebot in Geretsried verbessern zu können, bietet die Stadt online eine Eltern-Umfrage an. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Bis Ende des Jahrzehnts haben alle Grundschulkinder Anspruch auf Ganztagesbetreuung. Was das für die Kommunen bedeuten könnte, zeigt das Beispiel der Stadt Ebersberg, wo vielleicht bis zu 180 Hortplätze fehlen

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Der Schock kam im Ausschuss erst auf den zweiten Blick: Denn anders als in manchen Nachbarkommunen ist der behandelte Tagesordnungspunkt, die Prognose der Kinderbetreuungsplätze, in der Kreisstadt ein eher angenehmer. Schon seit einigen Jahren können die Zuständigen im Rathaus den Stadtratsmitgliedern verkünden, dass alle Ebersberger Kinder, die einen Platz brauchen, auch einen bekommen, wenn auch nicht immer in der Wunscheinrichtung. Für das aktuelle Schul- und Kindergartenjahr ist die Lage dementsprechend entspannt, bei den Kindergärten schafft die Kreisstadt sogar eine Betreuungsquote von sagenhaften 110 Prozent, dank Gastkindern von außerhalb. Etwas angespannter ist die Lage bei Hort und Mittagsbetreuung - aber nicht annähernd so angespannt, wie man es für die kommenden Jahre befürchten muss.

Denn - die Kreisstadt ist da kein Einzelfall - auf die Kommunen kommen spätestens in fünf Jahren gewaltige neue Aufgaben bei der Kinderbetreuung vor. Dazu berichtete Florian Robida, stellvertretender Jugendamtsleiter im Landratsamt den Stadtratsmitgliedern. Hintergrund ist ein neuer Rechtsanspruch für Grundschüler auf Ganztagesbetreuung. Beginnend mit dem Schuljahr 2026/2027 und zunächst nur für die Erstklässler können die Schulen niemanden mehr mittags nach Hause schicken, dessen Eltern das nicht wünschen. Mit jedem Schuljahr wird dieser Anspruch logischerweise um einen Jahrgang erweitert, so dass von Herbst 2029 an alle Grundschulkinder auf Wunsch Ganztagesbetreuung bekommen können.

Was das für eine Kommune bedeutet, hatte Robida - der diese Prognose für alle 21 Landkreiskommunen anbietet - für die Kreisstadt als erstes ausgerechnet: Mit dem Start des Betreuungsanspruches würden in Ebersberg mehr als 70 zusätzliche Plätze für Schulkind-Betreuung benötigt, bis 2029, wenn der Anspruch dann für die Klassen eins bis vier gilt, könnte der Bedarf auf knapp 180 zusätzliche Plätze hochschnellen.

Wobei, das erläutert Robida auf Nachfrage, diese Zahlen nur ein mögliches Szenario abbilden. Denn mit der Mitte Juni vom Bundestag verabschiedeten Änderung des Sozialgesetzbuches wird zwar der Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung für Schulkinder eingeführt - wie diese indes konkret auszusehen hat, ist derzeit völlig offen. So hat sich der Gesetzgeber bislang nur darauf festgelegt, dass die entsprechende Einrichtung nicht länger als vier Wochen im Jahr geschlossen sein darf. Außerdem soll das Personal dort eine gewisse Qualifikation nachweisen müssen - welche genau, sei aber ebenfalls undefiniert, so Robida weiter.

Am Beispiel Ebersberg habe man daher den Bedarf berechnet, der entsteht, würde künftig eine qualifizierte Ganztagesbetreuung nur noch in einem Hort geleistet werden dürfen. "Alle Gemeinden mit Mittagsbetreuung hätten dann ein Problem", sagt Robida. Aber auch wenn die Kommune bisher schon den Bedarf ausschließlich über einen Hort abdeckt, könnte dieser ausgebaut werden müssen. Es sei nicht auszuschließen, dass mit der Garantie auf einen Betreuungsplatz auch die Nachfrage steigen könne.

Dies sei - da es sich ja um ein Bundesgesetz handelt - natürlich kein auf den Landkreis begrenztes Problem. Doch besonders in den Kommunen hier, genau wie in den anderen Kreisen des Ballungs- und Zuzugsraumes München, werde sich die Gesetzesänderung besonders stark bemerkbar machen: Auf der einen Seite steigt der Bedarf durch Zuzug, auf der anderen durch den neuen Rechtsanspruch. Wie lange es dauert, bis die Kommunen zumindest wissen, was auf sie zukommt, darüber vermag man auch im Jugendamt nur zu spekulieren. Man sei in Gesprächen mit anderen Jugendämtern und mit dem Landkreistag, so Robida, aber niemand wisse derzeit, auf was man sich einstellen müsse.

Die Zeit zu reagieren wird indes immer knapper: Sollte das Szenario eintreten, dass wirklich nur noch Einrichtungen mit hortähnlich qualifiziertem Personal und weniger als vier Wochen Schließzeiten als echte Ganztagesbetreuung gemäß dem Gesetz anerkannt würden, stellt sich die Frage, wo die Kommunen das Personal dazu herbekommen sollen. Fünf Jahre dauert die Ausbildung zum Erzieher, für das erste Jahr des Rechtsanspruches müssten daher eigentlich schon jetzt die Leute ausgebildet werden. Ob der Gesetzgeber wirklich diesen Maximalanspruch verlangen wird, könne man noch nicht sagen, Robida kann sich aber vorstellen, dass es zumindest anfangs auch Ausnahmen geben könnte.

In Ebersberg will man das Hortangebot in den kommenden Jahren weiter ausbauen. Eine weitere Gruppe mit 25 Plätzen soll im Neubau des Kindergartens St. Sebastian entstehen. Außerdem will man prüfen, ob und wie die Stadt etwas für zusätzliche Ausbildungsplätze im Erzieherberuf tun kann. Damit es auch in Zukunft beim Thema Betreuungsbedarf nicht unangenehm wird.

© SZ vom 05.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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